Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Infrastruktur und Armut

„Leitungswasser ist Komfort“

Die ugandische National Water and Sewerage Corporation (NWSC) gilt als eines der besten öffentlichen Dienstleistungsunternehmen Afrikas. Der Betrieb versorgt mehr als 20 Städte in Uganda. Seit 1998 hat sich die Zahl der Wasseranschlüsse verdrei­facht. NWSC-Geschäftsführer William Muhairwe berichtet über seine Erfahrungen.


[ Interview mit William Muhairwe ]

Was hat zu Ihrem Erfolg beigetragen?
NWSC hat zahlreiche Verbesserungen eingeführt und kontinuierlich Schwächen beseitigt. Entscheidend dafür war eine gute und starke Unternehmensführung. Wir haben die Performance verbessert und Best Prac­tices etabliert. Außerdem haben wir stark in die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter investiert. Ein Unternehmen ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Deshalb achten wir auf ein motivierendes Arbeitsumfeld und schaffen Anreize, damit unsere Leute ihr Wissen optimal einbringen können. Wir führen außerdem einen fruchtbaren Dialog mit der Regierung und den Gebern und treiben so innovative Strategien voran. Wichtig ist auch die konstruktive Zusammenarbeit mit den Medien. Wir haben immer engen Kontakt zur Presse gehalten, weil wir wissen, dass unsere Hauptpartner – die Kunden und die Öffentlichkeit – uns nicht auf unserem Weg folgen können, wenn wir uns nicht den Medien öffnen.

Entwicklungsexperten streiten darüber, ob Wasserversorger privatisiert werden sollten oder nicht. Uganda hat die NWSC bewusst nicht privatisiert.

Die Frage lautet nicht „Privatisierung – ja oder nein?“Es geht um das Ergebnis und die richtige Strategie. Erfolg schert sich nicht um Ideologie. Er hängt davon ab, ob vernünftige Managementkonzepte wie Kundenorientierung, wirtschaftliche Effizienz, Förderung der Mitarbeiter, motivierendes Management oder sonstige Innovationen verwirklicht werden. Das können private ebenso wie staatliche Unternehmen. Es kommt auf das Arbeitsumfeld an. Es muss sorgfältig geprüft werden, wer was unter welchen Umständen am besten kann. Die NWSC ist diesen Prinzipien gefolgt, nicht zuletzt dank der Weltbank und anderen Geberorganisationen wie KfW und GTZ, die uns von Anfang an unterstützt haben.

Privatisierung war also nie eine echte Option?

Wir haben von 1997 bis 2004 in Kampala Erfahrungen mit zwei ausländischen privaten Firmen gesammelt. Sie waren für Wartung, Abrechnung und Gebühreneinzug zuständig und sollten die Wasserverluste reduzieren. Die erste Firma, ein deutsches Beratungsunternehmen, war nicht so erfolgreich wie erhofft. Der Vertrag wurde deshalb nicht verlängert. Der zweite Auftrag von 2002 bis 2004 ging an die französische Firma ONDEO. Aber sie selbst sah keinen Grund für eine Privatisierung. Den Großteil der Arbeit leisteten unsere eigenen Leute, unterstützt durch einige ausländische Mitarbeiter. Ein ONDEO-Experte sagte mir sogar: „Ich glaube nicht, dass Sie unser Knowhow brauchen: Sie haben fähige Leute, und wenn Sie Geld brauchen, können Sie zur Bank gehen. Wir sind keine Bank.“ Nach zwei Jahren wollten wir den Vertrag verlängern, aber sie waren nicht interessiert.

Es heißt, ONDEO wollte den Vertrag zu seinen Gunsten verändern und Sie hätten das abgelehnt.

Nun, sie sagten uns, wir seien ihrer Ansicht nach in der Lage, die Arbeit selbst zu machen. Und Investitionen dürften wir von ihnen nicht erwarten. Gleichzeitig wollten sie, dass wir im Fall einer Vertragsverlängerung ihre Provisionen verdoppeln. Aber niemand konnte diese zusätzlichen Ausgaben verantworten. Damit war das Thema vom Tisch. Tatsächlich kamen wir in einer Auswertung von ONDEOs Arbeit zu dem Schluss, dass eine Vertragsverlängerung nicht sinnvoll gewesen wäre. Wir informierten die Regierung und die Geber, dass wir unser eigenes Modell ausprobieren wollten – und sie sagten uns Unterstützung zu.

