Schnell wachsende Giganten

Spätestens seit dem Start der China Investment Corporation im September macht sich die Finanzwelt Gedanken über die wachsende Rolle staatseigener Investitionsgesellschaften. Entwicklungsländern bieten sich neue Chancen, die aber auch mit Risiken einhergehen.

[ Von Ronny Bechmann und Stefan Jansen ]

Für Kiribati mit rund 100 000 Einwohnern ist das derzeit vieldiskutierte Thema „Staatsfonds“ („Sovereign Wealth Funds“) schon seit 1956 aktuell: Damals gründete die britische Kolonialverwaltung der pazifischen Inselgruppe den Revenue Equalisation Reserve Fund, um Erlöse aus dem Export von Naturdünger, dessen Vorkommen bald erschöpft waren, anzusparen. Der Fonds speiste sich im Zeitverlauf aus unterschiedlichen Quellen – derzeit zum Beispiel aus Abgaben für Fischfangrechte. Mit einem verwalteten Vermögen von über 500 Millionen Dollar ist sein Volumen heute neun Mal so groß wie das jährliche Bruttoinlandsprodukt Kiribatis. Seine Kapitalerträge machen mehr als 30 Prozent des Einkommens des Inselstaates aus – und zwar auf einer stabilen Basis.

Neben positiven Beispielen gibt es jedoch auch problematische Aktivitäten von Staatsfonds. Als Temasek, ein kapitalkräftiger Staatsfonds aus Singapur, im Februar 2006 die thailändische Shin Corporation kaufte, eskalierten Proteste gegen den Voreigentümer Thaksin Shinawatra, der damals als Premierminister in Bangkok regierte.

Besonders heikel war dabei, dass eine Shin-Tochter, die nun Temasek gehört, die Satelliten- und Mobilfunktechnik betreibt, deren Frequenzen Thailands Militär und Geheimdienst nutzen. Ob der Staatsfonds aus Singapur Shin nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch regional-strategischen Motiven erwarb, können Außenstehende indessen kaum beurteilen.

Im September 2006 putschte in Thailand das Militär, nachdem es wiederholt zu Unruhen in der Hauptstadt gekommen war. In Demonstrationen war Thaksin vorgeworfen worden, auf illegitime Weise mit einer ausländischen Regierung paktiert und sich persönliche Vorteile verschafft zu haben. Thailand ist bis heute nicht zur Demokratie zurückgekehrt.

Das Beispiel zeigt, dass das bloße Gewinnstreben, welches bei privaten Investmentfonds weitgehend unumstritten ist, bei Staatsfonds auch politische Dimensionen bekommen kann. Die Folgen des Shin-Verkaufs bleiben für Südost-Asien als Region gravierend.


Devisenreserven

Laut IWF-Schätzungen (2007) verwalten Staatsfonds weltweit Vermögen im Wert von 1,9 Billionen bis 2,9 Billionen Dollar. Dieses Volumen übersteigt bereits das privater Hedge-Fonds (rund 1,5 Billionen Dollar). Es wird weiter steigen: Dem IWF zufolge dürften Staaten 2012 rund 12 Billionen Dollar in Form von Zentral­bankreserven oder Fonds kontrollieren.

Dass Größe und Einfluss der Staatsfonds rasant zunehmen, liegt unter anderem an den erheblich gestiegenen Devisenreserven vieler Schwellen- und Entwick­lungsländer. Von 1999 bis 2006 verdoppelten sich, wie der IWF weiter berichtet, die Fremdwährungsreserven Mexikos auf 76 Milliarden Dollar, die Indiens verfünffachten sich auf 171 Milliarden, und die Nigerias verachtfachten sich auf 42 Milliarden. Der Export von Rohstoffen und Industriegütern sowie Erlöse aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen machten das möglich.

Staatsfonds beruhen bislang zumeist auf Rohstoffeinnahmen. Aus Ölexporten stammen mehr als 60 Prozent des von ihnen weltweit angelegten Vermögens. Der größte Staatsfonds wird von der Abu Dhabi Investment Authority verwaltet, sein Anlagevermögen wird auf 250 bis 875 Milliarden Dollar geschätzt. Aber auch Kupfer (Copper Stabilization Fund, Chile), Diamanten (Pula Fund, Botsuana) und andere Rohstoffe sind wichtige Quellen für staatlich verwaltetes Vermögen.

Fachleute rechnen jedoch damit, dass Fonds, die auf anderen Einnahmequellen beruhen, eine ähnlich große Bedeutung gewinnen. Denn der Weltmarktanteil von Schwellenländern beim Export von Industriewaren und Dienstleistungen ist in den vergangenen Jahren schnell gewachsen und wird das vermutlich weiter tun. Der wichtigste nicht auf Rohstoffen basierte Fonds ist die Ende September gegründete China Investment Corporation (CIC). Er wurde zunächst mit 200 Milliarden Dollar ausgestattet, die zumindest mittelbar aus den Devisenreserven der Volksrepublik stammen (siehe Kasten nächste Seite).


