MENA-Region

Inkohärenter Ansatz

Obwohl Deutschland für Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit Ländern der MENA-Region (Mittler Osten und Nordafrika) die Mittel in den letzten sieben Jahren deutlich erhöht hat, ist bisher keine Strategie erkennbar. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) haben bürokratische Trägheit und ein Fokus auf Sicherheitsinteressen die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik behindert. Sie empfiehlt, eine SDG-basierte MENA-Strategie zu formulieren.
Deutschland hat den Bau des marokkanischen Solarkraftwerks Noor 3 in Ouarzazate mit Krediten unterstützt. Picture-alliance/AP Photo Deutschland hat den Bau des marokkanischen Solarkraftwerks Noor 3 in Ouarzazate mit Krediten unterstützt.

Seit 2011 hat sich der EZ-Aufwand in der MENA-Region mehr als verdoppelt – von rund 750 Millionen Euro jährlich auf rund 1,8 Milliarden Euro 2015. Laut DIE-Wissenschaftler Mark Furness hat sich diese Erhöhung allerdings nicht in einer umfassenden regionalen Strategie niedergeschlagen. Der Hauptgrund für die Steigerung sei die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit auf die Ankunft von Flüchtlingen aus der Region gewesen.

In vergangenen Jahrzehnten ging die Bundesregierung mit der Region überwiegend pragmatisch und risikoscheu um. Während andere Geber sich in die geopolitischen Angelegenheiten der Region eingemischt hätten, sei Deutschland eher ein „Zahler“ als ein „Spieler“ gewesen, schreibt Furness. Zwar sei Deutschland seit mehreren Jahrzehnten diplomatisch, wirtschaftlich und entwicklungspolitisch präsent, aber eine kohärente Strategie mit klaren Ziele sei nicht zu erkennen. Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) und andere politische Instrumente würden nicht systematisch genutzt.

Furness ist erstaunt, dass die Proteste des Arabischen Frühlings in Deutschland keine Strategieformulierung ausgelöst haben. Relevante Themen würden auf verschiedenen Ebenen des deutschen außenpolitischen Systems diskutiert, aber einen kohärenten Ansatz gebe es immer noch nicht. Dies schlägt sich auf die Praxis nieder. Der Großteil des ODA-Anstiegs wurde für Maßnahmen in nur zwei Bereichen ausgegeben: humanitäre Hilfe als Reaktion auf die syrische Krise und Darlehen zur Förderung erneuerbarer Energien in Marokko. Furness schreibt, das entspreche wohl deutschen und europäischen Sicherheitsinteressen, eine strategische Begründung sei aber nicht zu erkennen.

Grund für die fehlende Strategie ist laut Furness die Komplexität und Fragmentierung des deutschen außenpolitischen Systems. Mehrere Ministerien und das Kanzleramt sind beteiligt. Außerdem besteht der EZ-Sektor aus mehreren staatlichen Unternehmen sowie vielen nichtstaatlichen Organisationen. Furness erscheinen die deutschen ODA-Ausgaben in der MENA-Region zufällig. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die KfW und die GIZ arbeiteten an einer engeren Abstimmung, dies werde allerdings durch die Beteiligung anderer Ministerien erschwert.

Wie die Aufstände des Arabischen Frühlings wahrgenommen werden, ist ebenfalls wichtig. Furness erkennt eine Tendenz zur „Versicherheitlichung“ von Themen – ein Prozess, in dem Politikbereichen eine Sicherheitsdimension hinzugefügt wird, obwohl sie im Kern nicht sicherheitsrelevant sind. So wird etwa Migration zunehmend mit Bezug auf Schutz vor Bedrohungen diskutiert. Unterstützung zurückgekehrter Migranten oder ODA für nordafrikanische Aufnahmeländer stünden daher hoch oben auf der Agenda, argumentiert Furness. Das „Migrationsmanagement“ auf EU-Ebene deutet darauf hin, dass der Trend zur „Versicherheitlichung“ weiter anhalten wird. Laut Furness war Deutschlands humanitäre Hilfe aber auch von der Verantwortung für bedürftige Gemeinschaften geprägt.

Die Bundesregierung sollte eine MENA-Strategie formulieren, die auf den UN Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) basiert, schlägt Furness vor. Er sagt, die UN-Agenda biete vernünftige Leitlinien, da sie Geber dazu anhalte, die Auswirkungen ihrer Politiken auf Entwicklungsländer zu berücksichtigen. Deutschland sollte beispielsweise seine Waffenverkäufe an Länder in der MENA-Region überdenken. Außerdem wären Reformen der derzeitigen Handels- und Migrationspolitik der EU sinnvoll. Eine kohärent deutsche Strategie würde die EU-Politik nicht direkt verändern aber ein klares Signal senden. Koordination durch das Kanzleramt wäre hilfreich.


Link
Furness, M., 2018: Strategic Policymaking and the German Aid Programme in the MENA Region since the Arab Uprisings (nur auf Englisch).
https://www.die-gdi.de/uploads/media/DP_5.2018.pdf

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.