Militäreinsätze

"Wenn die französische Armee abzieht, bricht Mali zusammen"

Frankreichs Militär engagiert sich in vielen ehemaligen Kolonien in Westafrika. Der Einsatz der ausländischen Truppen, etwa im Kampf gegen den Terrorismus, ist hochwillkommen. Mohamed Gueye, Chefredakteur der senegalischen Zeitung Le Quotidien, gibt eine Einschätzung der Situation.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besuchte im Mai Einheiten der Operation Barkhane in Gao, Nordmali. picture alliance/abaca Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besuchte im Mai Einheiten der Operation Barkhane in Gao, Nordmali.

Frankreich hat mehrere Militärstützpunkte in Westafrika und interveniert in Konflikten in der Region. Liegt das an den Verbindungen aus der Kolonialzeit?
Hauptsächlich ja, aber nicht nur. Französische Soldaten sind in der Tat in den ehemaligen Kolonien sehr aktiv. Frankreichs Expräsident Nicolas Sarkozy schreckte ja noch nicht einmal davor zurück, Bomben auf den Präsidentenpalast in Abidjan in Côte d’Ivoire zu werfen, um Alassane Ouattara an die Macht zu bringen. Aber die Franzosen haben auch Truppen aus dem Senegal und von ECOWAS (Economic Community of West African States) dabei unterstützt, Präsident Yahya Jammeh in Gambia zu stürzen.

Inwieweit trägt das französische Militär zur Stabilisierung der Regierungen bei – vor allem in Mali und Côte d’Ivoire?
Wenn die französischen Truppen heute aus Mali abziehen, bricht das Land morgen zusammen. Operation Barkhane, Frankreichs Militäroperation in der Sahelzone, hat nicht nur den Vormarsch der Dschihadisten in Nordmali gestoppt, sondern auch die Regierung gerettet. Diese leidet unter Korruption und Vetternwirtschaft und hat wenig dafür getan, das Vertrauen der Menschen im Norden des Landes zu gewinnen und die Truppen auf Vordermann zu bringen. Oppositionsparteien vermuten, dass der Präsident Scharia-Gesetze eingeführt hätte, um radikale Islamisten auf seine Seite zu ziehen, wenn Frankreich es nicht verhindert hätte. In Côte d’Ivoire ist Frankreichs Präsenz momentan auch sehr wichtig. Präsident Ouattara wird nach Ende seiner Amtszeit 2020 nicht wieder antreten, und mehrere Kandidaten bringen sich bereits für seine Nachfolge in Stellung. Die Menschen hoffen, dass Frankreich verhindert, dass die Lage eskaliert und es wieder zum Bürgerkrieg kommt wie 2011, als Laurent Gbagbo und Ouattara um die Präsidentschaft kämpften.

Und wie effektiv ist Frankreichs Einsatz gegen den Terrorismus?
Das ist schwer zu sagen. Laut Bakary Sambe, einem senegalesischen Wissenschaftler, der den radikalen Islamismus erforscht, gab es in den vergangenen fünf Jahren mehr als 400 islamistische Angriffe in Westafrika. Neun von zehn scheiterten jedoch dank der Nachrichtendienste. Und in den französischsprachigen Ländern arbeiten diese Dienste Hand in Hand mit ihren französischen Kollegen.

Läuft die Zusammenarbeit zwischen französischen Soldaten und ihren afrikanischen Verbündeten ebenfalls gut?
Ja. Frankreich arbeitet problemlos mit der Armee im Senegal, in Côte d’Ivoire, Burkina Faso oder Mali zusammen. All diese Länder brauchen Frankreichs Unterstützung, um ihre Truppen einsatzfähig zu halten. In Mali bildet Frankreich den Großteil der Soldaten aus. Ziel ist, dass sie übernehmen können, wenn die Europäer sich eines Tages zurückziehen. Sogar in Kamerun, wo Boko Haram sehr aktiv ist, arbeitet Frankreich reibungslos mit den lokalen Truppen zusammen.

Wie sehen die Menschen in Afrika die Präsenz der europäischen Streitkräfte in ihren Ländern?
In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel verändert. Früher wurden die Europäer, vor allem Franzosen und Engländer, als Überbleibsel der Kolonialherrschaft betrachtet. Doch inzwischen sind viele andere Akteure in Afrika aufgetaucht: Chinesen, Araber, Türken, Inder und viele weitere. Jetzt haben die Afrikaner die Möglichkeit zu beurteilen, ob der Ausspruch Charles de Gaulles stimmt: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“

Inwieweit legt das französische Militär noch immer koloniale Attitüden an den Tag?
Wir leben im Zeitalter des Terrorismus, vor allem des islamistischen. Die französischen Soldaten treten sehr zurückhaltend auf. Man sieht sie in Abidjan kaum in der Öffentlichkeit, und wenn, dann nicht weit von ihrem Stützpunkt. Sie sind sehr vorsichtig. Sie wissen, dass sie in feindlicher Umgebung ein leichtes Ziel abgeben. Sogar in Bamako sieht man sie fast nie in der Stadt. Die Zeiten, als betrunkene französische Soldaten durch die Straßen Dakars, Abidjans oder Ouagadougous zogen und die lokale Bevölkerung belästigten, sind definitiv vorbei.


Mohamed Gueye ist Chefredakteur der Zeitung Le Quotidien im Senegal.
mgueye@lequotidien.sn

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