Informeller Sektor
„Die meisten von uns unterrichten aus Berufung“

Dieser Beitrag ist Teil einer Interview-Serie über Menschen, die in verschiedenen Ländern im informellen Sektor arbeiten, darunter ein Motorradtaxifahrer in Uganda, eine Haushaltshilfe in Indien, Fischverarbeiter in Mexiko, eine Straßenhändlerin in Kenia und eine Lastenträgerin in Ghana.
Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Ich heiße Julia Marko und bin Lehrerin. Ich habe an der Kenyatta University einen Bachelor-Abschluss in Englisch und Literatur gemacht.
Wo leben Sie?
Ich bin im Flüchtlingslager Kakuma aufgewachsen. Nach meinem Studium in Nairobi fand ich als Lehrerin keine Festanstellung; Geflüchtete wie ich bekommen kaum einen Job in Kenia. Also bin ich nach Kakuma zurückgekehrt und unterrichte nun dort an der Blue Light Prince Academy. Das ist eine geberfinanzierte Schule in Kalobeyei, einer Flüchtlingssiedlung nahe dem Lager Kakuma.
Wie sieht ein normaler Tag für Sie aus?
Ich stehe um fünf Uhr auf, manchmal früher. Vor der Arbeit mache ich den Haushalt. Um sieben Uhr packe ich mein Unterrichtsmaterial ein und nehme ein Motorrad zur Schule, sie liegt in der Nähe meines Zuhauses. Der Unterricht beginnt normalerweise um acht; die Zeit davor nutze ich, um meinen Tag zu planen. Dann kontrolliere ich, wer anwesend ist. Es sind auch Kinder dabei, die sehr schwierig sind oder Probleme zu Hause haben, und manchmal kommen sie nicht oder nur unregelmäßig zur Schule.
Offiziell endet der Unterricht um drei Uhr. Aber wenn es klingelt, ist meine Arbeit noch nicht getan. Nachmittags korrigiere ich Aufgaben, plane den Unterricht und berate Kinder mit Traumata oder anderen Problemen. Mein Schultag endet offiziell um fünf Uhr.
Meist unterrichte ich zwischen 45 und 60 Kindern, je nachdem, welche Klasse mir zugeteilt wurde. Die Klassenzimmer sind klein, aber wir machen das Beste daraus.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Situation?
Ich unterrichte gerne hier im Camp, weil ich weiß, welchen Einfluss Bildung auf das Leben von Menschen haben kann. Ich bin hier aufgewachsen und habe mit eigenen Augen gesehen, was Bildung bewirken kann. Das hat mich dazu inspiriert, Bildung zu nutzen, um etwas zu verändern. Das Camp ist multinational, ich komme also mit Kindern aus verschiedenen Hintergründen und aus unterschiedlichen Kulturen in Kontakt. Wir können viel voneinander lernen.
Ich mag meine Arbeit, aber sie ist herausfordernd. Die meisten Flüchtlingslehrer*innen werden wie Freiwillige bezahlt: Neben der Hilfe, die wir als Geflüchtete erhalten, verdienen wir 60 bis 70 Dollar im Monat. Trotzdem müssen wir sehr viele Kinder unterrichten und auf sie eingehen. Viele ältere Schüler*innen etwa haben keinerlei Bildungshintergrund; auch Sprachbarrieren sind ein Thema. Wir Lehrkräfte müssen Einzelnen viel Aufmerksamkeit schenken, denn nicht alle verstehen, worum es im Unterricht geht.
Leider erkennt die TSC die Camplehrer*innen nicht an, obwohl einige, wie ich selbst, an Unis und Hochschulen studiert haben. Ohne Unterstützung des TSC haben wir nicht die gleichen Privilegien wie kenianische Lehrkräfte – etwa bessere Bezahlung, Gesundheitsfürsorge und Wohngeld.
Was könnte Ihre Lage verbessern?
Ich denke, die Vereinten Nationen und die kenianische Regierung müssten gemeinsam dafür sorgen, dass Flüchtlingslehrkräfte anerkannt werden. Sie sollten sie in das nationale Bildungssystem einbeziehen und die Entwicklung des Lehrerberufs im Lager auf politischer Ebene fördern. Die meisten von uns unterrichten aus Berufung und werden immer wieder in diesen Job zurückkehren, trotz aller Herausforderungen. Fänden UN und Regierung eine gemeinsame Lösung, wäre das ein Katalysator für viele Geflüchtete, die sich für den Lehrerberuf interessieren.
Alba Nakuwa ist freie Journalistin aus dem Südsudan. Sie lebt in Nairobi.
albanakwa@gmail.com