Ökologische Transformation
Die USA müssen besser werden
Als einer der Hauptverursacher des Klimawandels haben die USA viel Verantwortung bei der Bewältigung der globalen Klimakrise. Kein anderes Land hat je mehr Treibhausgase ausgestoßen. Derzeit sind die USA nach China zweitgrößter Emittent. Nach vier Jahren der völligen Inaktivität unter Donald Trump hat Präsident Joe Biden Klimaschutz zur obersten Priorität gemacht – zumindest formal. Der US-Kongress hat Bidens Agenda aber noch nicht beschlossen.
Es war ein vielversprechender Schritt als Biden im April 2021 eine Durchführungsverordnung anordnete, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Bis 2030 wäre der Treibhausgasausstoß damit nur noch halb so hoch wie 2005. Diese Ziele stimmen mit den Forderungen der Wissenschaft überein und liegen weit über den Versprechen der Obama-Regierung zum Pariser Abkommen von 2015. Damals war die Zusage, die Emissionen bis 2025 um mindestens 26 Prozent zu senken.
Enormer Finanzierungsbedarf
Das Problem ist: Die USA sind nicht annähernd in der Lage, das zu erreichen. Die Menschheit ist darauf angewiesen, dass die USA Bidens Zusagen einhalten. Das erfordert nie dagewesene staatliche Ausgaben und Maßnahmen auf allen Regierungsebenen. Führenden Umweltorganisationen zufolge werden in den nächsten zehn Jahren jährliche Staatsausgaben in Höhe von einer Billion Dollar erforderlich sein.
Der Kongress verabschiedete jüngst ein Infrastrukturgesetz, das 350 Milliarden Dollar für Umweltmaßnahmen im Laufe dieses Jahrzehnts vorsieht – unter anderem:
- 40 Milliarden Dollar für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs,
- 7,5 Milliarden Dollar für die Förderung von Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur,
- 3,5 Milliarden Dollar für bessere Isolierung von Häusern und
- 2,5 Milliarden Dollar für bessere Übertragung sauberer Energie.
Diese Gesetzgebung ist wichtig, reicht aber nicht. Forscher der Princeton University gehen davon aus, dass das zu lediglich einem Prozent weniger Treibhausgasemissionen innerhalb eines Jahrzehnts führt. 350 Milliarden Dollar sind die Hälfte dessen, was die US-Regierung jährlich für ihr Militär ausgibt.
Dreifach-B
Dem Infrastrukturgesetz sollten noch ehrgeizigere Klimaausgaben folgen. Der Senat erwägt einen umfangreichen, vom Repräsentantenhaus bereits angenommen Gesetzentwurf namens „Build Back Better“ (BBB), der binnen zehn Jahren weitere 555 Milliarden Dollar in den Klimaschutz investieren würde. Damit könnten die US-Emissionen um fast 15 Prozent gesenkt werden, besonders durch Anreize für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und durch Umstellung des nationalen Stromnetzes auf erneuerbare Energien.
Zugleich soll BBB Sozialleistungen in den USA verbessern. Ökologische Nachhaltigkeit und mehr soziale Gerechtigkeit sollen die Corona-Ausfälle abfedern. In Bezug auf CO2-Einsparung und sozialer Gerechtigkeit hinken die USA anderen wohlhabenden Nationen her.
BBB resultiert weitgehend aus dem, was fortschrittliche Politiker seit Jahren als „Green New Deal“ vorschlagen (siehe meinen Beitrag auf www.dandc.eu). Diese Maßnahmen betonen soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz von Gemeinschaften. Klimaschutz stößt bei der massiven Lobbymacht der Öl- und Gaskonzerne auf Widerstand; diese behaupten, billige Energie und gut bezahlte Jobs zu bieten. Klimastrategien müssen daher wirtschaftliche Chancen bieten – auch für Gemeinschaften, die von fossilen Brennstoffen leben oder unter der Verschmutzung leiden.
Leider ist unsicher, ob der Senat das BBB-Gesetz verabschiedet. Obwohl die Mehrheit der US-Bürger für Präsident Biden und für Abgeordnete gestimmt hat, die sich für den Klimaschutz einsetzen, sind konservative Regionen im Senat überrepräsentiert (siehe Kasten nächste Seite). Derzeit ist unklar, ob das Gesetz je in Kraft tritt – und wenn, dann könnte es drastisch abgeschwächt werden.
Eigentlich forderte Biden ein BBB-Budget von mehr als drei Milliarden Dollar für Umwelt- und andere Zwecke über zehn Jahre. Ehe das Repräsentantenhaus zustimmte, kürzten die Gesetzgeber die Summe jedoch auf 1,8 Milliarden Dollar. Einige klimapolitische Maßnahmen wurden gestrichen, darunter Anreize, um Energieversorger zu motivieren, ihren Anteil an erneuerbaren Energien systematisch zu erhöhen.
