Bildung
Ein überbewertetes Vorbild
Laut der staatlichen US-Behörde National Center for Education Statistics (NCES) belegten die USA 2015 bei den Noten für Mathematik bei den 15-Jährigen Platz 36 in der Welt, Platz 19 bei den Noten für Naturwissenschaft und Platz 15 bei den Noten für Lesen. Rund 84 Prozent der Highschool-Oberstufenschüler machen einen Abschluss. Diese Zahl scheint gut, aber ohne Abschluss haben Menschen in den USA keine echte Chance, einen gut bezahlten Job zu bekommen.
Die USA schneiden im Bildungsbereich nicht wirklich schlecht ab, sie sind aber auch nicht die Besten. Dennoch entscheiden sich viele Menschen für einen Bildungsweg in den USA. Die Gründe dafür sind, dass
- viele Schüler und Studenten schon Englisch können,
- Abschlüsse aus den USA auf der ganzen Welt akzeptiert sind und
- die USA historisch ein Einwanderungsland mit guten Zukunftschancen sind.
Was viele nicht wissen, ist, dass das US-amerikanische Bildungssystem sehr komplex, facettenreich und nicht einfach zu verstehen ist. Viele glauben, dass Privatschulen das System hervorragend machen, aber diese sind nur ein kleiner Teil davon.
Grund- und weiterführende Schule
Die meisten Amerikaner besuchen eine Grund- und eine weiterführende Schule. Es gibt eine Schulpflicht und freien Schulbesuch von 16 bis 18 Jahren je nach Bundesstaat. Öffentliche Schulen unterliegen der Kontrolle der Bundesstaaten, deshalb sind Lehrpläne und finanzielle Unterstützung von Staat zu Staat unterschiedlich. Laut NCES wendete die US-Regierung durchschnittlich ungefähr 12 000 Dollar pro Schüler im Schuljahr 2014/2015 auf – 29 Prozent mehr als der Durchschnitt in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Den wohlhabenden Eltern ist die Qualität der öffentlichen Schulen trotzdem nicht gut genug. Sie schicken ihre Kinder lieber an Privatschulen. Nach Angaben des NCES besuchten 2015 ungefähr 10 Prozent der Schüler von Grund- und weiterführenden Schulen Privatschulen. Viele dieser Schulen sind religiös geprägt, aber viele Eltern wählen sie nicht aus religiösen Gründen. Sie wollen, dass ihre Kinder bessere Chancen haben als an öffentlichen Schulen. Sie denken dabei an Hochschulzulassung, Status und die zukünftige Karriere.
Die Unterschiede zwischen öffentlichen und Privatschulen sind groß. Laut einem OECD-Report sind Privatschulen in den USA besser ausgestattet als öffentliche Schulen. In Privatschulen herrscht in der Regel mehr Sicherheit und weniger Kriminalität als in öffentlichen und die Lehrer sind häufig besser. Privatschullehrer werden besser bezahlt und müssen weniger arbeiten. Nicht überraschend schneiden Schüler an Privatschulen im Allgemeinen besser ab.
Wegen der hohen Schulgebühren kommen die Kinder meist aus privilegierten Haushalten. Außerdem bevorzugen Privatschulen Schüler mit entsprechendem Familienhintergrund und Status.
Auch die Ungleichheit innerhalb des öffentlichen Schulsystems ist immens. Angehörige der amerikanischen Ureinwohner, Afroamerikaner und Hispanos schneiden bei den Abschlüssen im Schnitt schlechter ab als weiße Schüler.
Afroamerikanische Schüler gehen seltener an Universitäten als ihre weißen Mitschüler. Öffentliche Schulen in afroamerikanisch dominierten Gegenden haben einen schlechteren Ruf als öffentliche Schulen in Gegenden mit weißer Mehrheit. Die finanzielle Unterstützung der Schulen hängt von der Grundsteuer ab, somit können Gemeinden mit reicherer Bevölkerung mehr in das Schulwesen investieren.
Die frühere Rassentrennung hat dazu geführt, dass farbige Minderheiten in eigenen Bezirken leben, was bis heute anhält. Benachteiligte Gemeinschaften sind durchschnittlich ärmer. Laut NCES tendieren besonders Mitglieder von Minderheiten dazu, Schulen in armen Nachbarschaften zu besuchen.
Die Ungleichheit in der Bildung ist ein intensiv diskutiertes Thema, aber trotzdem hat es die Regierung noch immer nicht geschafft, viel zu ändern. Einkommensunterschiede von Universitätsstudenten wurden durch Kredite und Stipendien reduziert, aber die Unterschiede existieren noch. Die Chancenungleichheit beginnt im Kindesalter und wird von gesellschaftlicher Zugehörigkeit und dem Einkommen der Familie bestimmt.
Hochschulsituation
Schüler ohne Highschool-Abschluss haben eine wesentlich geringere Chance, einen Beruf mit guter Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen zu bekommen. Um einen gut bezahlten Job zu bekommen, muss man eine Universität besuchen, und diese Ausbildung ist teuer. Für alle Hochschulen, egal ob öffentlich oder privat, muss man in den USA bezahlen. Die Studiengebühren ermöglichen es der Hochschule, ihren Studenten viele Dienstleistungen wie gut gepflegte Grundstücke, teure Labore oder gut ausgestattete Bibliotheken zu bieten.
