PEGNet-Konferenz

Bildung für sozialen Aufstieg

Bildung ist ein bestimmender Faktor für Ungleichheit – und für ihre Überwindung. Sie kann sozialen Aufstieg ermöglichen und die Geschlechtergerechtigkeit verbessern. Die Politik muss für einen breiten Zugang zu Bildung sorgen und deren Qualität sicherstellen.
Junge Beniner sind zumeist schlecht auf den Beruf vorbereitet. Friseur, Schneider und Polsterei in Ouidah. kd Junge Beniner sind zumeist schlecht auf den Beruf vorbereitet. Friseur, Schneider und Polsterei in Ouidah.

Gute Bildung ist als Wachstumsmotor seit langem im Fokus der Entwicklungspolitik. Während die im Jahr 2000 verabschiedeten Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDGs) der UN noch auf höhere Einschulungsraten setzten, konzentrieren sich die 2015 nachgefolgten Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) auf die Verbesserung der Qualität von Bildung. Wo die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im Bildungsbereich groß ist, sollten bessere Bildungsmöglichkeiten vor allem für Mädchen geschaffen werden. Auch dieses Ziel war bereits Teil der MDGs.

Entscheidender Faktor ist auch, ob das Bildungssystem sozialen Aufstieg ermöglicht – oder im Gegenteil bestehende Verhältnisse zementiert. Wenn alle Kinder unabhängig von ihrem familiären Hintergrund die gleichen Chancen haben, ist die soziale Mobilität besonders groß. Nicht nur die schulische Leistung bestimmt, ob und wo ein Schüler nach der Grundschule weitermacht. Eine wichtige Rolle spielen beispielsweise auch Schulgebühren, die Entfernung weiterführender Schulen vom Wohnort und generell die finanziellen Möglichkeiten der Familie.

Fabian Könings von der Universität Jena und Jakob Schwab vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) haben weitere Faktoren identifiziert. Sie haben soziale Mobilität zwischen den Generationen in Indien, Peru, Äthiopien und Vietnam untersucht. Bildung dient ihnen als Indikator für sozialen Aufstieg.

Die Forscher haben den Einfluss von fünf Faktoren auf den Schulerfolg von Kindern untersucht:

  • die Zeit, die Kinder mit häuslicher und Erwerbsarbeit verbringen,
  • ihr Gesundheitszustand,
  • die Dauer ihres Schulwegs,
  • die Anzahl der Kinder in der Familie und
  • ihre kognitiven Fähigkeiten.

Alle diese Gründe haben mit Armut zu tun. Die Studie zeigt, dass Kinder aus armen Haushalten eine um ein Fünftel niedrigere Chance haben, eine weiterführende Schule abzuschließen, als Kinder aus durchschnittlichen Haushalten.

Der Hauptgrund dafür waren schlechtere kognitive Fähigkeiten der armen Kinder: Ihr Anteil an der schlechteren Schullaufbahn betrug 15 Prozent. Kinderarbeit beeinflusste die Schullaufbahn zu 12 Prozent und viele Geschwister zu acht Prozent.

„Bei Mädchen ist die soziale Immobilität etwas höher als bei Jungen“, sagte Könings auf der diesjährigen Konferenz des Poverty Reduction, Equity and Growth Networks (PEGNet) im Oktober in Cotonou, Benin. Zudem wirke sich die Anzahl der Kinder im Haushalt nur auf Mädchen aus. In einer überarbeiteten Version der noch unveröffentlichten Studie werden auch die Faktoren Kinderheirat und eigene Bildungsziele der Kinder mit einbezogen.


Ehrgeiz als Faktor

Leonard Wantchekon, der Professor an der Princeton University in den USA ist und die African School of Economics in Benin leitet, weist darauf hin, dass außer der ökonomischen Situation der Eltern noch weitere Faktoren die soziale Mobilität beeinflussen. Er untersuchte die Entwicklung innerhalb von drei Generationen in Benin, ausgehend von der ersten Generation, die überhaupt eine Grundschule besucht hat. Beispiel für sozialen Aufstieg fand er sowohl in der zweiten als auch in der dritten Generation.

Es gab auch Fälle sozialen Abstiegs. Oft lag das daran, dass Betroffene finanzielle und soziale Risiken vermieden hatten und deshalb Bildungs- und Berufschancen nicht nutzten. Weitere Gründe für niedrigeres Einkommen in der dritten Generation waren psychische Probleme, eine negative Lebenseinstellung und weniger Eigenständigkeit.

„Ziele und Anstrengungen spielen eine große Rolle“, betont Wantchekon. Er selbst ist das beste Beispiel für gelungenen sozialen Aufstieg: Sein Großvater gehörte zu der ersten Generation im Dorf, die eine Schule besuchte, sein Onkel war Manager bei der Eisenbahn, und er selbst brachte es zum Wirtschaftsprofessor an einer US-Eliteuniversität. Wantchekon vertritt die These, dass Schulbildung in der Großelterngeneration dazu führt, dass die Enkel sich ehrgeizige Ziele setzen und Risiken in Kauf nehmen.