Subnationale Maßnahmen
In föderalen Regierungssystemen sind subnationale Regierungen sehr wichtig. Während über die BBB noch beraten wird, verabschieden immer mehr subnationale Regierungen ambitionierte Klimagesetze und investieren entsprechend. Progressive Politiker riefen die US-Klimaallianz unter Trump ins Leben, um durch Maßnahmen der Bundesstaaten und Städte eine Dynamik des Klimaschutzes aufrechtzuerhalten. Die Allianz-Staaten sind Vorreiter für eine resiliente Wirtschaft, zudem schützen sie ihre Gemeinden vor Extremwetter, Naturkatastrophen, Verlust der Biodiversität und anderen Klimafolgen. Fast alle Allianzstaaten werden von Demokraten regiert.
„Clean Cars“ ist eine beliebte staatliche Klimapolitik von 14 Staaten und Washington DC. Sie nutzt eine Bestimmung des Bundesgesetzes für saubere Luft (Clean Air Act), um Grenzwerte für Fahrzeug-Abgase festzulegen, die strenger sind als die nationalen Normen. Folglich werden mehr schadstoffarme und emissionsfreie Fahrzeuge verkauft. Hawaii und andere Bundesstaaten bieten zudem Vergünstigungen für die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge an.
Kalifornien ist, was saubere Autos angeht, seit Jahrzehnten führend. Seine Emissionsgrenzwerte sind strenger als die der Bundesregierung; daher wurden schon immer sparsamere Autos hergestellt. Niemand wollte sich die Möglichkeiten dieses großen Marktes entgehen lassen.
Der Verkehrssektor stößt weiterhin die meisten Treibhausgase in der US-Wirtschaft aus. Dort kann enorm eingespart werden. Am besten ist es, den Bedarf nach Autos zu mindern. Öffentliche Verkehrsmittel würden das begünstigen. Und die Stadtplanung könnte sich auf eine größere Dichte, bessere Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer sowie auf die Elektrifizierung des Verkehrs konzentrieren und dafür kommunale und staatliche Mittel nutzen.
Sichere Gemeinden
Auch in anderen Bereichen des Klimaschutzes ist Kalifornien ein Pionier. Das Land will bis 2045 eine CO2-neutrale Wirtschaft schaffen und die Öl- und Gasförderung stoppen, wofür es diverser Reformen bedarf. Gouverneur Gavin Newsome will ab 2023 unter anderem neue Öl- und Gasbohrungen innerhalb einer „Bannmeile“ von 3200 Fuß (etwa einem Kilometer) von Wohnhäusern, Schulen und Gesundheitseinrichtungen verbieten. Das soll nicht nur die Klimakrise abmildern. Die Förderung fossiler Brennstoffe führt nachweislich zu Umweltverschmutzung, die gesundheitsschädlich ist und die Sicherheit der lokalen Bevölkerung gefährdet.
Auch in Texas, Colorado und Pennsylvania gibt es Bannmeilen, die aber kleiner sind als die in Kalifornien geplante. Bei der Erdölförderung liegt Kalifornien an Platz sieben unter den 50 Bundesstaaten; dass es die Förderung bis 2045 beenden will, ist ziemlich radikal.
Auch New Mexico ist diesbezüglich ein wichtiger Bundesstaat. Er leidet unter massiven Klimafolgen – besonders Dürre und Wüstenbildung – und verfügt zugleich über riesige Ölreserven. Gouverneurin Michelle Lujan Grisham hat die Notwendigkeit auf erneuerbare Energien umzustellen erkannt, und ein Anreizprogramm aufgelegt, damit Unternehmen ihre Arbeitskräfte entsprechend schulen.
Der Bundesstaat New York hat ebenfalls eine starke Erfolgsbilanz beim Green New Deal. Bezeichnenderweise heißt das wichtigste, 2019 verabschiedete Gesetz: Climate Leadership and Community Protection Act.
Leider zeigen die republikanischen Verwaltungen weder auf staatlicher noch auf kommunaler Ebene Interesse an ökologischer Nachhaltigkeit oder sozialer Gerechtigkeit. Die US-Politik ist polarisiert. Für die Weltgemeinschaft ist es entscheidend, dass die Demokraten sich durchsetzen. Andernfalls sind die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung unerreichbar.
Katie Cashman ist Projektkoordinatorin und Mitarbeiterin für Klimapolitik beim Minnesota Center for Environmental Advocacy. Zuvor arbeitete sie bei verschiedenen internationalen Organisationen für nachhaltige Entwicklung.
kcashman23@gmail.com