Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Partizipation

Wertvoller Fundus

Ein neues Buch stellt partizipative Methoden in Entwicklungsprojekten vor. Es hat das Zeug zum Standardwerk.
Eine Frau berichtet aus einer dörflichen Planungsgruppe im Tschad. Bliss Eine Frau berichtet aus einer dörflichen Planungsgruppe im Tschad.

Partizipation ist ein Begriff, der in der Entwicklungspolitik besonders häufig benutzt wird – allerdings auch besonders oft zu Missverständnissen führt. Denn die Verwendung partizipativer Methoden bei der Erhebung von Planungsdaten für ein Entwicklungsprojekt wird oft mit der tatsächlichen Mitwirkung der beteiligten Bevölkerung verwechselt. Ersteres findet oft, Letzteres eher selten statt. Denn die große Mehrzahl aller Entwicklungsvorhaben wird hinsichtlich ihrer Ziele und des Mitteleinsatzes schon vor der partizipativen Datenerhebung vor Ort beschlossen.

Immerhin findet mehr und mehr partizipative Planung statt, partizipative Methoden kommen also zum Einsatz – jenseits der Frage, ob und wie ein Projekt durchgeführt wird. Um diese partizipativen Methoden geht es in dem Buch „Partizipation und nachhaltige Entwicklung“ von Michael Schönhuth und Maja Tabea Jerrentrup: um ihre Herleitung, Ausarbeitung und besonders um ihre Anwendung.

Im ersten der zehn Kapitel beschäftigen sich Autor und Autorin mit Partizipation als Konzept und wie dieses in den vergangenen Dekaden in der Entwicklungshilfe zu einem Querschnittsthema wurde. Es folgt ein Überblick über die sich immer weiter verfeinernden partizipativen Erhebungs- und Planungsansätze vom schnellen (rapid) und ländlichen (rural) zum allgemeinen partizipativen (participatory) Ansatz (appraisal). Ging es zunächst darum, schnellstmöglich und unter Beteiligung aller wichtigen Akteure Informationen zum Beispiel über die sozioökonomischen Bedingungen in einer ländlichen Region zu bekommen, werden heute partizipative Methoden in praktisch allen entwicklungspolitischen Sachgebieten und Gegebenheiten eingesetzt.

Das Buch stellt auch die Verwendung partizipativer Methoden bei der Umsetzung von Maßnahmen sowie der anschließenden Evaluierung dar. Hier muss die Leserschaft im Blick behalten, dass Partizipation fast immer nur kleine Details der zuvor zumeist fremdbestimmt beschlossenen Projektdurchführung betrifft und dass ein Evaluator oder eine Evaluatorin letztendlich fast immer alleine über Wertungen entscheidet.

Der Hauptteil des Buches besteht aus einer Methodenlehre zu participatory appraisals im weitesten Sinne. Er ist stark durch persönliche Erfahrungen geprägt und dadurch besonders anschaulich. Das Autorenteam stellt unter anderem partizipative Forschungs- und Beratungsinstrumente vor und behandelt Anwendungsfelder, etwa bei der Arbeit mit Armen, Kindern und Jugendlichen oder Indigenen. Thematische Beispiele sind Landrechte oder der Weg von einer partizipativen Erhebung im Dorf bis zur elektronischen Verarbeitung.

Zwei kurze Kapitel zur Frage von Partizipation und Repräsentation und zu Partizipation und Ethik behandeln wichtige Fragen wie den Schutz besonders gefährdeter Personen im Rahmen partizipativer Prozesse – vor allem Fragen der Anonymisierung – und den Datenschutz.

20 Tipps für die Praxis fassen wichtige technische Hinweise und ethische Erfordernisse partizipativer Methodenanwendung zusammen, während Autor und Autorin in „Anstatt eines Schlusswortes“ generell mehr zivilgesellschaftliche Teilhabe einfordern, auf die Grenzen von Partizipation in der repräsentativen Demokratie aufmerksam machen und – bewusst provokativ – mit Blick auf Teilhabe im digitalen Zeitalter auf die Idee der Vergabe politischer Ämter durch Losverfahren hinweisen.

43 Seiten Literaturangaben am Ende ergänzen die in den einzelnen Kapiteln angeführten und kommentierten wichtigsten Quellen und stellen in ihrer Breite und Relevanz einen wertvollen Fundus für die weitere Beschäftigung mit dem Thema dar. Schönhuth und Jerrentrup haben mit „Partizipation und Entwicklung“ den zumindest in deutscher Sprache derzeit besten und einen sicher auf Jahre hinaus aktuellen Beitrag zum Einsatz partizipativer Methoden sowie zur Rolle von Partizipation in der entwicklungspolitischen Praxis beigesteuert.


Buch
Schönhuth, M., Jerrentrup, M. T., 2019: Partizipation und nachhaltige Entwicklung. Ein Überblick. Wiesbaden, Springer VS.


Frank Bliss ist Professor für Ethnologie an der Universität Hamburg und freier entwicklungspolitischer Gutachter.
bliss.gaesing@t-online.de

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