Nützliche Instrumente

Staatsfonds, die Ersparnisse sammeln und Anlagen in Fremdwährungen aktiv managen, können für Regierungen sinnvolle Instrumente sein. Sie tragen dazu bei, Einkommen aus vergleichsweise unbeständigen Quellen zu stabilisieren. Dabei machen sie vorübergehend hohe Einnahmen langfristig nutzbar. Das kann sehr hilfreich sein, wenn Staatseinnahmen zum Beispiel wegen stark schwankender Rohstoffpreise sehr ungleichmäßig verlaufen.

Zudem kann es makroökonomische Vorteile haben, wenn Staatsfonds Vermögen im Ausland anlegen. Der Wechselkurs der eigenen Währung wird dann von erfolgreichen Rohstoffexporten nicht in die Höhe getrieben, was andere Ausfuhren behindern könnte („Dutch Disease“). Auch die inländische Nachfrage bleibt unbeeinflusst.

Dank Stabilisierungsfonds können ressourcenreiche Entwicklungsländer Zeiten hoher Rohstoffpreise für mittelfristige Armutsminderungsziele nutzen. Auch andere vorübergehende oder einmalige Einnahmen (etwa aus der Privatisierung von Staatsbetrieben) können auf diese Weise einer langfristigen Verwendung zugeführt werden, anstatt sie in einem Strohfeuer von Aktionismus zu verschwenden.

Das Instrument ist ebenfalls hilfreich, Mittel aus der über die Jahre häufig schwankenden Entwick­lungshilfe (ODA) auf Dauer zu verstetigen. Das lehrt das Beispiel Uganda, wo 1995 der Poverty Action Fund mit ODA-Mitteln eingerichtet wurde, um Projekte zur Armutsreduzierung im ländlichen Raum über mehrere Jahre hinweg zu finanzieren. 1998 wurden ihm zusätzliche Mittel zugeführt, die durch den Schuldenerlass im Rahmen der HIPC-Initiative frei wurden.

Neben den Stabilisierungs- und Transferzielen können Staatsfonds das Verhältnis von Risiko und Ertrag staatlicher Kapitalanlagen unterschiedlichen Erfordernissen anpassen. Sie haben mehr Spielraum als Zentralbanken bei der Verwaltung von Devisenreserven. Wenn die Anlagemanager geschickt agieren, können sie sogar helfen, negative Vermögenseffekte von externen Schocks (etwa einen fallenden Dollarkurs) abzufedern.

Auf einen noch längeren Zeithorizont hin ausgerichtet sind Fonds, die Pensionsvorsorge oder sogar Vermögenstransfer zwischen den Generationen betreiben. Norwegens Government Petroleum Fund (GPF) hat sich solchen Zielen verschrieben. 218 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen machen ihn zum zweitgrößten Pensionsfonds der Welt. Seit 2004 zeichnet er sich auch dadurch aus, dass er seine Mittel nach bestimmten ethischen Richtlinien investiert. 2006 wurde beschlossen, dass Boing- und EADS-Aktien wegen der Rüstungsrelevanz nicht gekauft werden dürfen. Auch Wal-Mart wurde ausgeschlossen – wegen ernsthafter beziehungsweise systematischer Verletzung von Menschen- und Arbeitsschutzrechten.


Geschäft und Politik

Damit ist aber die bereits angesprochene, potenziell problematische Vermischung von betriebswirtschaftlichen Zielen und politischer Staatsräson nicht ausgeschlossen. Sicherlich sind Fondsmanager dazu angehalten, den Wert des ihnen anvertrauten Vermögens zu steigern. Andererseits haben die sie überwachenden Politiker möglicherweise eigene, weiterreichende Ziele.

Wirtschaftsblätter diskutieren das Thema des ungewollten Technologietransfers. Dieser könnte die Folge sein, wenn etwa russische Staatsfonds bei deutschen Hightech-Unternehmen einsteigen. Es wird befürchtet, dass dann wichtiges Wissen systematisch ins Ausland fließt. Diese Sorge greift allerdings zu kurz. Denn private Anleger aus dem Ausland können ebenso Industriespionage betreiben wie staatliche Fonds. Das Wachstum von Staatsfonds ändert also wenig an der heutigen Situation.

Wie das Beispiel Shin/Temasek oben gezeigt hat, können geschäftliche und politische Interessen ineinander übergehen. Dabei muss es nicht nur um militärisch relevante Technik gehen. Denkbar ist auch, dass ein Staatsfonds sich bei einem Arzneimittelhersteller in einem Entwicklungsland einkauft. Wenn dann auf die dortige Regierung Druck gemacht würde, die Regeln der Medikamentenzulassungen zu lockern, könnte das Ergebnis die höhere Rendite des Staatsfonds sein, während zugleich die Patientenversorgung im anderen Land leidet.

