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Urbane Infrastruktur

Sorgen einer Metropole

Nigeria ist mit mehr als 150 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. In seinem größten Ballungsraum Lagos leben mehr als 20 Millionen ­Menschen. Seine Wachstumsraten überfordern die Stadtplaner. Energieversorgung, Verkehr sowie Abfall- und Abwasserentsorgung sind große Herausforderungen.

Von Bimbola Oyesola

Städte wachsen hauptsächlich durch Migration aus dem Umland. Auch in Lagos ist das der Fall. 1950 noch eine 300 000-Einwohner-Stadt, war der Ballungsraum bei der Volkszählung von 2006 auf eine Metropole mit fast 18 Millionen angewachsen. Die Regierung des Bundesstaats Lagos State geht davon aus, dass die Einwohnerzahl jährlich um rund 500 000 Menschen zunimmt.

Lagos ist eine von weltweit rund zwei Dutzend Megacities, Agglomerationen mit mehr als 10 Millionen Menschen. Schätzungen der nigerianischen Regierung zufolge wird Lagos bis 2015 auf 25 Millionen Einwohner anwachsen. Ein solches Wachstum wird enorme Probleme mit sich bringen, wie man in Lagos schon heute sehen kann.

Kurze Geschichte der Megacity

Lagos State liegt im Südwesten Nigerias. Der Bundesstaat grenzt im Westen an Benin und im Süden an den Atlantischen Ozean. Er besteht aus der Stadt und ihren Vororten.

Bereits vor dem 15. Jahrhundert lebten hier Menschen. Aus einem kleinen Inseldorf mit Fischern und Bauern wurde eine Küstenstadt. Die Portugiesen, die 1472 an der Küste landeten, gaben ihr den heutigen Namen. Bekannt wurde die Stadt für die Rolle, die sie im 17. Jahrhundert im Sklavenhandel spielte.

1861 wurde Lagos britische Kolonie. Später gründeten die Briten das Protektorat Nigeria und machten Lagos zur Hauptstadt. Das blieb auch zunächst so, nachdem Nigeria 1960 unabhängig wurde. 1991 wurde der Regierungssitz dann aber nach Abuja verlegt. Lagos erhielt jedoch keinen Sonderstatus als frühere Hauptstadt, wie die Bundesrepublik Deutschland sie Bonn einräumte, als Berlin Regierungssitz wurde.

Dennoch florierte das Wirtschaftszentrum Lagos weiter. Migranten siedelten sich an. Mit der Zunahme der Bevölkerung dehnte sich die Stadt auch räumlich aus.

Der Pressesprecher des Bundesstaats, Lateef Ibirogba, führt den Bevölkerungszuwachs darauf zurück, dass Lagos das gesellschaftliche und ökonomische Herz des Landes ist. Hier befinden sich auch die Niederlassungen multinationaler Unternehmen. Lagos zieht Ausländer und Menschen vom Land an, die bessere Chancen als zu Hause suchen.

Der Volksmund bezeichnet Lagos als die Stadt, die niemals schläft. Tatsächlich werden an vielen Orten der Stadt mit ihrem internationalen Flughafen und einem regen Seehafen rund um die Uhr Geschäfte gemacht. Für Millionen Nigerianer ist Lagos eine Traumstadt. Menschen aus dem ganzen Land suchen hier ihr Glück – teils mit Erfolg, teils auch nicht.

Laut Joe Igbokwe, dem Geschäftsführer der Lagos State Infrastructure Maintenance and Regulatory Agency (LASIMRA), trägt Lagos 60 Prozent zum Wirtschaftswachstum des gesamten Landes bei. Rund 80 Prozent der Industrie ist in diesem Bundesstaat angesiedelt, der zudem das größte Finanzzentrum Westafrikas ist. Dabei ist Lagos jedoch nicht nur ein Anziehungspunkt für qualifizierte Berufstätige. Es gibt auch einen dynamischen, ja geradezu aggressiven informellen Sektor.

Angesichts des Einwanderungsdrucks wirken die öffentlichen Investitionen in soziale Infrastruktur wie Tropfen auf dem heißen Stein. Der Zustand der Straßen ist katastrophal. Die öffentlichen Schulen sind überfüllt, die Gesundheitszentren unzureichend. Tausende sind arbeits- und wohnsitzlos. Viel zu viele unterbeschäftigte Seelen driften in Kriminalität und Gewalt ab.