Abgesehen von finanzieller Hilfe – was erwarten Sie von Gebern?

Ich muss zugeben, ich hatte anfangs Probleme mit der GTZ. Sie bestand darauf, technische Hilfe nach ihrem Verständnis zu leisten: Ihre Experten sollten unseren Mitarbeitern sagen, was zu tun sei. Das war für mich nicht der richtige Weg. Wir hatten bereits 1800 Mitarbeiter, viele von ihnen mit deutscher Ausbildung. Wozu also zusätzliches Personal aus dem Ausland? Wir brauchten eine gesunde Mischung von materieller Infrastruktur und dazugehöriger technischer Unterstützung. Ich sagte deshalb der GTZ, sie sollten uns Computer geben, die erforderliche Software und ein oder zwei Leute zur Unterstützung, um das Projekt auf den Weg zu bringen. Es gab lange Diskussionen damals, aber schließlich sagte das deutsche Entwicklungs­ministerium: Okay, das ist es, was unser Kunde will, geben wir es ihm also. Heute unterstützt uns die GTZ enorm bei der Modernisierung von NWSC. Kurz: Wir erwarten von Gebern Flexibilität und Hilfe, die vom Empfänger bestimmt wird.

Was sind derzeit Ihre größten Herausforderungen?

Unsere Kundenzahl wächst schnell. Außerdem sind die Menschen zunehmend besser informiert und ihre Erwartungen wachsen. Wir müssen unseren Service weiter verbessern und deshalb unsere Mitarbeiter noch besser ausbilden. Finanzierung ist auch ein wichtiges Thema. Die Privatisierungsdebatte wurde von der Hoffnung genährt, der private Sektor würde Kapital bringen. Aber das war nicht der Fall. Weltweit ist es der Staat, der größere Investitionen in die Wasserinfrastruktur vornehmen muss. Das Problem ist, dass die Regierungen von Entwicklungsländern oft kein Geld haben. Deshalb muss über mögliche andere Finanzquellen diskutiert werden – ohne dabei die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Kunden zu verringern.

Der Staat muss also im Wassersektor involviert bleiben?

Ja. Der Betrieb kann zwar an Private delegiert werden. Aber wenn es um Investitionen in die Infrastruktur geht, ist Vorsicht geboten. Leitungsnetze müssen ja nicht nur ausgebaut, sondern auch erneuert werden, wenn sie alt sind. Ein privater Investor wird das Geld dafür nicht aufbringen, es sei denn er erhöht die Gebühren. Private Investoren interessieren sich in der Regel nicht für die sozioökonomische Lage der Bürger. Wenn die Gebühren trotzdem steigen, dann können die Armen, die wir erreichen wollen, sich das Wasser nicht mehr leisten.

Das könnte aber auch passieren, wenn nur der Betrieb privatisiert wird. Jedes ineffiziente Unternehmen könnte auf die Idee kommen, die Wassergebühren zu erhöhen.

Wie gesagt, Effizienz ist keine Frage von Privat- oder Staatsbesitz. Es gibt einige ausländische Privatunternehmen, die in Afrika und Asien Unheil anrichten. Sie arbeiten nicht gut. Wichtig sind qualifizierte Mitarbeiter. Man muss Anreize schaffen, die Besten zu gewinnen. In diesem Sinne waren die beiden Verträge mit ausländischen Firmen von 1997 bis 2004 durchaus hilfreich. Wir hatten dadurch Zeit, unser eigenes Knowhow zu erweitern und von den Privaten zu lernen. Wir haben zum Beispiel Leistungsanreize für alle unsere Zweigstellen in den von uns versorgten Städten eingeführt. Wenn die Manager dort gute Ergebnisse bringen, werden sie belohnt. Wenn nicht, bekommen sie nichts oder werden sogar bestraft. Qualitätssicherung ist nicht auf eine bestimmte Art von Unternehmen beschränkt.

Was unterscheidet Ihre Firma von einem „echten“ Privatunternehmen?

