Journalismus
Warum manche Berichterstattung verzerrt ist
Laut der Medien-Professorin Anya Schiffrin von der Columbia University in New York gibt es fünf Methoden der Beeinflussung:
- Regierungen und andere Interessengruppen gewähren Medienunternehmen, die ihre Narrative positiv darstellen und unterstützen, weitreichende Gefälligkeiten.
- Sie können sie durch Anzeigenschaltung steuern.
- Sie können Medien, die sie nicht unterstützen, von Informationen abschneiden.
- Sie können Medien auch kognitiv beeinflussen, indem Medien sich einem bestimmten Narrativ verschreiben und abweichende Meinungen nicht zulassen.
- Die gute alte Methode der Bestechung wird auch genutzt, um Medien zu beeinflussen und zu manipulieren.
Wenn ein Medienunternehmen voreingenommen ist, wird es Verbrechen und Korruption vertuschen, um die Verbündeten zu schützen und zu fördern. So wird es ein Sprachrohr für Propaganda. Schiffrin erklärt, dass Regierungen und andere mächtige Gruppen versuchen, oppositionelle Medien zu bestrafen. Autoritäre Politiker sind dafür bekannt, Steuern, juristische Verfahren, parlamentarische Anträge und Gesetze dazu zu missbrauchen, um Journalisten einzuschüchtern und an ungewollter Berichterstattung zu hindern.
Schiffrin bezeichnet das als „sanfte Zensur“. Ein aktuelles Beispiel ist der autoritäre philippinische Präsident Rodrigo Duterte, der gegen die Website Rappler vorgeht (siehe dazu Emmalyn Liwag Kotte in der Debatte des E+Z/D+C e-Papers 2019/01).
Medienwissenschaftlern ist natürlich klar, dass kein Medienunternehmen absolut unabhängig gegenüber seinen Geldgebern sein kann. Das journalistische Berufsethos besagt aber, dass die Berichterstattung insofern „objektiv“ sein muss, als dass sie mit eindeutigen Fakten belegt wird, ihre Quellen offenlegt und auch die gegenläufige Interpretation von Fakten darlegt.
Außerdem geben die Kommentare in westlichen Zeitungen den Lesern eine Hilfestellung, wie die Ausrichtung der Zeitung ist. Anhand der Kommentare ist auch zu erkennen ist, ob die Meinung der Gegner mit Fairness dargestellt wird. Die Öffentlichkeit braucht dennoch eine breite Medienvielfalt, weil Konkurrenz Journalisten dazu zwingt, sorgfältig zu arbeiten.
Früher gehörten Fernseh- und Radiosender meist dem Staat und die Zeitungen privaten Verlegern. Diese Arbeitsteilung sicherte einen gewissen Level an Vielfalt. Diese Situation hat sich nun aber komplett verändert, weil private Sender immer populärer wurden.
Deepanjalie Abeywardana von Verité Research, einem privaten Thinktank aus Colombo, erklärt, dass Medienkonzentration in Sri Lanka ein Problem geworden ist. Der Staat und drei Privatunternehmen sind die Hauptakteure. Die Eigentümer der Medienhäuser sympathisierten alle mit bestimmten Parteien, und das habe sich als Problem für die aktuellen politischen Unruhen erwiesen, sagte sie auf einer Konferenz über Medien-Beeinflussung in Berlin Ende November. Diese wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reporter ohne Grenzen und der deutschen NGO Media in Cooperation and Transition (MiCT) organisiert.
Internet als Herausforderung
In den vergangenen 30 Jahren hat das Internet die Medienlandschaft auf der ganzen Welt verändert. Websites und Blogs haben Bürgern die Möglichkeit gegeben, unabhängig ihre Meinung kundzutun. Dieser Trend wurde durch das Aufkommen der sozialen Medien verstärkt. Zeitgleich hat sich das Anzeigengeschäft, mit dem früher Zeitungen finanziert wurden, auch ins Internet verlagert. Diese Entwicklung hat die traditionellen Geschäftsmodelle in vielen Ländern auf den Kopf gestellt.
