Hochwasser
Strategischer Blick
Flutkatastrophen wie 2010 in Pakistan, der Tsumani 2011 in Japan oder das Mississippi-Hochwasser von 2011 verdeutlichen, dass konventionelle Deiche und dergleichen keinen ausreichenden Schutz bieten. Es ist vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz für das Hochwasser-Risiko-Management (Flood Risk Management – FRM) nötig. Das fordert eine gemeinsame aktuelle Publikation der Asiatischen Entwicklungsbank, des chinesischen General Institute of Water Resources and Hydropower Planning, der UNESCO und des World Wide Fund for Nature.
Umfassendes FRM setzt der Studie zufolge nicht nur auf bauliche Maßnahmen wie Deiche, Dämme, Flutbecken und Umleitungskanäle. Es gehe vielmehr darum, das gesamte Wassereinzugsgebiet zu berücksichtigen – auch über Ländergrenzen hinweg. Das ermögliche es, Risiken zu minimieren und durch integriertes Wasserressourcenmanagement sogar neue Entwicklungschancen zu nutzen.
Die Autoren fordern, sämtliche Flutrisiken müssten erfasst werden – von Schmelzwasser, Stürmen und steigendem Grundwasser bis hin zu gebrochenen Deichen. Sie betonen die Bedeutung von präventiver Raum- und Siedlungsplanung. Gefährdete Gebiete sollten am besten gar nicht bebaut werden. Die Studie empfiehlt zudem Vorwarnsysteme, Evakuierungspläne und Versicherungen sowie Entschädigungsfonds. Wichtig sei, ein Verständnis für das Gemeinwohl zu entwickeln, das unter anderem Umwelt- und Landschaftsschutz sowie Kulturgüter einschließt. Gutes strategisches FRM orientiere sich an vier Zielen, urteilen die Experten:
- der Reduktion von Risiken für Menschen und Siedlungen,
- der Reduktion von wirtschaftlichen Risiken,
- dem Schutz des Gemeinwohls und
- der Förderung von Ökosystemen.
Die Publikation betont die vielfältige Bedeutung von Flussauen. Sie dienen als Rückhaltebecken bei Hochwasser, sind ökologisch wertvoll, werden landwirtschaftlich genutzt und dienen als Naherholungsgebiete für Stadtbewohner. Deshalb dürften sie nicht zugebaut werden. Das Bewusstsein dafür müsse geweckt werden.
Gutes FRM ist nicht statisch, heißt es in der Studie weiter, sondern passe sich ständig neuen Erkenntnissen an. Es suche Antworten auf die Kernfragen: Was kann in Zukunft passieren? Welche Konsequenzen könnte das haben? Was ist wahrscheinlich?
FRM könne nicht isoliert betrieben werden, erklären die Experten, sondern sei immer Teil eines Gesamtsystems, das auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet sei. FRM müsse deshalb auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen verankert werden. Es sei sinnlos, Fluchtwege anzulegen, die nur im Falle einer Überschwemmung helfen. Sie müssten auch anderen Zwecken dienen. Ein nationales FRM könne zudem nur funktionieren, wenn es von überstaatlichen und lokalen Systemen unterstützt werde.
Die Studie identifiziert aufgrund internationaler Erfahrung unter anderem an Mekong und Donau mehrere Grundregeln für FRM, wie etwa:
- Es gibt keinen vollkommenen Schutz. Deiche können brechen, Evakuierungen misslingen. Deshalb gilt es, ein gewissses Maß an Fehlschlägen zu akzeptieren und Belastbarkeit zu fördern.
- Ein gewisses Maß an Hochwassern ist erwünscht, denn Flutflächen sind fruchtbar und beheimaten wertvolle Ökosysteme.
- Die Zukunft wird anders sein als die Vergangenheit. Klimawandel, veränderte Flächennutzung und andere Faktoren können das Hochwasserrisiko beeinflussen.
- Es kommt auf das gesamte Maßnahmenportfolio und nicht nur auf Einzelaktionen an.
- Begrenzte Ressourcen müssen effizient und fair eingesetzt werden. Die verwendeten Mittel müssen in einem sinnvollen Verhältnis zu Risiken und Chancen stehen.
- Die jeweilige Verantwortung von Staat, Wirtschaft und individuellen Bürgern muss klar sein, und alle Seiten müssen ihr in aktiven Rollen gerecht werden.
In der Fachwelt sind diese Prinzipien mittlerweile anerkannt, schreiben die Autoren. Die Umsetzung in die Praxis bleibe aber vielfach mangelhaft.
Tong-Jin Smith