G20
Nachhaltig überfordert?
Um eines vorweg zu sagen: Die G20 ist eine gigantische, unverzichtbare Kommunikations- und Konsensmaschine. Weltweit sind sicher 10 000 Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, aus Wissenschaft und Medien aktiv eingebunden. Es gehört zum Charme der G20, dass Länder mit unterschiedlichen Entwicklungsmodellen und -niveaus jenseits überholter Blockvorstellungen miteinander sprechen und zusammenarbeiten. Wer als Vorsitz ein gutes Narrativ setzt, kann wirksam werden, auch ohne dass es zu gemeinsamen Beschlüssen kommt.
Dennoch: Die G20 läuft leer, wenn die Vetomacht jedes Mitglieds zum kleinsten gemeinsamen Nenner führt und wenn die nationale Umsetzung kollektiver Beschlüsse über wechselnde Vorsitze hinweg nicht sichergestellt wird. Das Problem vergrößert sich, wenn viele Länder Wechsel an der Spitze oder politische Umbrüche erleben. Fast die Hälfte der nach Hamburg geladenen Staats- und Regierungschefs waren noch nicht im Amt, als 2015 die Agenda 2030 beschlossen wurde. Zudem ist mehr als ein Drittel der G20-Länder von größeren politischen Krisen gezeichnet.
Die Gruppe darf aber nicht so funktionieren, dass einzelne Mitglieder oder kollektiver Gedächtnisverlust die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen verhindern. Wer redet noch davon, dass die G20 2014 in Brisbane beschlossen hat, den Unterschied bei der Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen bis 2025 um 25 Prozent zu verringern? Was passiert konkret zur Umsetzung der Selbstverpflichtung von Antalya (2015), den Anteil der jungen Menschen, die am stärksten Gefahr laufen, dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu sein, bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren? Was wird aus dem 2016 in Hangzhou bekräftigten Bekenntnis zu wirksamer Bekämpfung des Klimawandels?
Vielleicht ist es Zeit für eine G20 der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Es gibt Aufgaben, die nur bei Mitgehen aller funktionieren, etwa die Bankenregulierung. Aber es gibt auch Bereiche, in denen Teilgruppen einen Unterschied machen können, zum Beispiel Ungleichheit und Teilhabe, Klima und Ozeane. So könnte in der G20 ein Lernprozess zum Umbau von Kohlerevieren vereinbart werden. Als Gruppe könnte die G20 solche Initiativen anerkennen und ihnen einen Rahmen geben.
Die Agenda 2030 bietet sich für eine solche variable Umsetzungsgeometrie an. Bislang erschweren allerdings konzeptionelle und institutionelle Pfadabhängigkeiten neue Schritte. Zu viele Regierungen und Arbeitsstränge sehen die Agenda 2030 als ein Programm für ärmere Länder und blenden ihre Universalität aus. In der Folge kommt es zu einem verengten Verständnis von gemeinsamem Handeln, das sich nur auf Dritte, nicht aber auf die G20-Länder selber bezieht.
Institutionelle Strukturen verstärken diesen Ansatz. Zwar wurde das Mandat der Entwicklungsgruppe der G20 (Development Working Group - DWG) um die Stärkung und Koordinierung der G20-Rolle bei global nachhaltiger Entwicklung erweitert. In ihrer Zusammensetzung aber bleibt die DWG weithin durch traditionelle Entwicklungsagenturen geprägt und hat Mühe, ihre neue Rolle anzunehmen. Gleichzeitig scheuen Abteilungen der Fachministerien eine Koordinierung durch die DWG, weichen oft der Umsetzung der Agenda 2030 in den G20-Ländern selber aus und lagern sie in die Zusammenarbeit mit ärmeren Ländern aus.
Wenn Hamburg diesen gordischen Knoten nicht lösen kann, sieht es schlecht aus für die Rolle der G20 bei der Umsetzung der Agenda 2030. Deren Universalität muss bekräftigt werden, kollektive Maßnahmen der G20 müssen auch die Umsetzung in den G20-Ländern fördern. Die DWG muss sich für ihre erweiterte Rolle neu aufstellen und Kohärenz über die Arbeitsstränge der G20 fördern. Die G20 muss Wege finden, die Umsetzung der Agenda auch dann voranzutreiben, wenn nicht alle Mitglieder immer von Anfang an dabei sind.
Adolf Kloke-Lesch ist geschäftsführender Direktor des deutschen Sustainable Development Solutions Network (SDSN Germany), eines Netzwerks von Wissensorganisationen.
kloke-lesch@sdsngermany.de
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Sustainable Development Solutions Network (SDSN Germany):
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