Es gibt verschiedene Arten von Hochschulen in den USA. Die angesehensten Universitäten sind international bekannte, private Universitäten wie Harvard, Princeton oder Stanford. Als Nächstes kommen angesehene staatliche Universitäten, die auch gut sind. Sie alle leisten Spitzenforschung. Die dritte Kategorie sind gewinnorientierte „Diplomfabriken“, die kaum Forschung betreiben und keine hohen akademischen Ansprüche haben. Sie sind deshalb dem Namen nach relativ unbekannt.
Viele Amerikaner können sich teure Hochschulen nicht leisten. Die amerikanische gemeinnützige Prüfungskommission College Board gibt an, dass die durchschnittlichen Kosten 8600 Dollar pro Student für ein Jahr Vollzeitstudium an einer Universität im Studienjahr 2018/2019 betrugen. An Elite-Universitäten wie Harvard, Princeton und Yale sind Summen bis zu 50 000 Dollar pro Jahr nicht unüblich.
Die Schüler mit den besten Abschlüssen werden automatisch an öffentlichen Universitäten angenommen, die durchschnittlich weniger als private Universitäten kosten. Studenten, die aus dem Bundesstaat der Universität kommen, zahlen zudem geringere Studiengebühren als Studenten, die aus anderen Bundesstaaten kommen. Viele junge Menschen nehmen Kredite auf, um studieren zu können, und verschulden sich damit für Jahrzehnte. Es ist möglich, aber schwierig, finanzielle Unterstützung zu bekommen. Man muss dafür viele bürokratische Hürden überwinden. Die Schulden der Studenten sind ein großes politisches Problem geworden, da es vielen schwerfällt, diese abzubezahlen.
Für Familien mit niedrigem Einkommen gibt es eine Vielzahl von Stipendien und Zuschüssen, die die Studiengebühren und die Lebensunterhaltskosten abdecken sollen. Einige Studenten können von diesem System profitieren. Die Frau des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, Michelle Obama, ist ein Beispiel dafür. Sie kommt aus einer Arbeiterklasse-Familie in einer benachteiligten Gegend in Chicago und hat es trotzdem geschafft, einen Jura-Abschluss an der Princeton University zu machen. Danach arbeitete sie bei einer führenden Anwaltskanzlei.
Die hohen Gebühren für die Eliteschulen und -universitäten führen dazu, dass nur reiche und weiße Studenten die besten Chancen haben. Weiße Studenten aus wohlhabenden Familien dominieren die Universitätskultur. Farbige Studenten fühlen sich marginalisiert. Einige Minderheitsschüler leiden unter dem „Betrüger-Syndrom“ und fragen sich, ob sie wirklich in die Uni gehören.
Der Schwiegersohn von Präsident Donald Trump, Jared Kushner, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Privilegien in den USA funktionieren. Laut dem New York Magazine spendete Kushners Vater Millionen von Dollar, um seinen Sohn nach Harvard schicken zu können. Sogar Kushners Highschool gab zu, dass er eigentlich nicht qualifiziert genug war.
Das war vor 20 Jahren, aber die Situation hat sich nicht geändert. In den vergangenen Wochen haben US-Medien einen umfangreichen Skandal über die Zulassung an Universitäten aufgedeckt, an dem etwa 50 Personen, darunter 33 wohlhabende Eltern, beteiligt sind. Die einfache Wahrheit ist, dass einige Eltern ihre Kinder durch Bestechung an die Hochschulen bringen, weil ihre Kinder die Zulassungsbedingungen nicht erfüllen. Studierende ohne diese Art von Unterstützung müssen hart arbeiten und gute Leistungen bringen, um aufgenommen zu werden.
Gezielte Fördermaßnahmen sind seit vielen Jahren ein kontroverses Thema. Universitäten müssen einen Teil der Studenten aus Minderheitengemeinschaften aufnehmen. Konservative behaupten, dass dies den Wettbewerb verzerre und weiße Schüler diskriminiere. Sie wollen, dass Menschen nur anhand ihres Einkommens aufgenommen werden. Was sie gerne übersehen, ist, dass der Großteil der weißen Studenten aufgrund von Familienzugehörigkeit, Wohlstand und systematischen Privilegien zugelassen wird. Zu viele Studenten der Eliteschulen sind nicht wegen ihrer schulischen Leistungen da und nehmen so den Schülern, die es mehr verdient hätten, die Plätze weg.
Link
National Center for Education Statistics: The Condition of Education 2018:
https://nces.ed.gov/pubs2018/2018144.pdf
Cema Tork ist Praktikantin bei E+Z/D+C, finanziert vom Congress-Bundestag-Jugendaustausch (CBYX). Dieses Programm entsendet 75 junge Amerikaner nach Deutschland und 75 junge Deutsche in die USA.
cematork@gmail.com