61 Prozent ohne Schulbildung

Die Einschulungsraten in Benin sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen (siehe auch Janina Meister in E+Z/D+C e-Paper 2018/07). Die Mehrheit kommt allerdings nicht über die sechsjährige verpflichtende Grundschulbildung hinaus. Nur 16 Prozent der Mädchen und Jungen in Benin besuchen eine weiterführende Schule, und nur drei Prozent machen eine Hochschulausbildung. 61 Prozent der Menschen haben gar keine Schulbildung.

Andreas König, Landesdirektor der GIZ in Benin, kritisiert zudem, dass das Bildungssystem in dem kleinen frankophonen Land – wie in anderen Teilen Subsahara-Afrikas auch – nicht auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sei. Nur drei Prozent der weiterführenden Schulen seien Berufsschulen. Viele der Absolventen arbeiteten später im informellen Sektor. Große Herausforderungen bestünden in der Qualität dieser Schulen und darin, das Berufsbildungssystem zu finanzieren. Das UN-Ziel, niemanden zurückzulassen, sei in Benin schwer zu erreichen.

Vor allem Frauen und Mädchen haben es schwer. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im Bildungsbereich ist in weiten Teilen Subsahara-Afrikas groß, und so legt die Regierung von Benin schon seit den 1990er Jahren einen besonderen Schwerpunkt auf die Schulbildung von Mädchen. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem Aufklärungskampagnen, Weiterbildung von Lehrern im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit im Unterricht sowie spezielle Wettbewerbe und Preise für Schülerinnen.

Seit 2007 gibt es ein Programm, in dem Mädchen von Schulgebühren in weiterführenden Schulen nach der Grundschule (Klasse sieben bis zehn) befreit werden, seit 2010 ist es landesweit implementiert. Leonie Koumassa von der African School of Economics hat die Wirkungen des Programms untersucht und mehrere positive Effekte festgestellt: Deutlich mehr Mädchen wurden eingeschult, die Anzahl der Jahre, die Mädchen die Schule besuchen, nahm zu, und es gab weniger Abbrecherinnen. Zudem setzten Mädchen sich im Durchschnitt höhere berufliche Ziele.

Für überraschend hält Koumassa einen Nebeneffekt der Mädchenförderung: „Es gingen auch mehr Jungen zur Schule.“ Möglicherweise liege das daran, dass den Familien durch die weggefallenen Schulgebühren für Mädchen insgesamt mehr Geld zur Verfügung stehe. Die Gebühren liegen nach Angaben der Wissenschaftlerin je nach Region bei etwa 14 bis 30 Euro pro Jahr. Hinzu kämen Materialkosten. „Das ist für arme Familien viel Geld, vor allem, wenn sie viele Kinder haben.“

Allerdings traten auch deutliche Schwächen bei der Umsetzung der Bildungspolitik zutage. Die Regierung erstattete den Schulen zwar Mittel, die diesen wegen der Gebührenfreiheit für Mädchen fehlten – aber nicht in vollem Umfang und auch erst am Ende des Schuljahres. So entstanden finanzielle Engpässe für die Schulen. Außerdem führten die gestiegenen Schülerzahlen zu größeren Klassen. „50 Kinder pro Klasse sind keine Seltenheit“, sagt Koumassa. Die Lehrerzahl sei nicht erhöht worden, und es mangele auch an Räumen. Die Qualität des Unterrichts nahm insgesamt ab, und die Kinder erbrachten schlechtere Leistungen. Solche Probleme werden sich voraussichtlich angesichts des großen Bevölkerungswachstums in Benin noch verschärfen.

Koumassa fordert von der Regierung, die Umsetzung der grundsätzlich sinnvollen Mädchenförderung zu verbessern und unter anderem in Infrastruktur und Lehrerausbildung zu investieren. Sie betont, dass mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung auch andere Bereiche positiv beeinflusst, etwa die Gesundheit und Ernährung von Kindern. Letztlich wirkt sie sich, ebenso wie bessere Bildung, insgesamt positiv auf die nachhaltige Entwicklung eines Landes aus.


Katja Dombrowski ist Redakteurin von E+Z/D+C. Die im Text erwähnten Forschungsarbeiten sind bisher unveröffentlicht und wurden auf der Konferenz zum Thema „Verbesserung der Qualität von Bildung und Lernergebnissen in Entwicklungsländern“ des Poverty Reduction, Equity and Growth Networks (PEGNet) in Zusammenarbeit mit der African School of Economics (ASE) am 11. und 12. Oktober in Cotonou, Benin, vorgestellt.
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