Entwicklung und
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Arbeitsrecht

Unerreichbare Ziele

Beim Palmöl ist Indonesien Exportweltmeister. Der Rohstoff ist das zweitwichtigste Exportprodukt des Landes. Doch den Arbeitern auf den Palmölplantagen werden die grundlegendsten Rechte verweigert. Sie müssen mit niedrigen Löhnen, unrealistischen Zielen und arbeitsbedingten Risiken zurechtkommen. Besonders benachteiligt sind die Frauen. Die Palmölindustrie ist zudem mit Fragen des Landrechts, Umweltproblemen und Korruption konfrontiert.
Arbeiter bei der Ernte von Palmfrüchten. Oelrich/picture-alliance/dpa Arbeiter bei der Ernte von Palmfrüchten.

Sumatra galt einmal als die üppigste und grünste Insel Indonesiens. Aber ein großer Teil des Regenwaldes wurde zu Plantagen umgewandelt. Auf der sechstgrößten Insel der Welt werden Kautschuk, Rohrzucker, Soja, Kaffee, Kakao, Bananen, Ananas, Reis und vieles mehr produziert. Die Palmölplantagen bestimmen die Landwirtschaft immer stärker, denn aufgrund einer hohen Nachfrage schwenkten viele Kautschuk- und Kakaoproduzenten zu Ölpalmen um.

Die Plantagenarbeiter müssen mit harten Bedingungen zurechtkommen. Sie müssen jeden Tag eine bestimmte Menge von Palmfrüchten ernten – verfehlen sie das Ziel, wird der Lohn gekürzt. „Es ist einfach nicht machbar“, sagt ein Arbeiter, den wir Alpha nennen, bei einer Veranstaltung des Legal Aid Institute in Jakarta. Der Mann möchte nicht seinen richtigen Namen preisgeben, denn öffentlich über seine Arbeitsbedingungen zu sprechen, könnte ihn den Job kosten. Sein Chef darf auch nicht erfahren, dass er einer Gewerkschaft beigetreten ist. Das Legal Aid Institute unterstützt diese Organisation. Die Gewerkschaft kann allerdings nicht effektiv arbeiten, weil viele Mitglieder ihre Mitgliedschaft geheim halten.

Die Koalition der Palmölarbeiter, ein Netzwerk verschiedener Organisationen, fordert die indonesische Regierung auf, allen Arbeitern – auch Tagelöhnern – grundlegende Arbeitsrechte zu garantieren, das Wohl der Arbeiter über die Interessen der Investoren zu stellen und besonders verletzliche Gruppen wie Frauen und Kinder gegen Diskriminierung zu schützen. Um den Job überhaupt machen zu können, musste Alpha zwei Millionen Rupiahs (143 Euro) – mehr als sein Monatseinkommen – in seine Arbeitsausrüstung investieren, darunter Handschuhe, eine Schubkarre und eine Machete. Offiziell verdient Alpha monatlich 2,3 Millionen Rupiahs (154 Euro), was dem Mindestlohn in Nordsumatra entspricht. Aber oft bleibt nur die Hälfte davon übrig. Denn am Monatsende werden ihm „Strafgelder“ abgezogen, wenn er die tägliche Erntequote verfehlt, unreife Früchte geerntet oder Früchte beschädigt hat. Für jede heruntergefallene und auf der Plantage zurückgelassene Palmfrucht muss er 2500 Rupiah (17 Cent) Strafe zahlen. Alpha sagt, er sei froh, wenn er am Ende 60 Prozent seines eigentlichen Lohns erhalte.


Kinderarbeit

Alpha sagt, ohne die Hilfe seiner Frau und seiner Kinder könne er das Ernteziel von zwei Tonnen pro Tag nicht erreichen. Sein Lohn ist das gesamte Familieneinkommen. Seine Frau kann keine andere Arbeit annehmen, denn die Familie ist schon acht Stunden am Tag damit beschäftigt, gemeinsam die zwei Tonnen Palmfrüchte zu ernten. Die Menge entspricht etwa 80 Trauben, jede Traube wiegt 25 Kilogramm.

Alle Arbeiter auf den Palmölplantagen brauchen helfende Hände, um das Ernteziel zu erreichen, und meistens werden sie von ihren Frauen und Kindern unterstützt. Aber weder die Helfer noch Überstunden werden extra bezahlt.

Frühmorgens beginnen ganze Familien ihre Teamarbeit auf den Plantagen. Die Frauen und Kinder sammeln heruntergefallene Früchte auf und bringen sie mit Schubkarren die lange unbefestigte Straße hinunter zur Ölmühle, wo die Früchte gewogen und verarbeitet werden. Erst abends kehrt Alphas Familie heim zum Essen und Schlafen, um sich sogleich wieder auf einen neuen Arbeitstag vorzubereiten. Auch Babys werden mit auf die Felder genommen, weil sie sonst keine Betreuung haben.

