EU-Nachbarschaft

Herausforderung Naturschutz

Im Südkaukasus ist die biologische Diversität besonders groß, doch viele Tier- und Pflanzenarten sind bedroht. Armut und politische Spannungen prägen die Region. Partner aus der EU unterstützen die Regierungen dabei, handlungsfähige Verwaltungen aufzubauen. Doch dortige Entscheidungsträger scheinen sich weniger für ökologische Probleme als für die ökonomischen Chancen zu interessieren, welche die neue Öl-Pipeline bietet.


[ Von Michael Schwartzkopff ]

Schon in der Antike galt der südliche Kaukasus als Hort gewaltiger Schätze – der Sage nach trieb die Suche nach dem Goldenen Vlies Jason und die Argonauten zu einer Fahrt in diese Region. Heute wecken Erdöl und -gas das Interesse internationaler Investoren. Gewaltige Vorkommen erstrecken sich vom Ostrand des Kaukasus durch das Kaspische Meer bis nach Russland, Kasachstan und Turkmenistan. Die 2005 fertiggestellte Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) hat den Südkaukasus folglich ökonomisch und geostrategisch aufgewertet.

Zu Sowjetzeiten erschloss ein Pipelinenetz im nördlichen Kaukasus dieselben Lagerstätten. Die tschetschenische Hauptstadt Grosny war eines der wichtigsten Raffineriezentren der kommunistischen Ära. Nach dem Ende der Sowjetunion und den darauf folgenden Kämpfen im Nordkaukasus war das westliche Interesse an einem alternativen Transportweg groß, der sowohl Russland als auch Afghanistan und den Iran umgehen sollte. Zwar schwelen auch im südlichen Kaukasus Konflikte – die sprachliche, kulturelle und religiöse Heterogenität ist hoch, und historisch haben willkürliche Grenzziehungen und Zwangsumsiedlungen Spannungen nur verstärkt. Dennoch führte aus Sicht der USA die einzige auf Dauer sichere Pipelinetrasse von Aserbaidschan durch Georgien in die Türkei. Auch für die EU ist der südliche Kaukasus ein wichtiger Transitkorridor.

Die neue Pipeline löste in Aserbaidschan einen Wirtschaftsaufschwung mit zweistelligen Wachstumsraten aus. Vor allem der Bausektor boomt. Auch Georgien bekommt dank Durchleitungsgebühren einen Anteil vom Devisenfluss ab. Dieses Land trägt indessen auch ein großes Risiko, denn die Pipeline führt durch ein tektonisch instabiles Gebiet und tangiert zudem schützenswerte Naturräume.

Der WWF (World Wide Fund for Nature) zählt den Kaukasus zu den weltweit bedeutendsten „Ökoregionen“, deren Biodiversität nicht nur besonders wichtig, sondern auch besonders gefährdet ist. Keine andere Ökoregion der gemäßigten Klimazonen weist solch eine Vielfalt an endemischen Pflanzen- und Tierarten auf. Allerdings gelten 700 höher entwickelte Pflanzen- und rund 50 Tierarten als bedroht. Zu den Ursachen gehören die zunehmende Überweidung, die illegale Abholzung von Wäldern, unkontrollierte Jagd und Überfischung. Nicht erst seit dem Ende der Sowjetunion treiben Armut und wirtschaftlicher Niedergang solche Praktiken an. Georgien erlaubt ohnehin ausländischen Investoren (vor allem aus Kasachstan, Russland und China) Wald abzuholzen.

Internationale Umweltverbände drängen in dieser Situation auf die Einrichtung von Naturschutzgebieten. Doch selbst wo zuständige Minister – wie etwa in Aserbaidschan – dafür ein offenes Ohr haben, stoßen solche Bestrebungen auf Widerstand. Besonders die ländliche Bevölkerung sieht Einkommens- und Entwicklungschancen bedroht. Und im kalten Winter braucht sie Brennholz, solange keine moderneren Heizsysteme zur Verfügung stehen.

