Nachhaltige Urbanisierung
600 000 Arbeitsplätze in China
Wirtschaftswachstum geht nach dem Modell der reichen Industrieländer allzu oft zu Lasten der Umwelt. In armen Ländern muss stattdessen von vornherein auf die Nachhaltigkeit von Entwicklung geachtet werden. Viele Entscheidungsträger in armen Ländern haben daran auch großes Interesse, wie Achim Steiner, der Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), berichtet, aber die Geberinstitutionen gehen nicht genügend auf deren Wünsche ein. Aus seiner Sicht lässt sich der volkswirtschaftliche Erfolg vom Ressourcenverbrauch abkoppeln.
Die Menschheit wächst – und in den nächsten 30 bis 40 Jahren wird die Stadtbevölkerung um rund drei Milliarden zunehmen. Um künftige Probleme zu minimieren, hält Steiner deshalb gute Planung vor allem der Infrastruktur für vordringlich. Klimafreundliche Technik sei auch ohne ein globales Abkommen über die Reduktion von Treibhausgasen ein Marktschlager. Steiner weist darauf hin, dass China rund 600 000 Arbeitsplätze in der Herstellung von Solaranlagen geschaffen hat. Rund zehn Prozent der städtischen Haushalte in der Volksrepublik profitierten von Solarmodulen, und China sei ein führender Exporteur auf diesem Feld geworden.
Startkapital ein Problem
Multi- und bilaterale Institutionen müssten umdenken, sagte Steiner Anfang September bei einem Besuch der KfW Entwicklungsbank. So sei es in Entwicklungsländern oft schwer, Kapital für klimagerechte Investitionen zu mobilisieren. Solaranlagen erforderten nämlich hohe Anfangsinvestitionen, welche die Baukosten bei Großprojekten zunächst in die Höhe treiben. Dass die Anlagen sich nach acht bis zehn Jahren amortisieren und dann anderthalb Jahrzehnte lang gratis Strom liefern, werde bei Finanzierungsanträgen im UN-System beispielsweise bisher nicht bedacht.
Oft erfordern urbane Probleme entschlossenes politisches Handeln. In Nairobi etwa gibt es keine geregelte Abfallwirtschaft, wie Steiner berichtet. 70 bis 80 Prozent der Abfälle seien recyclebar, der Rest aber Giftmüll. Die Wertstoffe würden nur informell genutzt und die Schadstoffe nicht fachgerecht entsorgt. Steiner sagt, private Unternehmen wären bereit, in das potenziell lukrative Geschäft mit dem Müll Nairobis einzusteigen, es fehle aber am politischen Willen, dafür die nötigen Bedingungen zu schaffen.
Im Mai nächsten Jahres wird die internationale Staatengemeinschaft abermals in Rio auf den Erdgipfel von 1992 zurückschauen. Steiner erhofft sich von diesem Termin unter anderem bessere Finanzierungskonzepte für nachhaltige Entwicklung sowie eine Stärkung der Global Governance in Umweltfragen. Bislang, so klagt er, könnten Umweltminister ihre politischen Absprachen nicht unmittelbar über eine UN-Institution implementieren, wie das beispielsweise ihre Kollegen aus den Gesundheitsressorts über die WHO tun. Ökologische Absprachen bedürften vielmehr immer der Bestätigung durch die Generalversammlung.
Merle Becker