Ernährungssicherheit

Akuter Hunger

In Simbabwe fragen sich immer mehr Menschen, nicht was, sondern ob sie morgen überhaupt essen werden. Covid-19 und eine anhaltende Dürre verschärfen die chronische Wirtschaftskrise.
Simbabwe erleidet das dritte Dürrejahr in Folge. Tsvangirayi Mukwazhi/picture-alliance/ASSOCIATED PRESS Simbabwe erleidet das dritte Dürrejahr in Folge.

Früher gab es in Simbabwe reichlich zu essen, heute nicht mehr. Die alleinerziehende Mutter Duduzile Nhari muss als Lehrerin fünf Kinder versorgen. Es gibt nur eine Mahlzeit pro Tag. Nhari gehört zum Lehrkörper einer staatlichen Schule, aber das Einkommen reicht nach langen Jahren hoher Inflation nicht mehr (siehe meinen Kommentar in der Debatte des E+Z/D+C e-Papers 2019/09). Zwar wurde das Gehalt kürzlich auf 6000 Simbabwe-Dollar verdoppelt und entspricht nun etwa 70 US-Dollar, die aktuelle Inflationsrate beträgt aber 800 Prozent.

Die tägliche Mahlzeit der Familie besteht aus Mais. Nhari bereitet aus Mehl und kochendem Wasser einen Brei zu, der Sadza heißt. „Mein Gehalt reicht nicht für die Miete“, klagt sie. Essen habe Vorrang. Um zusätzlich Geld zu verdienen, wäscht sie anderen Familien die Wäsche. „Ich darf dafür nicht zu stolz sein“, sagt die Lehrerin.

Die Covid-19-Pandemie hat ihre Lage verschlimmert. Die Schule blieb wegen Lockdown geschlossen, und sie musste die Familie mit ihren Nebentätigkeiten ernähren.

Bereits Ende 2019 erklärte das UN World Food Programme (WFP), Simbabwe erleide die schlimmste Hungersnot seit einem Jahrzehnt. Zu den Gründen gehörten laut WFP-Sprecherin Bettina Lüscher „akuter Devisenmangel, rasante Inflation, steigende Arbeitslosigkeit, Treibstoffmangel, anhaltende Stromausfälle und das Sterben von Nutztieren“. Seinerzeit hatte die Hälfte der Bevölkerung – 7,7 Million Menschen – keinen sicheren Zugang zu den Lebensmitteln, die sie brauchte. Selbst in den Städten, die generell wohlhabender sind, betrug der Anteil der bedürftigen Menschen 40 Prozent.

Seither hat sich die Lage verschärft. Ende Juli teilte das WFP mit, mittlerweile litten 8,6 Millionen Menschen Not – da sind 60 Prozent der Simbabwer. Allein im Monat Juni habe sich der Maispreis verdoppelt. Lola Castro vom WFP sprach von „akutem Hunger“. Die Unterorganisation der UN teilte mit, sie brauche zusätzliche Nahrungsmittelhilfe im Wert von 250 Millionen US-Dollar.

Precious Shumba leitet die zivilgesellschaftliche Organisation Harare Residents Trust. Vor allem die Inflation sei verheerend, sagt er: „Städtische Armut ist jetzt die Normalität. Familien essen nur noch einmal pro Tag, nicht mehr wie früher zwei oder dreimal.“ Es gebe Nahrung in den Läden, aber sie sei für viele unerschwinglich teuer. Besonders hart sei die Lage in den dicht bevölkerten Elendsvierteln.

Derweil sind immer mehr Unternehmen insolvent. Der Menschenrechtsverteidiger Owen Dhliwayo weist darauf hin, dass immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren. Gewerkschaften zufolge beträgt die Arbeitslosenquote 90 Prozent, was bedeutet, dass die überwältigende Mehrheit der Simbabwer von Einkommen aus informeller Tätigkeit abhängt.

Teilweise ziehen Städter nun zurück aufs Land. Danisa Masuka beispielsweise hat seine Familie zu Verwandten in ein Dorf geschickt, nachdem er seinen Job als Busfahrer in der Hauptstadt Harare verloren hatte. Dort seien die Lebenshaltungskosten niedriger, und sie sollten dort bleiben, bis er in der Stadt neue Arbeit finde, sagt er.

Allerdings ist das Leben auf dem Land auch nicht leicht. Die Ernährungsunsicherheit ist meist sogar noch größer. Das gilt besonders wegen der seit drei Jahren anhaltenden Dürre. Laut WFP-Angaben produzieren drei Viertel der Bevölkerung als Subsistenzbauern den größten Teil der Nahrung.

Schon 2019 stieg die Quote der akut mangelernährten Menschen WFP-Angaben zufolge von 2,5 auf 3,6 Prozent. Von den Kleinkindern im Alter zwischen sechs und 24 Monaten hätten rund 90 Prozent nicht die mindestens nötige Nahrung bekommen. Viele Mütter hätten nicht mehr stillen können, weil sie selbst nicht genug zu essen bekommen hatten.

Seither sind die Probleme weiter gewachsen. Deprimierenderweise fragen sich nun viele Menschen, ob sie morgen überhaupt etwas zu essen bekommen, und nicht, ob sie sich gesund ernähren. Coronavirus und Klimawandel sind weltweite Probleme, die in Simbabwe die chronische Wirtschaftskrise weiter verschärfen.


Jeffrey Moyo ist Journalist und lebt in Harare.
moyojeffrey@gmail.com