Kommentar
Keine Revolution
Selbstmorde von Mitarbeitern, skandalöse Arbeitsbedingungen und Streiks haben in den vergangenen Jahren die Firma Foxconn weltbekannt gemacht. Viele Konsumenten erfuhren, dass heißbegehrte Elektronikartikel wie Smartphones und iPads von dieser riesigen, namentlich bis dahin fast unbekannten Firma in China zusammengesetzt werden – und zwar weitgehend unabhängig vom Markennamen.
Foxconn ist ein taiwanisches Unternehmen und tut in der Volksrepublik nur, was viele ausländische Firmen tun. Sie lassen dort wegen der Kostenvorteile produzieren. Diese Vorteile beruhen unter anderem auf großen Produktionsmengen, relativ niedrigen Löhnen, straff organisierten Prozessen und geringer betrieblicher Mitbestimmung. Häufig geben Firmen wie Apple, HP oder Samsung nur noch das technische Design vor, stellen ihre Produkte aber selbst gar nicht mehr her. Sie verdienen aber in der Regel am meisten an den Waren – ob es nun Telefone, Computer oder auch Kleidungsstücke sind.
Im Februar war Foxconn wieder in den Schlagzeilen westlicher Zeitungen. Sie berichteten, die Firma plane die Gründung eines unabhängigen Betriebsrates in China. Andererseits hieß es aber, Foxconn weise nur medienwirksam auf ohnehin anstehende Wahlen für die übliche Betriebsgewerkschaft hin. Staatliche chinesische Medien wiederum betonten, es gehe um eine Weiterentwicklung bestehender Institutionen, nicht um eine radikale Neuerung.
Wer diese Meldungen verstehen will, muss zunächst das chinesische Gewerkschaftssystem kennen. Der Gesamtchinesische Gewerkschaftsverband (ACFTU) ist die Dachorganisation aller Gewerkschaften auf regionaler und betrieblicher Ebene. Diese sind nicht autonome Vereinigungen von Arbeitnehmern, sondern unterstehen im ACFTU der Kommunistischen Partei. Wie in anderen realsozialistischen Ländern spielte dieser Dachverband lange eine ganz andere Rolle als das Gewerkschaften in marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaften tun. Er war eher eine Institution der staatlichen Sozialpolitik als eine Interessenvertretung der Belegschaften.
Heute ist die Volksrepublik dem Namen nach noch sozialistisch, de facto aber durch und durch geprägt von privaten und staatlichen Wirtschaftsinteressen. Im Zuge der Ausdehnung der Privatwirtschaft und ausländischer Unternehmen sank in den 1990er Jahren der Anteil der Firmen mit Betriebsgewerkschaften. In den vergangenen zehn Jahren hat die chinesische Regierung sich aber wieder für die Schaffung von Betriebsgewerkschaften unter dem Dach des ACFTU eingesetzt – und zwar auch in ausländischen Unternehmen.
Die Rolle dieser Gewerkschaften ist ambivalent. Sie sollen einerseits die Arbeitnehmer im Sinne der Partei beruhigen und dem Management helfen, Betriebsabläufe zu sichern. Zugleich sollen sie aber die Interessen der Arbeitnehmer so wirksam vertreten, dass größere innerbetriebliche Konflikte vermieden werden.
Bei Foxconn gibt es seit 2008 eine Betriebsgewerkschaft. Sie ist aber bisher eher eine Marionette des Managements, das die Belegschaftsvertreter ernennt. Unter ihnen sind offenbar auch nur wenige Arbeiter. Das soll sich nun ein bisschen ändern. Die Betriebsgewerkschaft soll künftig stärker die Sicht der Belegschaft widerspiegeln. Es wird aber keine freie Nominierung der Kandidaten geben.
Es geht also um keine Revolution, sondern um eine kleine Verbesserung – und diese entspricht den Imageinteressen sowohl der chinesischen Regierung als auch der Markenunternehmen, für die Foxconn produziert. Beide Seiten wollen sicherlich auch die Unzufriedenheit der Arbeiter kanalisieren. Aus Regierungssicht ist eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte in den Unternehmen auch allemal besser als unkontrollierte Streiks oder gar die illegale Gründung autonomer Gewerkschaften.
Für die Konsumenten besteht indes kein Anlass zur Selbstzufriedenheit. Bislang boomt die Nachfrage nach elektronischen Geräten unabhängig von den harten Arbeitsbedingungen bei Foxconn. Wenn das so bleibt, werden stärkere Arbeitnehmerrechte in China bald Produktionsverlagerungen in andere Entwicklungsländer auslösen.
Doris Fischer hat an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für China Business and Commerce.
doris.fischer@uni-wuerzburg.de