Umweltpolitik
Modell Deutschland
[ Von Eva-Maria Verfürth ]
Die neue US-Regierung hat viel an der deutschen Politik zu kritisieren, von der geringen Bereitschaft zu Militäreinsätzen in Krisengebieten bis zum Umgang mit der Finanzkrise. In Umweltfragen aber ist Deutschland unbestritten Vorbild.
Gerade in Zeiten des politischen Umschwungs – nach acht Jahren haben die USA erstmals einen Präsidenten, der den Klimawandel nicht leugnet, sondern aktiv angehen möchte – steigt das Interesse der Nordamerikaner an Energiethemen. Um das zu unterstützen und Menschen auf beiden Seiten des Ozeans für Klimathemen zu sensibilisieren, hat InWEnt im Auftrag des Auswärtigen Amtes im vergangenen Jahr zehn Print-, Online- und Hörfunkjournalisten nach Deutschland eingeladen, um sich den deutschen Energiemarkt vor Ort anzuschauen.
Schlechtem Wetter trotzen
„Deutschland ist eines der Länder mit den meisten Wolken am Himmel, und doch ist es ein Marktführer in Solarenergie“, schreibt Stephen Lacey im Onlinemagazin RenewableEnergyWorld.com. Das Land habe nur geringe geothermische Ressourcen, und doch würden Entwickler kilometertief in die Erde graben, um Elektrizität und Hitze zu gewinnen. „Die Windressourcen sind im ganzen Land nur mittelmäßig, und doch gründen Bürger wie Hermann Albers vom Bundesverband WindEnergie eigene Unternehmen und schaffen neuen Wohlstand“, führt der Journalist weiter aus.
Nach der Reise haben verschiedene nordamerikanische Medien Beiträge veröffentlicht, darunter die Washington Post und der Toronto Star. Fast alle Beiträge betonten, dass Deutschland verglichen mit vielen Regionen Nordamerikas schlechtere klimatische Voraussetzungen für alternative Energiegewinnung aufweist – und doch den USA und Kanada weit voraus ist.
Wie Deutschland das geschafft hat, haben sich die Journalisten von Politikern, Klimaforschern und Ingenieuren erklären lassen. Im Umweltministerium erfuhren sie, dass die deutsche Umweltpolitik durch das Energieeinspeisegesetz besondere Anreize für alternative Energiegewinnung schafft. Forscher des Potsdamer Instituts für Klimaforschung erklärten ihnen, dass es technisch noch möglich wäre, den Klimawandel aufzuhalten – und wie das zu finanzieren wäre. Beim Bundesverband WindEnergie lernten sie die praktischen Herausforderungen der Windenergiegewinnung kennen: vom Transport der gigantischen Rotorblätter bis hin zu der Herausforderung, diese in hundert bis zweihundert Meter Höhe zu warten.
„Eine Woche lang ganz intensiv zum Thema Erneuerbare Energien unterwegs zu sein, dann zurück in die USA zu kommen und am Flughafen in einen großen Sprit schluckenden Wagen einzusteigen – das hat sie nachdenklich gemacht, und das haben sie in ihren Artikeln auch geschrieben.“ Siegfried Karwatzki von InWEnt ist zufrieden mit den Reaktionen auf die Bildungsreise: „Das ist schon ein erster Bewusstseinswandel."
Doch die Artikel loben nicht nur das deutsche Engagement. Sie kritisieren auch, dass die Bundesregierung Klimaschutzmaßnahmen im Zuge der Finanzkrise zurückstellen will. „Merkels neue Haltung hat dazu beigetragen, dass es zu den uninspirierenden Ergebnissen bei der UN-Klimakonferenz in Posen kam", schrieb Peter Gorrie im Toronto Star. „Das mögen gute Nachrichten für die kanadische Regierung sein – die wie Saudi-Arabien als notorischer Bremsklotz aufgetreten ist –, aber ganz sicher nicht für jemanden, der einen bewohnbaren Planeten möchte."
Die Journalisten machen deutlich, welche Verantwortung Deutschland als Vorreiter in Klimafragen hat – und fordern einen Bewusstseinswandel nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Deutschland. „Angela Merkel hat gesagt, dass Jobs an erster Stelle stehen und danach das Klima kommt. Das ist die falsche Botschaft", wird Peter Lindlahr vom Potsdamer Institut für Klimaforschung in RenewableEnergyWorld.com zitiert: „Es ist ihre Aufgabe, Jobs durch eine progressive und innovative Klimastrategie zu erhalten."
InWEnt will in der Zusammenarbeit mit Nordamerika – zu der auch die Klimainitiative zählt – Bewusstsein schaffen für die großen weltweiten Probleme. Gerade seit dem Regierungswechsel in den USA kommen von den amerikanischen Partnerorganisationen vermehrt Nachfragen zu den Projekten der Klimainitiative – neben der Journalistenreise die Weiterbildung von jungen Managern und der Praktikantenaustausch im Energiesektor.