Hochschulbildung
Medizinisches Fachwissen
[ Von Carolin Kröner ]
Bis vor wenigen Jahren wurde die Ausbildung von Fachärzten in Entwicklungsländern vernachlässigt – sowohl aus politischen Gründen als auch wegen der hohen Kosten. Universitäten und fachärztliche Medizin galten als zu teuer und technisiert und daher für Entwicklungsländer ungeeignet. Beispiele in Südostasien machen aber deutlich, dass die universitäre Lehre sehr wohl zur Verbesserung der medizinischen Grundversorgung beitragen kann. Als besonders erfolgreich haben sich Ausbildungskooperationen zwischen Universitäten herausgestellt, etwa in der Frauenheilkunde. Gerade dort, wo die Einkommensschere weit auseinanderklafft, ist es wichtig, auf das Land zugeschnittene Fachausbildung anzubieten.
Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung fördert Programme im medizinisch-humanitären Bereich. Erfolgreiche Beispiele sind das Engagement der Freiburger Universitätsfrauenklinik in Laos sowie die dermatologische Weiterbildung in Kambodscha (siehe Box). Beide Initiativen wollen ein Ausbildungssystem für Ärzte und medizinisches Personal aufbauen. Auch das laotische Gesundheitsministerium hat beispielsweise die Ausbildung von Gynäkologen mittlerweile als eine Hauptsäule im Kampf gegen Müttersterblichkeit erkannt.
Lehrmaterial für Asien und Europa
Horst-Michael Runge leitet das Collaborating Center for Postgraduate Training and Research in Reproductive Health an der Universitätsfrauenklinik Freiburg und startete 1995 eine Ausbildungskooperation mit Vietnam. In den vergangenen 15 Jahren wurden so mehr als 1200 Fachärzte für Gynäkologie ausgebildet. Die Zahl der Menschen, die davon profitiert haben, geht in die Millionen. Mitte der 90er Jahre starben in Vietnam noch jährlich 400 bis 500 Mütter pro 100 000 Lebendgeburten. Heute sind es nur noch 180. Zum Vergleich: In Deutschland sterben vier bis sechs Frauen pro 100 000 Lebendgeburten.
Die erfolgreiche Kooperation mit Vietnam ließ sich gut auf Laos übertragen, eines der ärmsten Länder der Welt. Bevor das Projekt dort startete, gab es im gesamten Land lediglich 14 Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, alle in der Hauptstadt Vientiane. Im Jahr 2002 starben noch 600 bis 800 Mütter pro 100 000 Lebendgeburten, hauptsächlich aufgrund mangelnder Aufklärung und medizinischer Betreuung. Rund 20 Prozent der Todesfälle waren Folge unsachgemäßer Abtreibungen. Deshalb ist es entscheidend, dass die Schwangeren nicht nur professionell betreut werden, sondern dass sie außerdem über Familienplanung und Verhütungsmittel aufgeklärt werden.
Dafür ist wissenschaftliche Kompetenz unverzichtbar. Das Freiburger Collaborating Center entwickelte 18 Unterrichtsbücher für 18 Module, 25 CD-ROMs mit Power Point-Präsentationen sowie 14 Video-DVDs zu gynäkologischen Prozeduren und Operationen. Es ist die größte Lehrmaterialsammlung für die Ausbildung zum Facharzt für Gynäkologie in Europa und ist damit auch hier ein Fortschritt. Die European Union of Medical Specialists sowie das European Board and College of Obstetrics and Gynecology akkreditierten die Schulungsmaterialien deshalb ebenfalls für die Facharztausbildung in europäischen Ländern.
Das Lehrmaterial wurde vollständig ins Vietnamesische und Laotische übersetzt und konnte so die Qualität der Ausbildung deutlich verbessern. Das macht diese Ausbildungskooperation weltweit einzigartig.