Das rasante Bevölkerungswachstum führt zu Wohnungsknappheit und Slumwachstum, und es fehlt an erschwinglichen Angeboten für Baufinanzierung. Die urbane Gesellschaft ist überfordert. Soziale Einrichtungen und Dienstleister sind vom Migrantenzuzug überfordert. Der Bevölkerungszuwachs führt zudem zu größerer Landnachfrage. Zugleich braucht auch die Industrie große Areale, was weitere Probleme wie hohes Verkehrsaufkommen und industrielle Umweltverschmutzung nach sich zieht.

Um das Zentrum zu entlasten, versucht die Regierung des Bundesstaats an der Peripherie neue Kommunen zu schaffen. Sie möchte die Stadtentwicklung in geordnete Bahnen lenken und Wohnviertel von Industriegebieten und Handelszentren trennen. Aber in den vergangenen Jahrzehnten wuchs der Ballungsraum schneller, als die Stadtplaner managen konnten.

Herausforderungen an die Infrastruktur

Lagos State verbraucht etwa 40 Prozent des gesamten nigerianischen Stromaufkommens. Das na­tionale Versorgungssystem deckt nur rund ein Drittel der Nachfrage. Deshalb ist Lagos State selbst in die Stromerzeugung eingestiegen. Der Bundesstaat betreibt eigene Kraftwerke und eröffnete im vergangenen Jahr eine Transformatorenfabrik.

Dass der Verkehr steckenbleibt, ist auf den Straßen von Lagos Alltag. Manchmal macht es das Leben zur Hölle. Es gibt Leute, die für den einfachen Weg zur Arbeit drei Stunden brauchen.

Das liegt unter anderem daran, dass die Straßen in einem traurigen Zustand sind. Die meisten wurden in den 1970ern gebaut und waren auf eine viel kleinere Bevölkerung ausgelegt. Niemand rechnete damals mit der ungeheuren Expansion, die den Ballungsraum seither hat anschwellen lassen – und die sich im 21. Jahrhundert weiter fortsetzt.

Um die Transportprobleme zu verringern, hat die Regierung des Bundesstaats zusammen mit privaten Investoren in den vergangenen vier Jahren das öffentliche Schnellbus-System BRT (Bus Rapid Transit) aufgebaut. Es erleichtert vielen Leuten den Alltag.

Ein anderes Projekt der amtierenden Regierung könnte den Stress der Pendler ebenfalls verringern: Die geplante Blue-Line-Schnellbahn soll quer über den Ballungsraum hinweg die Gemeinden Marina und Okokomaiko verbinden. Zusätzlich baut die Regierung eine zehnspurige Straße mit Bahnstrecke von Badagry nach Orile.

Eine der größten Herausforderungen in Lagos ist die Abwasserentsorgung. Die Rohre sind schlecht und verstopfen viel zu häufig. Es kommt oft vor, dass man Einwohner ihren Abfall bei Regen in die Straßengräben auskippen sieht. Im vergangenen Jahr erlebte die Stadt mehrere verheerende Überflutungen. Menschen starben und Eigentum wurde zerstört. Die Regierung hat mittlerweile Maßnahmen zur Verbesserung der Lage ergriffen.

Das Umweltministerium von Lagos State hat begonnen, durch Public-Private-Partnerschaften die Abfallentsorgung zu verbessern. Auch die Anstrengungen der Landesregierung, die Parks und Gärten der Agglomeration zu verschönern, beginnen Früchte zu tragen, so dass Lagos heute in jeder Jahreszeit grün aussieht.

Die Regierung des Bundesstaats steht vor gewaltigen Aufgaben. Dazu gehören Sanierung und Ausbau der städtischen Infrastruktur. Nötig sind bessere Straßen, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Parks und Gärten und ein integriertes Transportwesen (zu Land und zu Wasser). Das Bus-Rapid-Transit-System muss ausgebaut werden. Zugleich ist die Sicherheitslage unbefriedigend. Kriminelle Banden, die sogenannten „Area boys“, müssen resozialisiert werden. Solange die Behörden diese Probleme nicht angehen, kann Lagos nicht zu einer lebenswerten Megacity werden.

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