Leserbriefe
Reaktionen auf Beiträge
Einseitig und irreführend
E+Z/D+C 2013/05, S. 216 f., Rigmar Osterkamp: Fehlschlag
Rigmar Osterkamp trägt leider eine Privatfehde mit dem „Basic Income Grant“ (BIG) in Namibia aus, seit die Projekt-Organisatoren vor ein paar Jahren ziemlich rüde auf seine erste Kritik reagiert haben. Das Thema garantiertes Grundeinkommen verdient aber eine differenziertere Behandlung. Die Idee ist nämlich besser, als die meist wohlsituierten Skeptiker und Spötter in Namibia wahrhaben wollen, die sich von der Berichterstattung in D+C/E+Z bestätigt fühlen dürften. Angesichts einer Arbeitslosenquote unter Jugendlichen von bis zu 50 Prozent ist es hingegen zynisch zu behaupten, dass ein garantiertes Grundeinkommen nur eine Art Hängematte für Arbeitsscheue sei. Regierungspolitikern, die zu festlichen Anlässen gerne französischen Champagner auf Staatskosten kredenzen und die neuesten C-Klasse-Modelle als Dienstwagen beanspruchen, stehen solche Sprüche schon gar nicht an. Ein Verdienst des BIG-Pilotprojekts war es, dass es die Diskussion über innovative Wege der Armutsbekämpfung förderte. Dass es dabei auch die Unterstützung des mit der Regierungspartei verbandelten Gewerkschaftsdachverbandes hat, bleibt im Artikel unerwähnt. Rigmar Osterkamps Statement, dass „die journalistische Berichterstattung wenig ermutigend“ sei, ist übrigens einseitig und irreführend. Er bezieht sich auf eine einzige Zeitung, die zudem nur einer privilegierten weißen Minderheit als Forum dient. BIG ist zwar kontrovers, stößt aber keinesfalls auf einhellige oder auch nur mehrheitliche Ablehnung, sondern auch auf ausdrückliche Zustimmung – nicht zuletzt auch in anderen, repräsentativeren lokalen Printmedien. Selbst in der Regierung finden sich Befürworter wie etwa der derzeitige Minister-präsident und designierte Nachfolger des Staatsoberhauptes. Das im Artikel bemühte Schlusszitat, dass es bei dem BIG „nicht um eine akademische Übung sondern um den Menschen“ gehen sollte, könnte sich der Autor selbst zu Herzen nehmen. Henning Melber, Upsala
Selbstversorgung ist möglich
E+Z/D+C 2013/04, S. 159 ff., Sandra Abild: Das Geschäft mit dem Land
Die Zukunft Afrikas wird die Landwirtschaft bestimmen. Wer die Armut bekämpfen will, muss die Landwirtschaft der lokalen Bevölkerung fördern. Obwohl es noch große Reserven an erschließbaren Agrarflächen gibt (in Afrika sollen sich 27 Prozent aller fruchtbaren Böden der Erde befinden), führen afrikanische Staaten jährlich Lebensmittel im Wert von 50 Milliarden Dollar ein. Sofern die Agrarflächen sinnvoll genutzt werden, könnten Millionen Jobs entstehen. Um die Abhängigkeit von der Einfuhr von Lebensmitteln zu verringern muss die Landwirtschaft produktiver werden. Die Ernährungssicherheit hat in Afrika aber nur in wenigen Ländern höchste Priorität. Die Regierenden erkennen nicht, dass die Landwirtschaft ein Schlüsselfaktor in der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Eine Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ist auch in Afrika möglich. Malawi und Ruanda haben es vorgemacht. Die Golfstaaten, China, Süd-korea, Russland und Indien sind die Wegbereiter des neuen Agrarkapitalismus zur Sicherung ihrer eigenen Nahrungsmittelversorgung. In den letzten Jahren haben Äthiopien, Sudan, Uganda, Mali – wo es immer wieder Hungerkrisen gibt – riesige Flächen an andere Staaten verpachtet. Seit 2009 sollen ausländische Firmen in Afrika insgesamt 45 Millionen Hektar Land unter Vertrag genommen haben – ein Gebiet viermal so groß wie die gesamte Waldfläche in Deutschland. Statt der