Die Arbeit erfordert viel Körpereinsatz. Palmölplantagen sind riesig, und nicht alle Früchte können gleichzeitig geerntet werden. Oft müssen die Arbeiter kilometerweit laufen, um zu den Erntegebieten zu gelangen. Zehn Kilometer Fußmarsch sind keine Seltenheit. Ausgewachsene Ölpalmen sind bis zu 16 Meter hoch. Nur noch wenige Indonesier können auf die traditionelle Art die Palmen hinaufklettern, indem sie sich mit Armen und Beinen hochziehen.

Weil es keine Toiletten auf den Plantagen gibt, müssen sich die Arbeiter in der Wildnis erleichtern. Vor allem für Frauen und Kinder ist das gefährlich. Alpha berichtet, kürzlich seien zwei Frauen an einem sumpfigen Flussbett von Krokodilen angegriffen worden.


Frauen in Gefahr

Nach Angaben von Renata Sandhi von der Organisation OPPUK, die sich für die Förderung sozialer Unternehmen einsetzt, ist die Plantagenarbeit für Frauen viel gefährlicher als für Männer. Sie sind geschlechtsspezifischen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sowie der Gefahr, auf den weitläufigen Plantagen sexuell belästigt zu werden. Vor allem während der Schwangerschaft birgt die Plantagenarbeit hohe Risiken.

Die Frauen helfen nicht nur bei der Ernte. Sie haben auch spezifische Aufgaben wie die Düngung der Ölpalmen. Dazu müssen sie 18 Kilogramm schwere Düngemittelbehälter über die Plantagen schleppen. Oft müssen Frauen auch Pflanzenschutzmittel versprühen, wodurch sie und ihre Kinder giftigen Chemikalien ausgesetzt sind. Zwar sind die Frauen angehalten, Atemmasken, Schutzkleidung und Handschuhe zu tragen. Aber die Vorschriften werden nicht streng umgesetzt. Die Arbeiter müssen ihre Schutzkleidung selbst bezahlen, weshalb viele darauf verzichten. Kinder haben in den allerwenigsten Fällen Schutzausrüstung.

OPPUK fordert, dass kein zusätzliches Land für die Palmölproduktion freigegeben wird. Die Organisation verlangt aber nicht, bestehende Plantagen wieder in Regenwald umzuwandeln. Sie unterstützt die Koalition der Palmölarbeiter und setzt sich dafür ein, dass deren Kinder zur Schule gehen.


EU-Exportbeschränkungen

Der Preis für rohes Palmöl ist in den vergangenen Jahren gesunken. Die Europäische Union will die Einfuhr von Palmöl aus Gründen des Umweltschutzes beschränken, was den Interessen von Investoren einen leichten Dämpfer verpasst hat. Indonesien und Malaysia bezeichnen die Politik der EU als diskriminierend. Wenn die EU eine bindende Richtlinie dazu erlässt, wollen die beiden Länder die Welthandelsorganisation (WTO) einschalten.

In Südostasien wächst derweil die Nachfrage nach Palmöl zum Kochen. In Indonesien scheinen Investoren, Regierung und Arbeitsorganisationen an einem Strang ziehen zu wollen, um eine Balance zwischen dem Wohlergehen der Menschen, den Profiten der Investoren und den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes hinzubekommen.

Die Indonesische Palmölvereinigung rief vor kurzem zu einem neuen Ansatz bei der Frage des Land- und Produktionsbesitzes auf. Sie schlug zwei Modelle für Entwicklungspartnerschaften vor, um Plantagen auf dem Land traditioneller Gemeinschaften anzulegen. Im ersten Modell würden die traditionellen Gemeinschaften ihre Plantagen als kommunale Kooperativen bewirtschaften. Im zweiten Modell würden die Mitglieder der traditionellen Gemeinschaften als Arbeiter agieren, die Anteile an der Firma erhalten. In beiden Fällen verblieben die Landrechte bei den traditionellen Gemeinschaften.

Bislang jedoch sind die Arbeiter quasi rechtlos. Derzeit arbeiten rund 40 Prozent der 255 Millionen Einwohner Indonesiens im ländlichen Agrarsektor. Das Schicksal landloser Tagelöhner betrifft nicht nur die Plantagen. Ob ihre Stimmen – und die von Umweltaktivisten – gehört werden, wird davon abhängen, wie gut die Regierung ihre Regeln und Gesetze durchsetzt.


Edith Koesoemawiria ist freie Journalistin.
hidayati@gmx.de