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Westafrika

Wie Ghanas Tourismusbranche um die Diaspora wirbt

Vor vier Jahrhunderten riss der transatlantische Sklavenhandel Millionen Afrikaner*innen brutal aus ihrer Heimat. Heute bietet die ghanaische Tourismusbranche Menschen aus der Diaspora an, in das Land ihrer Vorfahren zu reisen, um den eigenen Wurzeln nachzuspüren. Die Wirtschaft des Landes profitiert von dieser besonderen Art von Tourismus.
Innenhof von Elmina Castle, historischer Ort des transatlantischen Sklavenhandels in Ghana. picture-alliance/imageBROKER/Angelika Jakob Innenhof von Elmina Castle, historischer Ort des transatlantischen Sklavenhandels in Ghana.

Ghana hat Tourist*innen einiges zu bieten: Das westafrikanische Land beherbergt eine große Vielfalt an Landschaften, Flora und Fauna, aber auch ein reiches kulturelles Erbe – von historischen Stätten über traditionelles Kunsthandwerk bis hin zu Essen, Musik und Tanz. Der Fremdenverkehr trägt zur Wirtschaftsleistung Ghanas bei und schafft zahlreiche Arbeitsplätze für Einheimische. Internationale Ankünfte allein brachten 2023 laut dem ghanaischen Tourismusministerium 3,8 Milliarden Dollar ein.

Um eine besondere Zielgruppe wirbt die ghanaische Tourismusbranche seit einigen Jahren verstärkt: die internationale Diaspora. Initialzündung dafür war die Kampagne „Year of Return, Ghana 2019“ („YOR19“), gestartet vom ghanaischen Präsidenten Nana Akufo-Addo im Jahr 2018 in Washington, D.C., bei einem Auftritt vor Mitgliedern der afroamerikanischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten.

YOR19 bestand aus diversen Events wie Konferenzen, Konzerten, Sportveranstaltungen, Modeschauen und Besuchen von Kulturerbestätten. Das Programm sollte Menschen ghanaischer Herkunft in der Diaspora mit ihren historischen und kulturellen Wurzeln verbinden – und die Wirtschaft und speziell den Tourismus in Ghana ankurbeln. Der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt: 2019 jährte sich zum 400. Mal der Beginn des Sklavenhandels von Afrika nach Amerika.

Auch andere politische Maßnahmen haben den Heimkehrertourismus in Ghana gefördert. Bereits 2001 erlaubte das ghanaische Parlament die doppelte Staatsbürgerschaft für Menschen ghanaischer Abstammung mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Diese Politik zog tausende Schwarzer Menschen aus Europa und anderen Ländern an, die auf der Suche nach einer neuen Heimat waren. Außerdem führte die ghanaische Regierung ein Programm ein, das Bürger*innen von Barbados und Guyana die visafreie Einreise nach Ghana für 90 Tage ermöglicht. Gleiches gilt für Bürger*innen von Trinidad und Tobago.

Bewegende Reiseerfahrungen

In den vergangenen Jahren haben viele Menschen aus der Diaspora die Möglichkeit genutzt, der eigenen Herkunft in Ghana nachzuforschen. „Sie kommen hierher, um sich mit den Wurzeln ihrer Vorfahren zu verbinden und Einblicke in die historische Realität des brutalen Sklavenhandels zu gewinnen“, sagt Victoria Odoom, stellvertretende Direktorin der ghanaischen Tourismusbehörde in der Eastern Region. Viele Heimkehrer-Tourist*innen interessieren sich für Touren, die sich auf historische Stätten des transatlantischen Sklavenhandels konzentrieren, wie die Festungen von Elmina und Cape Coast in der Zentralregion.

Wenn sie die Festungen und Kerker besuchen, zeigen sich die Tourist*innen oft tief bewegt vom Schicksal ihrer Vorfahren, wie Abigail Serwaa Owusu Ansah erklärt, Senior Marketing Officer bei der ghanaischen Tourismusbehörde in der Hauptstadt Accra. Sie berichtet von einer Reise mit Besucher*innen, die ihre Wurzeln zurückverfolgen wollten von der Stadt Tamale in Ghanas Northern Region über die westlichen und zentralen Regionen des Landes bis nach Cape Coast, einem der wichtigsten westafrikanischen Häfen, von dem aus Sklav*innen nach Amerika verschifft wurden. „An ihren Gesichtsausdrücken war zu erkennen, dass sie von Emotionen überwältigt waren“, erinnert sich Ansah.

Die Reise an die Küste Westafrikas hat natürlich auch ihre fröhlichen Seiten, etwa wenn die Tourist*innen traditionelle afrikanische Bräuche, Musik und Tanz kennenlernen. Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der vielfältigen Traditionen Ghanas spielen Festivals wie das Homowo-Festival in der Nähe von Accra und das Bakatue-Festival in der Central Region. Sie dienen auch als Plattform für Angehörige der Diaspora, um mit den Gemeinschaften vor Ort in Kontakt zu treten. Zu erwähnen sind etwa auch das zweijährlich stattfindende Pana-Fest (panafrikanisches historisches Theaterfestival) und das Adae-Festival zum Gedenken an die Ahnen.

