Arbeitsmarkt

Entwicklung des Lebensmittelsektors in Malawi

Die lebensmittelverarbeitende Industrie des Landes hat großes Potenzial, kann aber nicht mit der Nachfrage Schritt halten. Genossenschaften können Teil der Lösung sein, wie das Beispiel der ältesten Molkereigenossenschaft Malawis zeigt.
Kuhmilch vor Ort weiterzuverarbeiten kann Jobs schaffen. picture-alliance/empics/Jane Barlow/PA Wire Kuhmilch vor Ort weiterzuverarbeiten kann Jobs schaffen.

Die Wirtschaft Malawis hängt von der Landwirtschaft ab, in der nach Angaben der Weltbank 80 Prozent der Bevölkerung beschäftigt sind. Weil die Produktivität niedrig bleibt, kann der Lebensmittelsektor die steigende Nachfrage nicht decken. Importe schließen die Lücke.

Trotz des bedeutenden Agrarsektors arbeiten weniger als zwei Prozent der Bevölkerung Malawis in der lebensmittelverarbeitenden Industrie. Es gibt nur wenige Unternehmen, und diese leiden unter begrenzten technischen und unternehmerischen Kapazitäten, mangelnder Finanzierung und schlechten Verbindungen zu Landwirten und zum Verbrauchermarkt. Die Branche besteht größtenteils aus kleinen und mittleren Unternehmen, darunter auch Genossenschaften, die besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Eine Genossenschaft ist ein Unternehmen, das den Mitgliedern gemeinsam gehört und von ihnen demokratisch kontrolliert wird. Die Mitglieder tragen gemeinsam Verantwortung und alle haben ein Mitspracherecht bei der Führung des Unternehmens. Gewinne werden fair verteilt. Genossenschaften sind in allen Wirtschaftszweigen Malawis zu finden, die meisten im Agrarsektor (70 Prozent). Es folgt der Finanzsektor mit zehn Prozent. Weitere Branchen sind Imkerei, Möbelindustrie, Bergbau und Dienstleistungen wie Reinigungsdienste.

Neue Arbeitsplätze schaffen

Genossenschaften spielen eine wichtige Rolle dabei, Arbeitsplätze in Malawi zu schaffen. Und sie könnten künftig noch wichtiger werden, auch für die lebensmittelverarbeitende Industrie. Ein Beispiel ist die Bvumbwe Dairy Farmers Cooperative Society (BDFCS), Malawis älteste Molkereigenossenschaft. Sie begann 1998 mit zehn Mitgliedern, die von der Regierung je zwei Kühe erhielten. Im Laufe der Jahre wuchs sie auf 1500 Mitglieder an. Nach der Abwanderung der meisten Mitglieder zählt sie heute noch 71 Landwirt*innen mit 160 Kühen. Die BDFCS beschäftigt sowohl ihre Mitglieder als auch sieben zusätzliche Mitarbeiter*innen für den täglichen Betrieb.

Eine davon ist die 25-jährige Lucia Mwale. Sie arbeitet in der BDFCS-Fabrik im Bvumbwe Trading Center im ländlichen Bezirk Thyolo, etwa 30 Kilometer südlich von Blantyre, der zweitgrößten Stadt Malawis. Mwale bedient eine Maschine zur Verarbeitung von Milch. In der weiteren Wertschöpfung entstehen etwa Joghurt und Chambiko, ein lokales Sauermilchprodukt.

Mwale, eine alleinerziehende Mutter, die früher arbeitslos war, fand durch ihre Tätigkeit bei der BDFCS eine neue Perspektive. „Als ich meinen ersten Job als Ladenbesitzerin aufgab, war ich vier Jahre lang arbeitslos“, sagt sie. „Jetzt kann ich für mich und mein Kind sorgen.“

Die etabliertesten Betriebe zur Verarbeitung von Lebensmitteln sitzen in den drei größten Städten Malawis: Blantyre, Lilongwe und Mzuzu. Ländliche Genossenschaften wie die BDFCS bieten aber gerade dort Chancen, wo die Beschäftigungsaussichten besonders schlecht sind. „Unsere Genossenschaft und viele andere können hier, wo Arbeitslosigkeit eine große Rolle spielt, wirklich etwas verändern“, sagt BDFCS-Sprecher Charles Jota. „Unser Ziel ist es, eines Tages unseren Joghurt, Chambiko und unsere Milch in Geschäften im ganzen Land zu verkaufen, wie die etablierten Molkereien. Wenn wir das schaffen, werden wir eine Menge Leute beschäftigen“, fügt er hinzu.