Private Unternehmen wollen Gewinne für ihre Anteils­eigner erzielen. Ohne Profit würden sie nicht arbeiten. Wenn wir dagegen Gewinn machen, geben wir ihn teilweise an unsere Mitarbeiter weiter und investieren den Rest ins System. Und kein Geld fließt aus der nationalen Ökonomie.

Einige Geber wollen Ihr Unternehmen umstrukturieren. Die Zentrale in Kampala würde zu einer Holding und wäre verantwortlich für das Leitungsnetz. Davon abgetrennt wäre der Betrieb durch die lokalen Zweigstellen. Was sind die Vor- und Nachteile?

Dieser Vorschlag war Teil der Privatisierungsdiskussion. Seitdem hat die Lage sich geändert. Wir arbeiten mit sogenannten „intern vergebenen Managementverträgen“: Wir nehmen für den Betrieb unserer Netze unsere eigenen Leute unter Vertrag – auf privatwirtschaftliche Weise. Die Diskussion um die Trennung von Infrastruktur und Betrieb ist zu simpel. Wir alle kennen das Ideal echter Autonomie: Vertrauen, Verantwortlichkeit, Engagement, Risikobereitschaft. Diese Fragen müssen wir diskutieren, um festzulegen, was in welchem Ausmaß voneinander getrennt werden soll. Wir dürfen uns nicht von ungeprüften Ideologien leiten lassen. Trennung um der Trennung willen bringt mehr Probleme als Lösungen für unsere Dienstleistung. Es geht nicht darum, wer verantwortlich ist, sondern wie Synergien genutzt werden können, um den Service für die Bürger zu verbessern.

Es gibt Pläne, NWSC an die Börse zu bringen. Würde das den Charakter des Unternehmens nicht stark verändern? Sie müssten dann auch an Ihre Anteilseigner denken.

Das stimmt, und deshalb ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Meiner Ansicht nach könnte der Betrieb der Leitungsnetze eines Tages an die Börse gehen, weil er tatsächlich profitabel geleitet werden kann. Aber mit Blick auf die Infrastruktur müssen wir das noch einmal überdenken. Es ist unmöglich, 40 Millionen US-Dollar für ein neues Wasserwerk zu leihen und dann Profit für die Anteilseigner zu erwarten. Selbst in Europa wird nur der Betrieb von Wasserversorgern an den Börsen gehandelt.

In Europa stellen mehr oder weniger effiziente öffentliche Institutionen sicher, dass private Wasserversorger ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und Wasser zu einem angemessenen Preis anbieten. Das ist in Afrika nicht unbedingt der Fall. Ist es unter diesen Bedingungen nicht zu riskant, selbst den Betrieb an die Börse zu bringen?

Man muss unterschiedliche Interessen abwägen. Auf dem Lebensmittelmarkt zahlt jeder das Gleiche für Tomaten, egal ob arm oder reich. Tomaten sind Tomaten, egal ob man mit dem Mercedes oder dem Fahrrad zum Markt fährt. Wo liegt also das Problem beim Wasser? Natürlich müssen wir berücksichtigen, dass Wasser ein elementares Gut ist, das schwer zu ersetzen ist. Aber das bedeutet nicht, dass wir sämtliche Regeln der Marktwirtschaft außer Acht lassen sollten. Und wir sollten nicht vergessen, dass die Armen etwa für Mobiltelefonie mehr Geld ausgeben als für Wasser. Wir müssen genauer untersuchen, wie wir die Armen am besten versorgen können.

Sie halten also nichts von einkommensabhängigen Wasserpreisen?

Unser jetziges Preissystem ist tatsächlich etwas ungerecht. Es gibt vier Preisgruppen: Die Wirtschaft zahlt mehr als öffentliche Institutionen. Es gibt außerdem einen Preis für Privathaushalte und einen für arme Leute, die öffentliche Zapfstellen benutzen. Die Bessergestellten subventionieren also diejenigen, die auf der sozialen Leiter weiter unten stehen. Unternehmen zahlen viermal so viel wie die Armen. Die Industrie könnte fragen: „Warum sollen wir mehr für Wasser bezahlen? Wieso sollen wir die Armen subventionieren, wenn wir zudem regelmäßig Steuern zahlen?“ Meiner Ansicht nach sollte Wasser so wie jedes andere Gut behandelt werden, wie Tomaten zum Beispiel. Wenn man glaubt, dass Leute sich dieses Gut nicht leisten können, dann muss man es subventionieren. Der Staat muss dafür einen Mechanismus finden, ob es sich nun um Wasser handelt oder um Tomaten. In einigen Ländern, in Südafrika zum Beispiel, zahlen die Armen günstigere Tarife. Diese Preise subventioniert aber der Staat, nicht der Wasserversorger.