ausreichenden Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln den höchsten Stellenwert beizumessen, laden die regierenden Eliten reiche Großinvestoren ein, Agrarflächen in ihren Staaten in großem Stil zu pachten. Afrikanische Bauern werden einfach vertrieben. Die Nahrungsmittelsicherung anderer Nationen auf heimischen Agrarflächen bekommt Priorität. Außerdem legen die großen brasilianischen Biotreibstoff- Produzenten Zuckerrohrplantagen in Afrika an. Sie brauchen neue Produktionsstätten und Absatzmärkte – oft mit negativen Folgen für die afrikanische Bevölkerung. Einerseits tritt Brasilien mit dem hehren Ziel an, in Afrika Armut und Hunger zu bekämpfen, aber gleichzeitig verschärft Brasiliens Ethanol-Produktion den Hunger und die Armut in diesen Ländern. Das Letzte, was Afrika benötigt, sind ausländische Inves-toren, die afrikanisches Land bestellen und die lokale Bevölkerung mit Hilfe einer korrupten Elite übervorteilen. Wenn eine Regierung verantwortlich und transparent handelt und die Interessen der lokalen Bevölkerung achtet, können Investitionen wertvoll sein. Die Verpachtung darf nicht auf Kosten von Menschenrechten (Vertreibung der Menschen von Grund und Boden), Umwelt und Sozialstandards gehen. Wenn Arbeitsstellen geschaffen, Technologie vermittelt und Infrastruktur gestärkt wird, profitieren die Menschen in der Region. Dies erfordert kluge und faire Staatsführung, die dafür sorgt, dass die Bauern an den Erlösen partizipieren. Volker Seitz, Botschafter a.D., Six Fours les Plages, Frankreich
Papst Franziskus
E+Z/D+C 2013/04, S. 174, Hans Dembowski: Italienischer Argentinier
In diesem Artikel haben Sie auf einer Seite wirklich das Wichtigste gesagt, alle relevanten Gesichtspunkte sind berücksichtigt. Ich werde mir den Artikel aufbewahren. Hans-Ulrich Bünger, Baiersbronn
Brutale Herrschaft
E+Z/D+C 2013/02, S. 76 f., Henning Melber: Koloniale Schatten
Sie argumentieren gut. Ihr -Artikel betrifft nicht nur Deutschland, sondern dient als Fallstudie für die Vergehen -europäischer Mächte in ihren Kolonien. Der Widerstand der Nama-Herero im heutigen -Namibia und die Maji-Maji--Rebellion im heutigen Tansania waren klare Beispiele dafür, dass Menschen sagten: „Wir wollen Freiheit.“ Ich danke Ihnen sehr für Ihre Bemühungen darum, dass Afrikaner für das Leiden unter der brutalen Kolonialherrschaft entschädigt werden. Sie wissen aber natürlich auch, dass Neokolonialismus ebenso skrupellos ist. Alles, was wir brauchen, ist fairer Handel und ein Europa, das nicht die Aus-plünderung afrikanischer Ressourcen schützt. Manyasi Daniel Katira, Nairobi
Papier ist geduldig
E+Z/D+C 2012/12, S. 480 f., Interview mit Gabriel Quijandría Acosta: „Ich hoffe das Beste“
Die Aussagen des peruanischen stellvertretenden Umweltministers zeichnen ein zu positives Bild. Das peruanische Parlament hat zwar die ILO-Konvention 169 zur Vorabkonsultation der Bevölkerung bei größeren Projekten, beispielsweise im Regenwald, beschlossen, es gibt aber noch keine Umsetzung. Die Umweltgefährdung in Peru ist drastisch: Über 60 Prozent des peruanischen Regenwaldes und über 50 Prozent des Andengebietes sind als Konzessionen an Konzerne vergeben für mögliche Produktion von Erdöl, Erdgas, Holzeinschlag, Gold, Kupferabbau et cetera. Das ist überlebensbedrohlich. Ein -kleines Beispiel: Am Ufer des Titicaca-Sees hat seit 1994 eine -staatliche russische Firma die Genehmigung, nach Erdöl zu bohren. Die Bevölkerung dort ist in großer Sorge. Informiert wurde sie nicht. Die Vorstellung der peruanischen Regierung, durch das Abkommen für einen internationalen Emissionshandel (REDD+) gäbe es Geld für die Inwert-setzung der Wälder und somit einen Schutz derselben, ist von den indigenen Organisationen Perus (AIDESEP) stark kritisiert worden. Sie haben Angst, mit diesem Programm vertrieben zu werden, da ihnen verboten wird, wie gewohnt zu fischen und kleine Felder zu bestellen. Papier ist geduldig, auch in Peru. Das große Thema -einer effektiven Raumordnung wird nicht angegangen. Heinz Schulze, Informationsstelle Peru e. V., Freiburg