Tourismus kurbelt Wirtschaft an

Abeiku Aggrey Santana, Radiomoderator und Tourismusunternehmer, hat die Erfahrung gemacht, dass die Diasporatourist*innen viel über Ghana und die Kämpfe der Afrikaner*innen während der Zeit des Sklavenhandels gelesen und gehört haben. Nun wollten sie sich in Ghana selbst ein Bild machen. Ihre Besuche hätten den Tourismussektor des Landes erheblich angekurbelt. „Ghana hätte sich ohne den Heimkehrertourismus nicht bis zu diesem Punkt entwickelt“, meint Santana. „Touristische Attraktionen oder Stätten sind nicht kostenlos; die Besucher*innen müssen eine Gebühr zahlen, um Zugang zu erhalten. Das hilft unserer lokalen Wirtschaft und steigert die Produktivität, weil die Besucher*innen Unterkünfte reservieren und Lebensmittel kaufen. Beides verschafft der Regierung Steuereinnahmen“, sagt er.

Die Tourismusunternehmen profitieren davon, dass sie eine breite Palette von Leistungen anbieten können, die auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Heimkehrer*innen zugeschnitten sind. Diese haben sehr unterschiedliche geografische, ethnische und sozioökonomische Hintergründe. Laut einem Bericht des ghanaischen Tourismusministeriums und der Tourismusbehörde des Landes (Ghana Tourism Authority) kamen die meisten internationalen Tourist*innen von 2019 bis 2023 aus den USA, Nigeria und UK. Deutschland lag 2023 auf Platz vier. Zu den Besucher*innen zählen auch Studierende und Historiker*innen aus den USA, der Karibik und Europa, die in Ghana ihr Verständnis der afrikanischen Geschichte und Kultur vertiefen möchten.

Im „Jahr der Rückkehr“ 2019 registrierte die Tourismusbehörde 1,13 Millionen internationale Ankünfte, 18 Prozent mehr als 2018. Auch an den wichtigsten Touristenattraktionen stiegen die Besucherzahlen, in Cape Coast Castle beispielsweise von rund 75 000 im Jahr 2018 auf mehr als 88 000 im Jahr 2019. Die Festung ist eines der wichtigsten Ziele des Roots-Tourismus der afrikanischen Diaspora. Dort wurden Sklav*innen festgehalten, bevor sie nach Amerika verschifft wurden.

Erholung von der Pandemie

Aufgrund der Covid-19-Pandemie sank die Zahl der ausländischen Besucher*innen in den Folgejahren stark, bevor sie wieder anstieg und 2023 das Niveau vor der Pandemie erreichte. Der Aufwärtstrend ist ein vielversprechendes Zeichen für die Erholung der Branche von Covid-19 und ein potenzielles Wachstum in den Folgejahren.

Der genaue Anteil des Homecoming-Tourismus an der ghanaischen Wirtschaft ist schwer zu beziffern. Mit Sicherheit half die YOR19-Kampagne aber dabei, Aufmerksamkeit auf das Land als Tourismusziel zu lenken. Beispielsweise besuchten 2019 mehrere Prominente Ghana, darunter das Model Naomi Campbell und der Schauspieler Idris Elba. Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass viele Diasporatourist*innen auf Social Media von ihren Erlebnissen berichten und auf diese Weise Aufmerksamkeit auf Ghana lenken.

Die Besucherströme strahlen in Ghana auch auf Sektoren jenseits des Tourismus aus. Beispielsweise führte die wachsende Nachfrage dazu, dass Hotels und Ressorts renoviert oder neu gebaut wurden, was der Wirtschaft vor Ort zugutekommt.

Mangelhafte Infrastruktur

Trotz beträchtlicher Fortschritte bestehen nach wie vor Herausforderungen. Ein wesentliches Problem ist die Entwicklung der Infrastruktur. Viele Touristenattraktionen liegen in ländlichen Gebieten, in denen es an grundlegender Infrastruktur wie Straßen, Strom und Wasser fehlt. Dies erschwert Tourist*innen den Zugang und führt zu Frustration und Enttäuschung.

Um das volle Potenzial des Homecoming-Tourismus auszuschöpfen, sind deshalb koordinierte Anstrengungen nötig. Es braucht Entwicklungsstrategien, die darauf ausgerichtet sind, die touristische Infrastruktur zu verbessern, die Bekanntheit von Kulturerbestätten zu erhöhen und die Menschen vor Ort einzubinden. Um dies zu erreichen, sollten Regierungsbehörden, Kommunen und Privatsektor noch enger als bisher zusammenarbeiten.

Links

Mensah, I., 2022: Homecoming events and diaspora tourism promotion in emerging economies: The case of the Year of Return 2019 campaign in Ghana. In: Marketing tourist destinations in emerging economies. Palgrave Studies of Marketing in Emerging Economies. 
https://www.researchgate.net/publication/356596781

Tourismusministerium Ghana, Ghana Tourism Authority: 2023 Tourism Report: Strong recovery. 
https://ghana.travel/media-centre/

Dasmani Laary ist Journalist in Ghana.
laarygna@gmail.com

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