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Rechtspopulismus

Spaltende Pandemie-Reaktion

In seiner Reaktion auf Covid-19 zeigt sich die Wissenschaftsverachtung von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Es passt zu seinem Muster der Klimaverweigerung und aggressiven Desinformation. Der Rücktritt seines Justizministers Sergio Moro hat Bolsonaros Macht geschwächt.
Präsident Bolsonaro (rechts) hatte die Expertenmeinung von Gesundheitsminister Mandetta satt. Dieses Bild wurde vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Sommer 2019 aufgenommen. Eraldo Peres/picture-alliance/AP Photo Präsident Bolsonaro (rechts) hatte die Expertenmeinung von Gesundheitsminister Mandetta satt. Dieses Bild wurde vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Sommer 2019 aufgenommen.

Bolsonaro lehnt nachweislich ab, dass menschliches Handeln für die Klimaerwärmung verantwortlich ist und weigert sich, die Entwaldung im Amazonasgebiet als eine der Ursachen anzuerkennen. Jetzt vertritt er eine ähnliche Haltung angesichts einer der schlimmsten Pandemien, die die Menschheit seit einem Jahrhundert gesehen hat. Die Folge ist, dass Desinformation töten kann.

Seit Beginn der Krise verhält sich Bolsonaro gegensätzlich zu wissenschaftlichen Empfehlungen. In den Augen des Präsidenten, der die Krankheit mit einer „Erkältung“ oder „kleinen Grippe“ vergleicht, hat das Fortbestehen der Wirtschaft oberste Priorität. Er missachtet die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Abstandsregeln und Zuhausebleiben fordert, weil die Gesundheitssysteme es nicht leisten können, Millionen erkrankter Patienten gleichzeitig zu behandeln. Seine Rhetorik legt nahe, dass Vorsicht angesichts einer Infektionskrankheit unmännlich ist.

Bolsonaro hat in mehreren Ansprachen versucht, die Auswirkungen der Pandemie zu verharmlosen. Die Leute nennen das „Fehlinfodemie“. Glücklicherweise ist Brasilien wie die USA oder Deutschland eine föderale Republik. Die Gouverneure der Bundesstaaten haben beträchtliche Macht und reagieren verantwortungsbewusster als der Präsident. Ihre Ausgangsbeschränkungen wurden zudem von Bundesgesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta unterstützt – bis Bolsonaro ihn am 16. April entließ. Während die Beliebtheit der Gouverneure und Mandettas in Meinungsumfragen stieg, ist die von Bolsonaro gesunken. Inmitten einer globalen Pandemie ziehen die Brasilianer überwiegend den wissenschaftlichen Rat der populistischen Agitation vor.

Bolsonaro hat neben Mandetta noch andere Kabinettsmitglieder verloren. Ende April trat Sergio Moro, Minister für Justiz und öffentliche Sicherheit, zurück und beschuldigte den Präsidenten, die Polizeiarbeit auf verfassungswidrige Weise steuern zu wollen. Hintergrund war, dass Bolsonaro einen neuen Polizeipräsidenten ernennen wollte. Stattdessen führt die Polizei nun Korruptionsermittlungen gegen Bolsonaros Familie durch. Moro war vielleicht das wichtigste Kabinettsmitglied. Vor seinem Amtsantritt hatte er als Richter den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva wegen Bestechung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Obwohl der Fall Lula umstritten ist, genießt Moro den Ruf, sich für den Rechtsstaat einzusetzen, wovon Bolsonaro profitierte. Um ein Amtsenthebungsverfahren zu vermeiden, muss der Präsident jetzt neue Verbündete im brasilianischen Kongress finden.

Medizinische Behörden aus Brasilien und dem Ausland missbilligen die Fehlinfodemie des Präsidenten. Auch Politologen sind verwirrt. Der Mitautor des Bestsellers „Wie Demokratien sterben“, Steven Levitsky, erklärte: „Ich kann nicht sagen, ob die Entscheidung Bolsonaros, den einstimmigen Einschätzungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht zuzuhören, politisches Kalkül oder ein gewaltiger Fehler ist. Aber es ist erschreckend, wie ein politischer Führer das Leben von – im schlimmsten Fall – Tausenden seiner Bürger in Gefahr bringt.“

Weltweit verfolgen Rechtspopulisten, die an der Macht sind, derzeit einen von zwei Ansätzen. Einige, wie Narendra Modi in Indien oder Victor Orbán in Ungarn, nutzen die Pandemie, um ihre Macht auszubauen. Andere, wie Bolsonaro oder US-Präsident Donald Trump, verharmlosen diese Krise der öffentlichen Gesundheit. Keiner der Ansätze dient ihren jeweiligen Nationen. Spaltungen zu schüren, nützt nichts. Wir brauchen jetzt eine effektive und konstruktive Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg, um so viele Leben wie möglich zu retten.


Gilberto Scofield Jr. ist Direktor von Agência Lupa, der größten Faktenprüfungs-Agentur Brasiliens.
gilberto.scofield@lupa.news

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