Es gibt indessen Möglichkeiten, solche Interessenvermischung effektiv zu verhindern. Geeignete Richtlinien können die politische Einflussnahme auf Entscheidungen von Fondsmanagern verhindern. Lawrence Summers, ein früherer US-Finanzminister, schlägt etwa vor, dass Staatsfonds von Mittelsmännern verwaltet werden, die nicht von Weisungen der Exekutive abhängig sind (Summers, 2007). Ähnliche Vorgaben könnten vielleicht dazu dienen, international anerkannte Arbeits-, Menschenrechts- und Governance-Standards nicht durch die Vermischung unterschiedlicher Interessen zu gefährden. Andererseits ist zumindest fraglich, ob die chinesische Regierung, die sich im eigenen Land nicht an solche Standards hält, ihrer Investmentfirma CIC solche Vorgaben machen wird.

Kaum diskutiert wird bislang die Frage der Reziprozität. So können norwegische Staatsfonds fast unbeschränkt in Singapur investieren – und umgekehrt. Während aber Chinas CIC der Weg nach Norwegen offensteht, kann Norwegens GPF nur in eng begrenztem Umfang Beteiligungen in der Volksrepublik erwerben. Es besteht also die Gefahr eines wachsenden Finanzprotektionismus. Um dem drohenden protektionistischen Teufelskreis zu vermeiden, gilt es, früh gegenzusteuern und das Bewusstsein über die Gefahren ungehinderten Kapitalverkehrs auf der einen und übermäßiger Kontrolle auf der anderen Seite zu schärfen.


Transparenz

Ein weiteres Problem ist die geringe Transparenz von Staatsfonds. Bei Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen ist das ähnlich. Zwar ist kaum zu befürchten, dass kleine Spieler wie der chilenische Kupfer-Stabilisierungsfonds mit 3,9 Milliarden Dollar Anlagevermögen den Markt durcheinanderwerfen können, wenn sie andere Marktteilnehmer nicht über ihr Agieren informieren.

Ganz anders wäre das aber bei sehr großen Staatsfonds. Sie können, wenn sie plötzlich große Anteilspakete verkaufen, heftige Kursturbulenzen auslösen – und zwar gerade auf relativ kleinen Aktienmärkten mit geringer Marktkapitalisierung, wie sie für Entwick­lungs- und Schwellenländer typisch sind. Zum Vergleich: 2002 brachten es alle afrikanischen Börsen zusammen nur auf eine Marktkapitalisierung von 245 Milliarden Dollar (Yartey, 2007). Angesichts der Finanzkraft großer Staatsfonds unter der Kontrolle von demokratisch nicht oder kaum legitimierten Regierungen ist das kaum der Rede wert,

Es ist deshalb wichtig, dass große Staatsfonds ihre Anlagestrategien, ihre regionale Ausrichtung und ihren ­Zeithorizont öffentlich machen, sodass andere Marktteilnehmer sich nicht von unerwarteten hohen Transaktionen zu panischen Reaktionen verleiten lassen. Andererseits muss ein gesundes Maß gefunden werden: Wären Staatsfonds verpflichtet, jede einzelne Transaktion anzukündigen, würden sie von privaten Akteuren übervorteilt, die diese die Kursbewegungen antizipieren könnten.

Aus solchen Erwägungen folgen politische Empfehlungen. Grundsätzlich können Staatsfonds konstruktive Instrumente sein. Der Aufbau der entsprechenden Kapazitäten ist ein wichtiges Beratungsfeld insbesondere in rohstoffreichen Entwicklungsländern. Der IWF ist aus diesem Grund dort bereits tätig. In jedem Fall sind der institutionelle Aufbau und das Management von Stabilisierungsfonds anspruchsvolle Angelegenheiten. Das gilt in technischer und polit-ökonomischer Sicht, aber auch mit Blick auf Governance.

Darüber hinaus benötigen Regierungen in Entwicklungsländern auch Beratung zum Umgang mit Staatsfonds, die auf ihren Märkten in signifikantem Umfang investieren möchten. Hier geht es unter anderem um den Ausgleich von Informationsasymmetrien zwischen potenten Investoren und institutionell eher schwachen Regierungen. Ebenso ist die Herstellung von Transparenz gegenüber der Bevölkerung wichtig, damit diese Amtsträger gegebenenfalls zur Verantwortung ziehen kann.

Staatsfonds müssen als Akteure auf internationalen Kapitalmärkten auch deshalb transparent gemacht werden, um protektionistische Gegenreaktionen zu verhindern. Protektionismus würde zwar Risiken begrenzen, aber ebenso die Nutzung der Chancen, die Staatsfonds für Entwicklung bieten. Transparenz und gegenseitige Information können helfen, das Vertrauen zu schaffen, fremde Investitionen im eigenen Land zuzulassen. Davon würden letztlich alle Staaten profitieren. Hier sollten IWF und Weltbank eine wichtige Rolle spielen.

Angst vor einflussreichen Staatsfonds aus China, Russland oder anderen aufstrebenden Mächten ist kein guter Ratgeber. Entstehen und Wachstum von Staatsfonds sollten auf internationaler Ebene in konstruktive Bahnen geleitet werden.