Zivilgesellschaftliche Gruppen argumentieren, solange der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, soziale Sicherheit zu gewährleisten, seien die Versorger für bezahlbare Preise verantwortlich. Im Unterschied zu Tomaten gibt es keinen Ersatz für Wasser.

Aber das stimmt so nicht. Wir reden über Leitungswasser, und dazu gibt es Alternativen: Regenwasser, Brunnenwasser oder Quellwasser. Leitungswasser ist ein Komfort; es kommt direkt ins Haus. Meine Groß­eltern auf dem Land haben nie Leitungswasser gesehen. Sie haben andere Quellen genutzt. Für die Armen in der Stadt sieht es natürlich anders aus: Quellen und Brunnen können sie nicht nutzen, da das Wasser häufig verseucht ist. Ich sage immer, der arme Mann in Kampala ist der ärmste in ganz Uganda. Nur in diesem Fall ist es richtig, dass Leitungswasser tatsächlich Leben bedeutet.

Die Fragen stellte Tillmann Elliesen.

Als William Muhairwe 1998 als Geschäftsführer bei der National Water & Sewerage Corporation einstieg, stand das Unternehmen am Abgrund. Die insgesamt 1800 Mitarbeiter in der Zentrale und den Außenstellen fuhren jeden Monat 300 000 Dollar Verlust ein. Mehr als die Hälfte des aufbereiteten Wassers versickerte aus undichten Leitungen im Boden oder wurde geklaut. Die Weltbank, die bis dahin zusammen mit anderen Geberländern insgesamt über 100 Millionen Dollar für ugandische Wasserleitungen und Wasserwerke ausgegeben hatte, zog eine düstere Bilanz: Das Land am Viktoriasee verfüge über ausreichend Wasser, eine gute Infrastruktur und stimmige Gesetze, habe aber kein fähiges Management.

Muhairwe, damals Anfang 40, machte der Regierung ein Angebot: Wenn er das Unternehmen nicht in hundert Tagen aus dem Minus führe, könne sie ihn wieder feuern. Dafür forderte er von der Politik freie Hand. Seitdem verdreifachte sich der NWSC-Jahresumsatz fast auf umgerechnet 34 Millionen US-Dollar, die Wasser­verluste wurden von 51 Prozent auf 28 Prozent reduziert und die Zahl der jährlich neu installierten Wasser­anschlüsse verzehnfachte sich von gut 3000 auf 28 000.
Heute hat National Water gut tausend Mitarbeiter und versorgt über 20 größere Städte im ganzen Land. Auf tausend Wasseranschlüsse kommen nur noch sieben Angestellte, 1998 waren es 36. Muhairwe senkte Kosten, trieb Gebühren ein, verbesserte den Kundendienst und übertrug Außenstellen in zu versorgenden Städten mehr Verantwortung. Der Anteil der Rechnungen, für die das Unternehmen Geld kassiert, stieg von 60 Prozent auf 96 Prozent. 2006 machte National Water 2,5 Millionen Dollar Gewinn.

Das Unternehmen ist vollständig im Staatsbesitz, hält sich aber an privatwirtschaftliche Managementprinzipien: Kostendeckung, Kundenorientierung und leistungsbezogene Bezahlung der Mitarbeiter. Die GTZ begleitet die Reform des staatlichen Versorgers seit 2002 durch rechtliche, technische und institutionelle Beratung des Unternehmens und zuständiger Regierungsstellen.

Der Ruf von National Water ist heute so gut, dass öffentliche Versorger anderer Länder wie Kenia, Sambia, Tansania und neuerdings sogar Indien in Kampala um Rat fragen. 2005 richtete das Unternehmen eine eigene Abteilung dafür ein: NWSC External Services. (ell)