Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Editorial

Stabile Perspektiven

In Mecklenburg-Vorpommern klagen Hotelmanager seit kurzem über ungewohnten Personalmangel. Sie finden einfach keine Auszubildenden mehr. Das Fremdenverkehrsgewerbe war an der Ostsee seit der Wende gewöhnt, dass sich auf jede Stelle viele Interessenten bewarben.

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass sich in dem ostdeutschen Bundesland die Arbeitsmarktlage für Jugendliche trotz der Weltwirtschaftskrise entspannt hat. Die OECD hat kürzlich ausdrücklich das duale System der Lehrlingsausbildung hierzulande gelobt, die unter anderem wegen der engen Kooperation von Staat und Unternehmen nicht kurzfristig von der Konjunktur beeinträchtigt wird. Wichtiger ist in Mecklenburg-Vorpommern aber der demografische Wandel, den die massive Abwanderung seit der deutschen Einheit noch verschärft hat. Es wachsen nur noch wenig junge Menschen nach.

In den meisten Entwicklungsländern ist die Lage dagegen heute so, wie sie nach 1989 auch in Ostdeutschland lange blieb. Viele junge Menschen haben keine Perspektive – und das ist schlimmer als die Personalsorgen einer einzelnen Branche. Die Erfahrungen, die Jugendliche machen, prägen sie für ein ganzes Leben. Wissen und Fähigkeiten, die sie sich heute nicht aneignen, werden sie später, wenn überhaupt, nur mit viel größer Mühe erwerben.

Häufig driften perspektivlose Jugendliche ab. Zu den Risiken zählen Kriminalität, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie politischer Extremismus – häufig auch in Kombination. Das alles kommt zwar auch da vor, wo kein Mangel an bezahlter Arbeit herrscht, ist dort aber weniger bedrohlich, denn die jungen Leute haben dann mehr Gründe, sich zu besinnen – und weniger Zeit, um destruktives Verhalten in ausgewachsenen Subkulturen zu verfestigen.

Keine Frage: Damit möglichst viele Menschen gute Jobs und langfristige Perspektiven finden, muss der Privatsektor gedeihen. Sonst kann bezahlte Beschäftigung nicht im nötigen Ausmaß entstehen. Trotzdem wäre es falsch, die Zukunft der Jugend einfach dem Markt zu überlassen. Die Firmen sind nämlich nicht in der Lage, alle Ausbildungsaufgaben selbst zu leisen – und ebendeshalb gilt die duale Berufsbildung in Deutschland als vorbildlich.

Damit der Privatsektor gedeihen kann, müssen Schulen und Hochschulen auf das Berufsleben vorbereiten. Dann lohnt sich auch Bildung. Es ist Unsinn, Lehrpläne und Studiengänge zu entwerfen, ohne auf die Bedürfnisse der ökonomischen Praxis zu achten. Wer Bildungsstätten als Aufbewahranstalt für Heranwachsende missbraucht, vergeht sich an Jugend und Gesellschaft.

Menschen ohne Arbeit können sich grundsätzlich immer selbstständig machen. In der Tat gehen viele junge Leute in armen Ländern mangels Alternativen diesen Weg. Oft erreichen sie dabei aber nur mickrige Umsätze im informellen Sektor ohne stabile Perspektive. Ohnehin haben Menschen, die den Markt und seine Akteure schon kennen, bessere Chancen auf unternehmerischen Erfolg als berufsunerfahrene Menschen.

Eine weitere Alternative ist häufig die Migration. Während Jugendliche aus Ostdeutschland seit 1989 ohne weiteres abwandern können, ist das für ihre Altersgenossen in Entwicklungsländern viel schwieriger. Die reiche Welt hat ihre Grenzen geschlossen. Junge Schweden melden sich bereits in Meck­lenburg-Vorpommern, um ins Hotelfach einzusteigen. Jungen Senegalesen, Peruanern oder Bangladeshis steht dieser Weg nicht offen.