Deutsche Politik
Maßstab des Ministeriums
Im Bundeskabinett ist das Interesse an der Zukunftscharta groß. Denn außer Gastgeber Müller beteiligten sich fünf weitere Mitglieder an der Großveranstaltung, in deren Rahmen das Dokument vorgestellt wurde: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtsminister Peter Altmeier, Arbeitsministerin Andrea Nahles, Umweltministerin Barbara Hendricks und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt.
Merkel begrüßte die Initiative Müllers und griff in ihrer Rede Themen der Zukunftscharta auf. Sie sagte, jeder Mensch weltweit habe das Recht auf ein Leben in Würde und bezog Flüchtlinge ausdrücklich mit ein. Sie fügte hinzu, das zeige, wie wichtig Frieden sei und dass es auch darauf ankomme, Fluchtursachen zu bekämpfen.
Die Zukunftscharta ist laut dem von Müller verfassten Vorwort ein „ein Referenz-Dokument, an dem wir uns alle messen lassen wollen“. Sie skizziert in acht Kapiteln die Lage der Welt und formuliert Ziele, die daraus folgen. Die Kapitelüberschriften lauten:
- Ein Leben in Würde weltweit sichern
- Natürliche Lebensgrundlagen bewahren und nachhaltig nutzen
- Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung verbinden
- Menschenrechte und gute Regierungsführung fordern und fördern
- Frieden schaffen, menschliche Sicherheit stärken
- Kulturelle und religiöse Vielfalt respektieren und schützen
- Innovationen, Technologien und Digitalisierung für den transformativen Wandel nutzen
- Die neue globale Partnerschaft und Multi-Akteurs-Partnerschaften für die Umsetzung entwickeln
Die Kapitel verweisen kohärent aufeinander. Sie bringen das Nachhaltigkeitsprinzip des Erdgipfels von Rio de Janeiro von 1992 auf den Stand der aktuellen Diskussion. Damals wurde festgehalten, dass künftige Generationen dieselben Chancen haben müssen wie die heute lebenden Menschen und dass alle Länder den gleichen Anspruch auf Wohlstand haben. In der Zukunftsagenda heißt es nun, Deutschland solle innovative Partnerschaften eingehen und fördern, um die Ziele zu erreichen.
Die Würdedes Menschen
Der Ausgangspunkt der Charta ist die Menschenwürde, die jedes Individuum im gleichen Maße besitzt und die weltweit geschützt werden muss: „Das erfordert vor allem die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit, die Überwindung von Hunger und Armut in allen ihren Formen, gerechte Bildungschancen, Gleichberechtigung der Geschlechter und eine umfassende Gesundheitsversorgung sowie wie eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“ Die Zukunftscharta hält fest, dass dafür funktionierende staatliche Institutionen und Rechtsstaatlichkeit nötig sind. Sie spricht sich für menschenrechtsbasiertes Vorgehen aus, das ausdrücklich benachteiligten Gruppen wie Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen zugute kommen soll.
Da nachhaltige Entwicklung ohne Frieden „nicht denkbar ist“, sollen Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung und Friedensarbeit gestärkt werden. Dabei wird auch ins Auge gefasst, dass Bürgerkriege häufig nur im internationalen Kontext zu verstehen sind: „Kein Land der Welt kann mit nationalen Maßnahmen allein wirksam gegen illegalen Handel mit Menschen, Waffen, Rohstoffen oder Drogen vorgehen.“ Um Gewalt vorzubeugen fordert die Zukunftscharta unter anderem:
- illegal akkumulierten Vermögen keine sicheren Häfen zu bieten,
- Rüstungsexporte restriktiv zu handhaben und
- die Flüchtlingspolitik „menschenrechtskonform und entwicklungsfreundlich zu handhaben“.
Solche Ansprüche stellt sie selbstverständlich auch an die deutsche und europäische Politik.
Laut Zukunftscharta ist ein menschenwürdiges Dasein an der von der Weltbank definierten Grenze der absoluten Armut (derzeit etwas mehr als die Kaufkraft von 1,25 Dollar pro Tag und Kopf) kaum möglich. Armut müsse in allen Dimensionen adressiert werden. Ausdrücklich fordert das Dokument zudem die Reduzierung von Einkommensungleichheit. Es weist darauf hin, dass weiterhin viele Menschen im ländlichen Raum Not leiden, dass das zunehmend aber auch in Städten vorkommt und zudem immer mehr Menschen in Ländern mit mittleren Einkommen betrifft. Darauf müsse die Politik reagieren.
Mehr als Wirtschaftswachstum
Um nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, befürwortet die Zukunftscharta „neue Zielgrößen jenseits des Bruttoinlandsprodukts“. Notwendig seien zudem „für alle Produktionsstandorte und entlang vollständiger Wertschöpfungsketten die Einhaltung verbindlicher Regeln und Standards“.
Die Zukunftscharta lässt keinen Zweifel daran, dass auch in Deutschland Wandel nötig ist: „Es bräuchte mehrere Planeten Erde, wenn auf dem jetzigen technischen Niveau allen Menschen ein Leben ermöglicht würde, wie es heute in Deutschland selbstverständlich ist.“ Verlangt wird der gesellschaftliche Wandel zu „nachhaltigem Produktions- und Konsumverhalten“. Deutschland müsse mit der Energiewende ein internationales Beispiel setzen. Das Dokument betont darüber hinaus, dass weltweit die Artenvielfalt, Wälder und Ozeane geschützt werden müssen.
Die Zukunftscharta hält fest, dass Religionen und Kulturen Weltbilder prägen. Die Verständigung darüber, an welchen Werten wir uns orientieren, sei kein Rand- sondern ein Kernthema der globalen Debatte über nachhaltige Entwicklung. Das Dokument spricht sich deshalb für intensiveren interreligiösen Dialog aus.
An der Ausformulierung haben große zivilgesellschaftliche Organisationen einschließlich Unternehmerverbände mitgewirkt. Engagement Global war am Erstellungsprozess beteiligt und wird sich, wie andere BMZ-Vorfeldorganisationen, künftig auf das Dokument berufen. Dazu wird es im nächsten Jahr vielfach Gelegenheit geben: „2005 wird das Entwicklungsjahr mit neuen internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung, internationalen Verhandlungen für ein Klimaprotokoll und einer deutsche G7-Präsidentschaft“, heißt es in Müllers Charta-Vorwort.
Hans Dembowski
Link:
Zukunftscharta: EINEWELT – Unsere Verantwortung.