Privatwirtschaft
Neue Energie für Investoren
Von Katharina Latif
Im Jahr 1997 sagten im Kyoto-Protokoll genau 37 Industrieländer und die Europäische Gemeinschaft zu, zwischen 2008 und 2012 ihre Emissionen um fünf Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Was als ambitionierte, konzertierte Aktion begann, ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem Trauerspiel verkommen.
Viele Vertragsstaaten werden ihre Verpflichtungen deutlich verfehlen und ziehen zum Teil drastische Konsequenzen: Kanada ist 2011 aus dem Protokoll wieder ausgestiegen, um Strafzahlungen zu umgehen. Andere Länder wollen sich über 2012 hinaus nicht mehr an neuen Klimaverpflichtungen beteiligen. Schon 1990 regulierte das Abkommen nur 33 Prozent der weltweiten Emissionen, heute sind es damit nur noch rund 15 Prozent.
Wegen der Weltwirtschaftskrise und der hoffnungslosen Überschuldung reicher Länder hoffen Regierungsvertreter bei UN-Klimaverhandlungen nun auf den Privatsektor. Mit Wirtschaftsvertretern selber haben sie dies bisher zwar noch nicht diskutiert. Beim letzten Klimagipfel 2011 in Durban, Südafrika, machten sie jedoch einen Schritt in die richtige Richtung und beschlossen die Gründung des „Green Climate Fund“ (siehe Kasten auf S. 286)
Dieser Fonds soll Finanz- und Risikotransferinstrumente entwickeln, die privaten Geldgebern und Investoren den Einstieg in die internationale Klimaschutzfinanzierung erleichtern. Er wird wird erstmals mit einer „Privatsektor-Fazilität“ ausgestattet werden, die den Dialog mit privaten Kapitalgebern intensiviert. Das war umstritten, ist aber nötig.
Attraktive Anlageobjekte
Einer der wichtigsten und besonders kapitalintensiven Bereiche der Klimafinanzierung ist der Ausbau erneuerbarer Energien (EE, siehe Kasten auf S. 294). Der Anteil erneuerbarer Energien ist in den vergangenen Jahren bereits drastisch angestiegen und wird im Zuge des Klimaschutzes auch weiterwachsen. Auch die weltweiten Investitionen in den Sektor sind entsprechend gestiegen. Betrugen sie im Jahr 2004 noch 54 Milliarden Dollar, waren es 2011 bereits nahezu fünfmal so viel (siehe Grafik). Bloomberg New Energy Finance (BNEF) erwartet, dass sie sich im Jahr 2030 auf 461 Milliarden Dollar belaufen werden – ein Wachstum von rund 30 Prozent zwischen 2015 und 2030.
Die Hauptinvestoren in EE sind neben Energieversorgern, Kommunen, Gemeinden und Banken auch institutionelle Investoren wie Stiftungen, Pensionskassen und Versicherer. Diese institutionellen Investoren müssen häufig langfristige Verbindlichkeiten bedienen und ziehen daher risikoärmere Investments vor. Dazu zählen vor allem Rentenpapiere, die meist von Staaten oder Unternehmen in der Form von Anleihen aufgelegt werden und langfristig stabile Einnahmen versprechen. Die Allianz beispielsweise hat etwa 90 Prozent ihres gesamten Portfolios in Rentenpapiere investiert, sechs Prozent in Aktien, zwei Prozent in Immobilien und zwei Prozent in andere Assetklassen – davon 0,3 Prozent in erneuerbare Energien.
Aus Sicht von Investoren aus der Privatwirtschaft, wie die Allianz als große Versicherung und Asset Manager einer ist, sind besonders Investitionen in EE-Technologien interessant. Sie unterstützen nicht nur die soziale und wirtschaftliche Entwicklung auch im ländlichen Raum, sichern den Zugang zu Energie und senken die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Sie sind auch vielversprechende Anlageobjekte: Zwar müssen während der Konstruktion – beispielsweise eines Energieparks – hohe Investi-tionen getätigt werden. Sind die Anlagen jedoch einmal in Betrieb genommen, liefern sie langfristig stabile Erträge.
Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation suchen Anleger nach solchen Investitionsmöglichkeiten. Staatsanleihen sind zuletzt unattraktiver geworden, da mit dem niedrigen Zinsniveau deren Renditen gesunken sind und vielen Investoren nicht mehr ausreichen. Außerdem fürchten sie eine mögliche Geldentwertung und die Unsicherheit an den Aktienmärkten. Sie ziehen deshalb Anlagen vor, die vom Finanzmarkt unabhängig sind, zugleich aber höher verzinst sind als Staatsanleihen und stabile Erträge versprechen – wie zum Beispiel Energieprojekte.
