Mikrofinanz
Sparbuch als Entwicklungshelfer
Seit fast 20 Jahren begleitet die Sparkassenstiftung für internationale Kooperation lokale Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Jahr 2010 leisteten ihre Berater in 25 Staaten Überzeugungsarbeit. Schnelles Wachstum verfolgen die 130 Mitarbeiter nicht; auch ernten sie kaum Schlagzeilen. Umso mehr überraschte sie, wie vor einem Jahr die internationale Berichterstattung umschlug: Galten Mikrokredite zuvor als Zaubermittel gegen Armut, wird ihnen heute massenhafte Verelendung vorgeworfen.
Den Umschwung brachte die Mikrofinanzkrise im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh. Kernproblem dort war, dass zu viel Geld in den Sektor gedrückt wurde. Auf ihrer blinden Jagd nach Wachstum pumpten sich große Mikrofinanzinstitute (MFI) Geld am Kapitalmarkt und drängten auch Kunden Darlehen auf, die absehbar daran scheitern mussten. Die Sparkassenstiftung verfolgt eine andere Strategie. „Wer Menschen dabei hilft, langfristige Strukturen aufzubauen, hilft am besten“, meint Geschäftsführer Niclaus Bergmann. Um solche stabilen Netze zu knüpfen, müssten vor Ort nicht nur Kredite gegeben, sondern auch Ersparnisse verwaltet werden dürfen.
Deutsche Sparkassen haben eine lange Tradition als bürgernahe Geldhäuser. Sie gehören den Städten und Landkreisen und arbeiten unabhängig. Aus dem Geld ihrer Sparer finanzieren sie häufig Kredite an örtliche Unternehmen. Das darf aber nie auf Kosten der Sparer gehen, betont Bergmann: „Auch wenn MFI dauerhaft Verluste schreiben, müssen sie aufhören.“ Orientierten die Institute sich dabei am kurzen Gewinn, verlieren sie nach Bergmanns Worten ihre Berechtigung. In vielen Schwellenländern werden Sparbücher allerdings durch Gesetze streng eingeschränkt. So entsteht kein solides, örtlich verankertes Mikrofinanzwesen, sagt Bergmann: „Viele Regierungen übersehen, dass Sparen und Schulden zwei Seiten einer Medaille sind.“
Aus Sicht der Sparkassenstiftung versprechen Mikrokreditsysteme unter vier Bedingungen Erfolg:
– Mikrokredite müssen mit anderen Dienstleistungen wie Sparbüchern, Versicherungen oder Geldtransfer ergänzt werden.
– Der Staat muss Schuldner schützen, indem er Marktregeln aufstellt. Sie müssen den Instituten dennoch erlauben, rentabel zu wirtschaften.
– Kunden müssen möglichst schon als Kinder lernen, mit Ersparnissen umzugehen.
– Manager und Mitarbeiter der MFI brauchen auch Bildung in Bankbetriebswirtschaft.
Eine der größten Sorgen für die Sparkassen-Berater in Entwicklungsländern sind Regierungen, die lokale Institute daran hindern, sich selber zu verwalten. Kreditbüros oder Spargruppen zu vernetzen sei richtig, argumentiert die Stiftung. Lokale Institute müssten aber selbst erkennen, welche Vorteile ein Schulterschluss mit anderen bringt. Berater der Sparkassenstiftung versuchen, die Behörden behutsam davon zu überzeugen, dass Vertrauen mehr bringt als Kontrolle.
Peter Hauff