Von Bürokratie ausgebremst

Wie viele andere Unternehmen in Malawi kämpft auch die BDFCS mit Hürden. Wichtige Themen sind Marktzugang und Wachstum. „Unsere geringe Größe hindert uns daran, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Der erste Schritt zur Expansion ist die Zertifizierung durch das Malawi Bureau of Standards, damit wir unsere Produkte landesweit vermarkten können“, sagt Charles Jota. Er bedauert, dass sich die BDCFS seit einem Jahr erfolglos um eine Zertifizierung bewirbt und daher ihre Produkte weiterhin nur auf dem lokalen Markt in Thyolo vertreiben kann.

Umständliche Verfahren zur Zertifizierung durch das Malawi Bureau of Standards sind ein Problem für viele kleine und mittlere Unternehmen, die landwirtschaftliche Produkte weiterverarbeiten, wie die BDFCS. Die Bürokratie hindert sie daran, ihren Absatzmarkt zu diversifizieren und über den ländlichen Raum hinaus zu erweitern. Der ländliche Markt allein gibt aber möglicherweise finanziell zu wenig her, um Wachstum anzukurbeln.

Smith Nkhata arbeitet als Dozent an der Lilongwe University of Agriculture and Natural Resources und ist auf Lebensmitteltechnologie und Ernährungswissenschaften spezialisiert. Er ist überzeugt, dass das Genossenschaftsmodell zum wirtschaftlichen Aufschwung in Malawi beitragen kann, trotz aller Herausforderungen. „Genossenschaften bieten nicht nur eine Lebensgrundlage, sondern verkörpern auch eine größere Vision. Eine, bei der eine nachhaltige Expansion nicht nur die Beschäftigung fördert, sondern auch das sozioökonomische Gefüge einer Gemeinschaft stärkt“, sagt er. Nkhata weist darauf hin, dass die Beschäftigten in der Lebensmittelverarbeitung umfassend und angemessen ausgebildet werden müssen, damit sie zu kräftigerem Wachstum beitragen können.

Lebensmittelverarbeitung vor Ort

Nkhata zufolge zieht es die meisten etablierten lebensmittelverarbeitenden Unternehmen in die städtischen Zentren, weil es dort Fachwissen, Strom und bereits bestehende Märkte gibt, sodass die ländlichen Gebiete letztlich nur als Rohstoffquelle dienen. Er schlägt einen transformativen Ansatz vor, um die Wertschöpfung auf lokaler Ebene zu fördern.

Wie Nkhata erklärt, hat die Weiterverarbeitung von Produkten in Betrieben in ländlichen Gebieten verschiedene Vorteile, etwa die Nähe zu den Rohstoffen. Viele Unternehmen in den urbanen Zentren beziehen ihre Rohstoffe aus entlegenen Regionen, bei erheblichen Transportkosten. Im Gegensatz dazu könnten Verarbeitungsbetriebe in ländlichen Gebieten nicht nur lokale Ressourcen nutzen und dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen, sondern auch eine preiswerte Alternative für etablierte Akteure darstellen.

Für Lucia Mwale und andere hat die BDFCS nicht nur die Existenz gesichert, sondern auch eine Leidenschaft für die Lebensmittelverarbeitung geweckt. „Ich lerne immer noch eine Menge“, sagt sie. „Ich hoffe, eines Tages meine eigene Molkerei zu haben und so viele Menschen wie möglich zu beschäftigen.“

Rabson Kondowe arbeitet als Journalist in Blantyre, Malawi.
kondowerabie@gmail.com

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