Kommentar

Konservative Innovatoren

Eine neue Studie gibt Aufschluss darüber, was Kleinbauern brauchen, um sich Innovationen zu öffnen: adäquater Zugang zu Kredit und kompetente Beratung sind am wichtigsten.
Eine einfache Innovation mit großer Wirkung – Fruchtwechsel von Kassava und Mais. Anne Ulrich Eine einfache Innovation mit großer Wirkung – Fruchtwechsel von Kassava und Mais.

„Grüne Innovationszentren der Agrar- und Ernährungswirtschaft“ heißt ein Programm, das die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchführt. Die Zentren sollen in 13 Ländern landwirtschaftliche Entwicklung vorantreiben.

Für eine Baselinestudie wurden über 5300 Kleinbauern in Burkina Faso, Kamerun, Äthiopien, Ghana, Indien, Malawi, Nigeria, Sambia, Togo und Tunesien befragt und begleitend Fokusgruppendiskussionen durchgeführt. Wir wollten herausfinden, unter welchen Umständen sich Kleinbauern auf Innovationen einlassen. „Innovation“ bezeichnet hier keine Weltneuheit, sondern Modernisierung in der Praxis.

Unsere Daten bestätigen, dass Kleinbauern tendenziell konservativ sind. Nur ein Drittel der Befragten hatte in den vergangenen 12 Monaten mindestens eine Neuerung eingeführt, und 45 Prozent planten, dies in den kommenden 12 Monaten zu tun. Die beliebtesten Neuerungen waren:

  • der Einsatz von neuem oder verbessertem Saatgut beziehungsweise Tierrassen (31 %),
  • der Wechsel zu neuen Pflanzmethoden (26 %) und
  • die Umstellung auf Fruchtwechsel (16 %).

Die Befragten bevorzugten kleine, kostengünstige Neuerungen. Das galt insbesondere für arme Bauern am Rande der Subsistenzwirtschaft, die kaum Überschüsse produzieren. Ein möglicher Grund ist, dass sie nicht über Rücklagen und Absicherungen verfügen und folglich Misserfolge oder Ausfälle kaum riskieren können.

Die Diskussionen in den Fokusgruppen zeigten, dass ein mögliches Scheitern der Innovation sorgfältig gegen den Erhalt der bisherigen Praxis abgewogen wurde. Den Teilnehmern war die Fähigkeit, kurzfristige Schocks verkraften zu können, ebenso wichtig wie die Aussicht auf höhere Erträge. Besonders arme Kleinbauern entscheiden sich demnach für Neuerungen nur dann, wenn sie Kosten und Umfang überschauen können.

Zwar zeigten die Bauern auch an anspruchsvolleren, teureren Innovationen Interesse, die größeren Nutzen versprechen. Sie machten aber deutlich, dass sie diese weder mit aktuellen Einnahmen noch mit Ersparnissen oder Darlehen finanzieren können. Einer von fünf Bauern gab an, keinen Zugang zu angemessenen Krediten zu haben. Als Hürden wurden hohe Zinsen, umfangreiche Auflagen und bürokratischer Aufwand genannt.

Unsere Daten zeigen zudem, dass Bauern besser über Risiken von Innovationen informiert werden wollen. Sie meiden selbst Innovationen mit geringem Risiko, wenn sie diese bei anderen scheitern sehen.

Unsere Erhebung legt nahe, dass die Innovationsfreude von Kleinbauern gestärkt werden könnte, wenn für adäquate Finanzierungsmöglichkeiten gesorgt würde – und zwar nicht nur, um eine Innovation einzuführen, sondern auch, um mit möglichem Scheitern zurechtzukommen.

Kleinbauern sollten auf der Grundlage zuverlässiger Beratung entscheiden können. Unsere Daten zeigen aber, dass viele die bestehenden Beratungsdienste für voreingenommen halten, weil sie auf mögliche Risiken zu wenig eingehen. Dabei unterscheidet sich die Zufriedenheit mit den Beratern nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Wertschöpfungskette zu Wertschöpfungskette.

Um Innovationen für Kleinbauern attraktiver zu machen und Risiken zu minimieren, sollten Innovationen stärker lokal getestet und die Ausfallrate minimiert werden. Das gilt vor allem für neues und verbessertes Saatgut und Anbaumethoden, für die sie sich am häufigsten entscheiden.

Unsere Ergebnisse weisen obendrein darauf hin, dass es sinnvoll ist, sich nicht nur auf technische Innovationen zu fokussieren, sondern vor allem wissensbasierten Wandel zu unterstützen. Was Kleinbauern dafür am dringendsten brauchen, sind angepasste Finanzdienstleistungen und professionelle Beratung.


Lukas Borkowski arbeitet für die GFA Consulting Group.

Tobias Stöhr ist Wissenschaftler am Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Linda Kleemann arbeitet für die GFA Consulting Group und ist ebenfalls Wissenschaftlerin am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Die Autoren haben die im Text erwähnte Studie im Auftrag der GIZ durchgeführt, äußern hier aber ihre persönliche Einschätzung.
linda.kleemann@gfa-group.de

 

 

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