Unterstützung für Reformen

Derweil befürwortet auch die EU stringentere Umweltpolitik. Ihre „Europäische Nachbarschaftspolitik“ (ENP, European Neighbourhood Policy) zielt darauf ab, den Anrainerstaaten der Union eine langfristige Perspektive wirtschaftlicher Entwicklung, politischer Stabilisierung und regionaler Integration zu bieten. Die EU unterstützt ihre Nachbarn bei der Verwirklichung von Reformen und stellt ihnen langfristig in Aussicht, an ausgewählten Gemeinschaftspolitiken und -programmen teilzunehmen. Die Kaukasusinitiative der Bundesregierung fußt ihrerseits auf solchen Gedanken.

Im vergangenen November unterzeichneten die drei südkaukasischen Staaten mit der EU Aktionspläne, die auf verschiedenen Feldern Schwerpunkte der mittelfristigen Kooperation festlegen. Dabei geht es vorrangig um Bildungs-, Justiz- und Gesundheitswesen sowie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Auf Drängen der EU wurde auch Umweltschutz aufgenommen, rangiert aber eher unter „ferner liefen“.

Als er mit der EU über den nationalen Aktionsplan verhandelte, erklärte Irakli Okruashvili, Georgiens Minister für Wirtschaftsentwicklung, sogar, die Ökonomie habe Vorrang vor der Ökologie. Aserbaidschans Regierung scheint sich auf ähnliche Weise mehr für sprudelnde Öleinnahmen als für Umweltbelange zu interessieren. Es gibt in allen drei Staaten des Südkaukasus bislang nur Ansätze von Umweltbewegungen, sonderlich schlagkräftig sind sie nicht. Auch die Umweltverwaltungen bleiben bisher schwach. Die zuständigen Ämter stehen in der ministeriellen Hierarchie meist weit unten, ihnen fehlen wesentliche Kompetenzen für Planung und Vollzug. Qualifizierte Mitarbeiter werden häufig von Privatunternehmen oder anderen Behörden abgeworben, denn Karriere kann man in der Umweltverwaltung kaum machen. Die wesentliche Expertise stammt deshalb in der Regel von internationalen Beratern oder Unterorganisationen der UN. Derweil herrscht an allen Ecken und Enden Mangel.

So kompensiert etwa die bessere Ausstattung der Wasserwirtschaftsverwaltungen nicht das Fehlen von Kläranlagen in Armenien und Georgien – und Geld für Infrastrukturinvestitionen ist nicht da. Abfallwirtschaftspläne, mit deren Entwicklung alle drei Staaten begonnen haben, lassen sich kaum umsetzen, da es an Deponien und Behandlungsanlagen weitgehend fehlt.

Dabei haben Umweltministerien und -behörden weitere wichtige Aufgaben. Früher galt überall im Kaukasus Sowjetrecht, das auf Befehl und Kontrolle setzte. Gebraucht werden stattdessen Gesetze, die in Anlehnung an EU-Richtlinien marktwirtschaftliche Anreize schaffen, damit Ökologie und ökonomische Expansion kompatibel werden. Entsprechend sollte nun jedes Kaukasusland ein Umweltrecht schaffen, das diesen Ansprüchen genügt.

Die Stärkung der Umweltverwaltung steht und fällt mit der Qualifizierung des Personals. EU-Partner setzen dabei auf „Twinning“ als wichtigem Instrument. Lang- und Kurzzeitexperten aus den Umweltverwaltungen eines EU-Mitgliedstaates sollen helfen, europäisches Recht in nationale Gesetze umzusetzen. Doch derlei scheitert bislang an der fehlenden Planungskompetenz der Umweltministerien.

Deshalb konzentrieren sich bilaterale Programme vorrangig darauf, Umweltbehörden überhaupt in die Lage zu versetzen, Problembereiche zu identifizieren und entsprechend konkrete Vorhaben zu formulieren. Seit November 2004 hat InWEnt in den Umweltverwaltungen der drei südkaukasischen Staaten in rund 20 Workshops und Seminaren an die 200 Teilnehmer über grundlegende Kenntnisse der europäischen Umweltpolitik und des Umweltrechts informiert. Auch wenn die politischen Prioritäten der Regierungen des Südkaukasus auf absehbare Zeit nicht auf Umweltschutz abzielen werden, dürften kompetente Mitarbeiter die Umweltverwaltungen auf Dauer stärken – und mithin wenigstens zum Teil dazu beitragen, bestehende Defizite auszugleichen.

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