Es gibt heute viele Wege, um Skandale aufzudecken, Geschehnisse alternativ darzustellen und vorherrschende Narrative anzufechten. Zeitgleich werden immer weniger Leute gut bezahlt, um in Vollzeit journalistische Arbeit zu machen. Deshalb verbreiten sich Gerüchte und Desinformationen schnell. Die etablierten Medien versuchen, im Internet Fuß zu fassen, aber bislang gelingt es kaum jemandem, online die Erlöse zu erwirtschaften, die für eine umfassende professionelle Berichterstattung benötigt werden.
Reporter ohne Grenzen und andere warnen, dass in dieser Situation Medien-Beeinflussung eine immer größere Gefahr darstellt. Interessengruppen setzen ihre manipulativen Methoden mit Hilfe neuer Technik um. Die Regierungen scheitern zum Teil daran, soziale Medien mit staatlicher Regulierung und durch Zwangsmaßnahmen zu kontrollieren. Die Interessengruppen hingegen machen sich Innovationen zunutze. Sie bezahlen zum Beispiel „Trolle“, die über soziale Medien Falschmeldungen, Gerüchte oder Angst verbreiten (siehe dazu Arfa Khanum Sherwani im Schwerpunkt von E+Z/D+C e-Paper 2018/05).
Lisa-Marie Neudert vom Oxford Internet Institute sieht in den sozialen Medien eine Bedrohung. Facebook, Twitter, Instagram und andere ersetzen für viele Leute zunehmend traditionelle Medien als Hauptquelle für Informationen. Sie verbreiten aber häufig Fehlinformationen, da sie keinerlei redaktionellen Kontrolle unterliegen.
Neudert erklärt, dass es in den sozialen Medien schwer ist, objektive von manipulierten Inhalten zu unterscheiden. Ein kompetenter Umgang mit Medien ist ihrer Meinung nach essenziell. Das beinhaltet, zu wissen, wie Inhalte produziert und verbreitet werden. Leute sollten die Themen nicht einfach für bare Münze nehmen, sondern ihre Substanz überprüfen (siehe dazu Beitrag von Julia Odoj und Benjamin Gaul im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2018/05). Neudert rät Medienunternehmen, sich auf investigative und spezialisierte Berichterstattung zu konzentrieren, um einen Ruf als objektiv und unabhängig aufzubauen.
Weltweit verlieren traditionelle Medien an Einfluss. Schwindende Anzeigenerlöse machen die Medienunternehmen immer mehr von einer steigenden Zahl von Anzeigenkunden und anderen Sponsoren abhängig. Die Journalistin Verah Okyeo von der kenianischen Zeitung Daily Nation ist sich dieses Themas bewusst. Sie schätzt es, dass die Bill & Melinda Gates Foundation das Wissenschaftsressort, für das sie arbeitet, unterstützt. Aber sie gibt auch zu, dass dies ihre Arbeit beeinflusst. Das zunehmende Gewicht privater Philanthropen in internationaler Politik wird kontrovers diskutiert und einige Beobachter finden es bedenklich (siehe Barbara Unmüßig im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2017/12).
Weil ihnen Ressourcen fehlten, wendeten sich Medienhäuser zunehmend an Geberinstitutionen, um ihre Journalisten zu qualifizieren, ergänzt Okyeo. Eine Folge davon ist, dass ihre Berichterstattung tendenziell die Ansichten dieser Institutionen widerspiegelt.
In vielen Ländern verzichten finanziell schwache Medienunternehmen zunehmend auf die Kontrolle privater Investoren und ihrer Interessen. Eine enge Verbindung zu Parteien ist auch weit verbreitet. Weniger Qualitätsmedien in der öffentlichen Debatte bedeutet aber, dass es weniger gut recherchierte und belegte Beiträge im Kampf gegen die „Hegemonie“ gibt, wie es Antonio Gramsci nannte. Der italienische Kommunist entwickelte das Konzept der Zivilgesellschaft und machte deutlich, dass Hegemonie aus vielen Schichten der öffentlichen Debatte resultiert – vom Haushalt zum Arbeitsplatz, von Bildungseinrichtungen und letztlich vom Gesetzgeber. Der Beitrag der Medien ist in diesem Zusammenhang entscheidend.
Link
Konferenz-Website:
https://fome.info/events/symposium-2018/documentation