Investoren wägen Risiken ab
Auch für den Energiesektor gilt jedoch, dass Anleger die Erfolgschancen eines Projekts gut abwägen, bevor sie sich für eine Investition entscheiden. Folgende Punkte sind ihnen bei EE-Technologieprojekten wichtig:
– Investoren vergleichen die Risiken mit dem zu erwartenden Ertrag. Dabei müssen EE mit sogenannten Mainstream-Investitionen mithalten, also wettbewerbsfähig sein.
– Die Förderung, die das Projekt vom Staat bekommt, muss beständig und langfristig sein – denn das entscheidet über den Erfolg des Projekts. Dies ist Investoren besonders wichtig, weil sie sich bei EE-Projekten für reale, unbewegliche Anlagen entscheiden, die sie nicht einfach verlegen können, wenn sich die Bedingungen ändern.
– Bestimmte Technologien wie beispielsweise Offshore-Windkraft sind derzeit nur begrenzt versicherbar. Hier ist es für Investoren wichtig, dass der Staat einen Teil des Risikos übernimmt.
– Der Großteil der Klimafinanzierung soll in Schwellen- und Entwicklungsländer fließen, in denen Marktrisiken hoch sind. Dazu zählen instabile politische Bedingungen, unausgereifte Infrastruktur – wie fehlende Stromnetzanbindungen und Straßen –, schlechter Zugang zu geeigneten Standorten, ebenso wie möglicherweise fehlende Abnehmer für den produzierten Strom. Letztere müssen entweder eine gute Bonität haben oder Abnahmegarantien geben können.
– Auch ein sicheres regulatorisches Umfeld ist Anlegern wichtig. Unklare Regeln zum Einsatz und zur Bewertung von Kapital schrecken institutionelle Investoren ab. Dazu zählen bestehende oder geplante Vorgaben zu Anlagehöchstgrenzen, zu Risikokapitalbedarf (Solvency II), zu Buchhaltungs-Standards (IFRS) sowie zur Strukturierung der Assets.
– Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern mangelt es auf Regierungs-, Verwaltungs- und Projektebene oft an Erfahrung und Fachwissen. Wenn ein Windpark-Investor für den geplanten Standort keine Wartungsmannschaft findet, oder wenn die lokale Verwaltung die Genehmigungsverfahren unnötig verkompliziert, ist das ein zusätzliches Risiko.
Darüber hinaus birgt jedes Projekt eigene Risiken, die meist technologiespezifisch sind. Eine Biomasse-Anlage beispielsweise wird ineffizient, wenn sie nicht ausgelastet ist, etwa weil es nicht genug Rohstoffe gibt. Bei Wind- und Solarparks ist gute technische Wartung und Überwachung zentral. Und auch die Standortwahl spielt eine große Rolle – so ist beispielsweise Verschattung ein Risiko bei Investitionen in Solarenergie.
Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft
Internationale Klimaschutzfinanzierung durch private Investoren kann erfolgreich sein, denn gerade EE-Projekte bieten Investoren interessante Anlagemöglichkeiten. Sie sind jedoch noch relativ risikobehaftet. Um das zu ändern, müssen alle Akteure zusammenarbeiten:
– Die internationale Gemeinschaft muss verbindliche Klimaschutzziele vereinbaren und einen stabilen regulatorischen Rahmen für Investitionen in Klimaschutzprojekte schaffen.
– Nationale Regierungen müssen Marktrisiken beseitigen und Bedingungen schaffen, die Investitionen fördern. Der Green Climate Fund könnte beispielsweise Investoren in Schwellen- und Entwicklungsländern internationale Risikotransfer- und Absicherungsinstrumente zur Verfügung stellen. Aber auch die lokalen Behörden können solche Mechanismen schaffen.
– Private Kapitalgeber müssen sich das nötige Know-how aneignen, um erfolgreiche EE-Projekte zu planen und umzusetzen.
Nur wenn all diese Akteure an einem Strang ziehen, können sie die benötigten Summen aufbringen. Die Ausgestaltung des Green Climate Fund wird in den kommenden Monaten erarbeitet. Private Kapitalgeber haben große Hoffnung, dass er die Brücke zwischen Regierung und Privatsektor bauen kann.