In Vietnam wurden die Lehrmaterialien inzwischen an allen acht medizinischen Fakultäten des Landes für den Unterricht zugelassen. Zunächst übernahm die Else Kröner-Fresenius-Stiftung noch die Herstellungskosten für die Lehrmaterialien der Hochschullehrer, seit 2010 jedoch tragen das vietnamesische Gesundheitsministerium und die Universitäten die Kosten selbst. In Laos wird das Schulungsmaterial an der medizinischen Fakultät für die Ausbildung von Fachärzten und Hochschullehrern der Frauenheilkunde genutzt, wodurch auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Erziehungs- und Gesundheitsministerium entstand.
Auch die praktische Ausbildung wurde in Laos verbessert: In zwei laotischen Kliniken – in Luang Prabang und in Vientiane – wurden Trainingszentren für Postgraduierte eingerichtet. Die Zentren verfügen jetzt nicht nur über moderne technische Ausrüstung wie gynäkologische Untersuchungseinheiten, Ultraschallgeräte, Entbindungsbetten, Wiederbelebungseinheiten für Neugeborene und Inkubatoren. Sie bieten auch tägliche Trainingskurse für laotische Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern an, die zusammen mit Ärzten der Freiburger Universitätsfrauenklinik und anderen europäischen Partneruniversitäten umgesetzt werden.
Messbare Erfolge
Seit Beginn des Ausbildungsprogramms in Laos 2002 wurden jährlich sechs bis sieben Fachärzte ausgebildet. Inzwischen gibt es 33 Fachärzte und fünf neue Hochschullehrer. Dadurch können heute gynäkologische Krankheiten diagnostiziert und behandelt werden, die vorher nicht gelehrt und deshalb weder erkannt noch therapiert werden konnten.
Die geschulten Fachärzte übernehmen im Anschluss an ihre Qualifizierung häufig Leitungs- und Lehrfunktionen an Provinzkrankenhäusern. Ganz nach dem „Train the Trainer“-Prinzip bilden sie dort ihrerseits Allgemeinärzte und Hebammen aus, die wiederum ihr Wissen weitertragen. So profitieren mittlerweile pro Jahr über 200 000 Menschen in Laos von den verbesserten Bedingungen – und es werden täglich mehr. Die bessere medizinische Versorgung erreicht insbesondere auch die Einwohner auf dem Land, die 80 Prozent der laotischen Bevölkerung ausmachen.
Nach offiziellen Angaben ist die Müttersterblichkeit in Krankenhäusern mittlerweile auf 380 Todesfälle pro 100 000 Lebendgeburten gesunken. Auch die perinatale Mortalität – der Tod von Neugeborenen innerhalb der ersten zehn Tage – hat sich in den vergangenen Jahren von 67 auf 43 pro 1000 Neugeborene verringert. Dies ist natürlich auch auf die Geburtshilfeschulungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurückzuführen sowie auf die Familienplanungsprogramme des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA).
Zudem ist ein ganzes Netzwerk aus europäischen Hochschulpartnerschaften entstanden, das sich in Laos engagiert: Die Universität Düsseldorf beispielsweise unterstützt beim Neugeborenen-Screening, die Universität Basel bei der HIV-Prävention und das Karolinska Krankenhaus Stockholm begleitet ein Projekt zur Krebsfrüherkennung. Hinzu kommen die Weiterbildungsveranstaltungen der regierungsunabhängigen Organisation Health Frontiers aus den USA, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag leistet.
Medizinische Versorgung verbessern
Die beschriebenen Programme zeigen, wie die medizinische Leistungsfähigkeit der Partnerländer gestärkt werden kann:
– durch das „Train the Trainer“-Prinzip, das Wissen nachhaltig und umfassend verbreitet,
– durch eine partnerschaftliche Projektdurchführung, die Universitäten und lokale Partner eng in die Projektplanung und -umsetzung einbindet, und
– durch eine problembezogene, praktische Ausbildung auf fachärztlichem Niveau.
Die Erfahrungen der Else Kröner-Fresenius-Stiftung verdeutlichen auch, wie wichtig es ist, solche Projekte langfristig und mit hoher Fachkompetenz umzusetzen. Der wesentliche Erfolgsfaktor zur Verbesserung der medizinischen Qualität bleibt jedoch immer der einzelne Mensch: Im Mittelpunkt der Projekte stehen erfahrene, extrem engagierte Persönlichkeiten als Koordinatoren.