Paradigmenwechsel

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) muss ihre Rolle neu definieren, sonst wird sie überflüssig. Ihre traditionelle Aufgabe war, Länder mit Kapital zu versorgen, um die Armut zu bekämpfen. In Zukunft geht es darum, die asiatischen Ökonomien beim Umgang mit den Folgen des schnellen Wachstums zu unterstützen.

[ Von Supachai Panitchpakdi ]

Vor zehn Jahren wurde Asien von der schweren Finanzkrise getroffen. Die Region musste viele schmerzhafte Lehren ziehen, aber Regierungen und Bevölkerung erwiesen sich als belastbar. Heute blüht Asien wieder und erlebt einen historischen Wandel. Im Jahr 2020 wird es die Armut weitgehend überwunden und den größten Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt haben. Asien tritt in die nächste Entwicklungsphase ein, traditionelle Formen von Entwicklungshilfe werden bald nicht mehr passend sein. Das sind die wichtigsten Schlussfolgerungen einer sechsköpfigen Gruppe hochrangiger Experten, die ADB-Präsident Haruhiko Kuroda zusammengerufen und deren Vorsitzender zu sein ich die Ehre hatte.

Asien verzeichnet das weltweit höchste Wachstum. Von 1990 bis 2004 ist die Armut von 35 % auf 19 % gesunken. Asien hat einen höheren Anteil am globalen Handel und verzeichnet höhere Kapitalzuflüsse als andere Regionen. Vor 40 Jahren war Kapital noch knapp, heute verzeichnet Asien einen Kapitalüberschuss und hat riesige Devisenreserven (über drei Billionen Dollar oder 60 % der Reserven weltweit). Aus zwei Entwicklungsländern – China und Indien – fließt immer mehr Beteiligungskapital ins Ausland. Im Jahr 2020 werden mehr als 90 % der Asiaten in Ländern mit mittlerem Einkommen leben. Asiens Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt wird 45 %, sein Anteil am Welthandel 35 % betragen.

Trotz dieses insgesamt positiven Zukunftsbildes werden in einigen der am schnellsten wachsenden Länder viele Menschen noch lange arm bleiben. Es wird weiterhin viele schwache und fragile Ökonomien in Asien geben. Der schnelle Aufstieg der großen asiatischen Ökonomien, insbesondere Chinas und Indiens, macht sie außerdem zu Schlüsselgrößen im Hinblick auf globale Fragen wie CO2-Ausstoß und Energiesicherung.

Die zentralen politischen Herausforderungen werden sich für die meisten Länder fundamental ändern. Statt um die Bekämpfung großer Armut geht es darum, Probleme zu lösen, die der Wirtschaftserfolg mit sich bringt. Die zentrale Frage wird sein: Wie kann man die Produktivität steigern, besser bezahlte Jobs schaffen und gleichzeitig die Probleme minimieren, die das rapide Wachstum bringt?

Die herkömmliche Leistung einer Entwicklungsbank – Transfer von öffentlichem Kapital – wird dann nicht mehr gebraucht. Alle multi- und bilateralen Entwicklungsinstitutionen müssen diese neue Realität akzeptieren, oder sie werden irrelevant. Die Expertengruppe für die ADB empfiehlt der Bank einen Paradigmenwechsel. Die „neue ADB“ sollte sich Themen widmen, die für ein aufstrebendes Asien mit mittlerem Einkommen zentral sind. Sie müsste Wissen und Finanzierungshilfen in einem neuen Mischungsverhältnis anbieten.

Ihr neues Mandat müsste drei neuen, sich ergänzenden strategischen Richtungen folgen:
– weg von der Bekämpfung absoluter Armut mit Gebermitteln, hin zur Unterstützung eines stärkeren und gerecht verteilten Wachstums mit Hilfe von Kapital aus der Region,
– weg von der Förderung ökonomischen Wachstums an sich, hin zur Stärkung ökologischer Nachhaltigkeit,
– weg von einem primär nationalen Fokus, hin zu einer regionalen und letztlich globalen Ausrichtung, inklusive Auf- und Ausbau kollektiver regionaler Entscheidungsstrukturen und Unterstützung der Region, sich global effektiv einzubringen.

Diese Ergebnisse sind spezifisch für Asien und die ADB, haben aber auch darüber hinaus Bedeutung. Multilaterale Institutionen in Lateinamerika, Europa und dem Nahen Osten stehen vor ähnlichen Herausforderungen. In Afrika bleibt die traditionelle Arbeit der Entwicklungsbanken relevant. Aber afrikanische Länder sollten die grundlegenden Faktoren für Asiens Erfolg genau studieren: die starke Betonung von Bildung, disziplinierte Arbeitskräfte, Neigung zu hohen inländischen Spar- und Investitionsquoten, starke öffentliche Institutionen, Stärkung des privaten Sektors, Freiheit für Unternehmer und Integration in den Weltmarkt.