Staatshaushalt
Kenias neuer Präsident will Steuern erhöhen
Als Kenias neuer Präsident William Ruto nach der Amtseinführung im Parlament sprach, tat er etwas Ungewöhnliches: Er sagte, er plane die Steuern zu erhöhen. Hierzulande drehen sich präsidiale Reden meist darum, wie die Regierung Geld auszugeben gedenkt.
Tatsächlich ist der öffentliche Haushalt überlastet. Mehr als die Hälfte der Einnahmen sind nötig, um die enormen Schulden zu bedienen. Die Staatsverschuldung hat sich im vergangenen Jahrzehnt unter Uhuru Kenyatta vervierfacht – nicht zuletzt wegen ambitionierter Infrastrukturprojekte. Als Kenyattas Vize hat Ruto an dieser Politik mitgewirkt.
Doch auch externe Faktoren belasten den Haushalt: die Pandemie, die durch Russlands Invasion in der Ukraine verursachte Nahrungs- und Düngemittelknappheit, hohe Ölpreise, die anhaltende Dürre im Norden des Landes oder 2020 die Heuschreckenplage.
Die Regierung braucht mehr Staatseinnahmen. Die Grundlagen der neuen Steuerpolitik und entsprechende Reformvorschläge wurden im Finanzministerium bereits im Sommer, also vor Rutos Amtseinführung, erarbeitet. Er hat sie nun stolz übernommen.
Was er im Parlament sagte, muss den Botschaften der Geberländer gefallen haben. Denn diese fordern schon lange von Entwicklungsländern, die „eigenen Ressourcen zu mobilisieren“ (siehe Stefanie Rauscher auf www.dandc.eu).
Aufholen zu den Geberländern
Tatsächlich scheint sich Ruto an Steuersystemen von Ländern mit hohen Einkommen zu orientieren. Folgende Ziele hat er formuliert:
- höhere Steuersätze für Reiche,
- ein gerechtes, effizientes und verständliches Steuersystem,
- mehr Einnahmen durch das Besteuern von Vermögen, Einkommen und Konsum statt wie bislang des Außenhandels und über Zolleinnahmen sowie
- eine breitere Besteuerungsgrundlage, die mehr Bürgerinnen und Bürger erfasst.
„Das Prinzip der Steuergerechtigkeit verlangt, dass die Steuerlast der Zahlungsfähigkeit entspricht“, sagte Ruto. „Wir besteuern Handel zu stark und Vermögen zu wenig.“
Ein ganzes Maßnahmenpaket ist nötig, um die Ziele zu erreichen. Die größte Herausforderung wird sein, auch Erwerbstätige im informellen Sektor zu erfassen (siehe Kasten).
Es ist offensichtlich viel leichter, den Namen der Steuerbehörde zu ändern – von Kenya Revenue Authority in Kenya Revenue Service. Service klingt freundlicher als Autorität. Es geht darum, den Ruf der Finanzämter, die als rücksichtslos gelten, zu verbessern. Kenyattas Regierung ließ die Behörden politische Gegner schikanieren – was ein verbreitetes Muster in Ländern ist, wo Institutionen schwach sind und Staatsbedienstete Recht willkürlich auslegen können. Auch die Amtsführung muss besser werden.
Steuerrecht vereinfachen, Zahlungen erleichtern
Die Regierung möchte das Zahlen von Steuern leichter machen: durch einfachere Steuergesetzgebung und -verfahren sowie die Eröffnung weiterer Finanzämter außerhalb der wichtigen Städte. Auch Aufklärungsarbeit soll geleistet werden.
Zudem läuft ein Selbstbezichtigungsprogramm der Vorgängerregierung weiter. Seit Januar 2021 werden denen, die beim Finanzamt versäumte Steuerpflichten zwischen Juli 2015 und Juni 2020 melden, Strafen und Zinszahlungen ganz oder teilweise erlassen.
Die Politik will auch Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten mehr Glaubwürdigkeit verschaffen. Die Unabhängigkeit des Steuergerichtshofs wurde in der Vergangenheit oft infrage gestellt, weil die Spitzenperson der Finanzbehörde die Richter und Richterinnen beruft, obwohl diese Behörde offensichtlich parteiisch ist. Das muss sich ändern.
Rutos Steuerreform spiegelt Prinzipien wider, die Adam Smith vor 250 Jahren in seinem Klassiker „Der Wohlstand der Nationen“ formulierte: Alle sollten nach ihren Möglichkeiten Steuern zahlen. Das Verfahren sollte für alle verständlich sein. Steuern sollen niemanden ruinieren, sondern allen genug Geld lassen, damit sie in Zukunft mehr steuerpflichtiges Einkommen erwirtschaften können.
Informationstechnologie ausbauen
Kenias neue Politik sieht zudem Investitionen in moderne Informationstechnologie vor und will Verwaltungsangestellte regelmäßig darin schulen. Sie will einerseits von der boomenden IT-Branche mehr Geld eintreiben, andererseits aber auch mit elektronischer Datenverarbeitung die Grenzkontrollen verbessern. Steuervermeidung, Steuerflucht und illegale Finanzströme sind ein internationales Problem (siehe Ronald Ssegujja Ssekandi auf www.dandc.eu).
Dass Kenia von multinationalen Unternehmen wie Amazon, Netflix, Google oder Meta Steuern kassiert, verdient Anerkennung. Frustrierend ist dennoch, dass Konzerne mit Geschäftstätigkeit in Kenia es schaffen, ihren Aufwand zu minimieren, indem sie beispielsweise Profite in ausländischen Staaten mit geringen Steuersätzen anmelden. Viele Privatpersonen nutzen zudem Steueroasen.
Um legale Steuervermeidung und illegale Steuerhinterziehung zu erkennen und offenzulegen, will die Regierung ihre internationalen Verträge regelmäßig überprüfen und aktualisieren. Eine eigene Abteilung der Steuerbehörde soll in Zukunft:
- grenzüberschreitende Transaktionen und Transferpreise beobachten,
- multinationale Konzerne prüfen und
- internationale Entwicklungen im Auge behalten.
Internationale Kooperation
Entsprechend sieht die neue Steuerpolitik auch den Informationsaustausch mit den Behörden anderer Länder vor. Länder mit hohen Einkommen tun dies seit einiger Zeit verstärkt, um ihre Steuern einzutreiben.
Kenia ist Mitglied von zwei Regionalorganisationen: der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC – East African Community) und dem Gemeinsamen Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA – Common Market for Eastern and Southern Africa). Da aber die Steuersysteme der anderen Mitgliedsländer tendenziell schwächer sind und in einigen Fällen die Staatlichkeit fragil ist, dürfte Informationsaustausch mit ihnen nicht viel bringen.
Kenia will die Grenzkontrollen verstärken, unter anderem mit modernerer IT. Das soll nicht nur der inneren Sicherheit und der Eindämmung der organisierten Kriminalität dienen. Auch Schmuggel, die Einfuhr von Produktfälschungen und die Falschdeklarierung von Waren sollen begrenzt werden.
Was Ruto vorhat, klingt gut und ist sinnvoll. Die Durchsetzung wird aber schwierig – zumal Extremwetter, Marktstörungen, Krieg oder neue Krankheitserreger den Staat vor weitere Aufgaben stellen können.
Alphonce Shiundu ist Journalist, Herausgeber und Fakten-Checker in Kenia.
Twitter: @Shiundu