Technokratische Sicht
E+Z/D+C 2012/12: Titelseite/Schwerpunkt: „Migration managen“
Der Begriff „Migration managen“ mag griffig klingen, suggeriert aber, dass es sich hierbei um eine Aufgabe handelt, die sich rein technokratisch bewältigen lässt. Zu dieser Sichtweise gibt es durchaus Gegenpositionen: Beim fünften Weltsozialforum für Migration versammelten sich im November 2012 rund 1800 Delegierte aus 50 Ländern in Manila. Dort forderten die Aktivisten einen umfassenderen Begriff von Entwicklung und statt dem „Management“ von Migration einen Ansatz, der ihre Rechte in den Mittelpunkt stellt. Stefan Rother, Arnold-Bergstaesser-Institut, Freiburg
Offene Fragen
E+Z/D+C 2012/12, S. 444, Sheila Mysorekar: „Regionale Märkte zählen“
Endlich hat die Weltbank jetzt (Ende 2012) ein Mittel gegen Hungersnöte in Afrika gefunden. Hurra! Allerdings wirft der Weltbank-Bericht viele Fragen auf:
1. Woher kommt nach 60 Jahren Entwicklungshilfepolitik der plötzliche Geistesblitz der Weltbank-Experten?
2. Viele Staaten südlich der -Sahara importieren für ihre Stadtbevölkerungen zunehmend Nahrungsmittel, zum Beispiel aus den USA und der EU. Wie sollen Kleinbauern ihre Produkte dann innerhalb -Afrikas exportieren? Oder -beschaffen ihre Regierungen die Nahrungsmittel aus dem Ausland, obwohl es zu Hause genügend Nahrung gibt?
3. Natürlich gibt es in vielen afrikanischen Staaten Dürre, Bürgerkrieg und Landminen. Sind diese Staaten aber flächendeckend betroffen? Das deutsche Fernsehen – beispielsweise ZDF-Journalistin Marietta Slomka – berichtete schon im Juni 2010, dass sogar Äthiopien allein den gesamten afrikanischen Kontinent bequem ernähren könnte. Wo war die Weltbank in den vergangenen Jahren?
Dass die Weltbank die eigentlichen Ursachen der Probleme in Afrika bisher nicht kannte, glaube ich einfach nicht. Anscheinend muss die Menschheit – wie im äthiopischen Sprichwort – so lange warten, bis das Ei von allein geht. Wenn Tatsachen derart verschleiert oder verdrängt werden, droht aus meiner Sicht geistiger und moralischer Rückgang. Kiros Abeselom, Köln
Es ist löblich, dass Sie dem Weltbank-Bericht zur Ernährungssicherheit in Afrika kritische Aussagen von Benjamin Luig gegenüberstellen. Denn die Weltbank hat eigentlich nichts Neues zum Thema zu sagen. Es sind die alten Rezepte gegen zunehmende Nahrungsunsicherheit. Luig nennt die Weltmarktorientierung der afrikanischen Landwirtschaft als einen der Gründe für die aufgeführten Probleme. Mindestens genauso wichtig finde ich allerdings den Hinweis auf das „Land-Grabbing“. Eva-Maria Bruchhaus, Köln
Erfahrungsgesättigte Analyse
E+Z/D+C 2012/10, S. 389 ff., Friedrich Kaufmann und Winfried Borowczak: „Politikwechsel“
Friedrich Kaufmann und Winfried Borowczak schildern unaufgeregt kritisch mit hoher fachlicher Qualität die Schwierigkeiten des Privatsektors in Mosambik. Es ist ein Jammer, dass die Gebergemeinschaft sich schwertut, diese Probleme offen gegenüber der Regierung zu thematisieren und eine sachgemäße Regelung von Interessenkonflikten einzufordern. Volker Seitz, Botschafter a.D., Six Four les Plages, Frankreich