Privatwirtschaft

Unternehmen Frieden

Nach gewaltsamen Konflikten brauchen Menschen Perspektiven, damit dauerhafter Frieden möglich ist. Der Privatsektor spielt gerade in Krisenländern eine enorme Rolle.

[ Von Stefanie Bauer ]

Armut und Gewalt bestärken einander: Armut steigert Gewaltrisiken, Gewaltkonflikte führen zu Armut. Eine starke Privatwirtschaft kann aus wirtschaftlicher Not entstehenden Spannungen vorbeugen. Geberländer fördern daher in entsprechenden Ländern marktwirtschaftliche Strukturen und privatwirtschaftliches Engagement.

Deutschland etwa unterstützt die traditionelle Seidenproduktion im nördlichen Afghanistan. So wird kulturelle Identität gestärkt und zugleich Armut bekämpft. Im afghanischen Chadara unterstützt die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) eine Fabrik, in der Tomatenpaste produziert wird. Auf diesem Weg trägt sie dazu bei, Einkommensmöglichkeiten zu verbessern und die lokale Wirtschaft zu diversifizieren. In Mazar und Imam Sahib, im Norden des Landes, hilft die GTZ, Märkte aufzubauen, in denen hauptsächlich Frauen Handel betreiben. Wirtschaftliche Entwick­lung bekämpft nicht nur Armut, sondern stabilisiert Konfliktregionen auch auf anderen Ebenen.

Ursache für Konflikte ist neben Grund- und Menschenrechtsverletzungen häufig wirtschaftliche Ungerechtigkeit: ungleiche Ressourcenverteilung, fehlende wirtschaftliche Teilhabe oder unbefriedigte Grundbedürfnisse bei Bevölkerungsteilen. Indem sozial gerechte und ökologisch-nachhaltige Wirtschaft gefördert und kleine und mittlere einheimische Unternehmen unterstützt werden, lassen sich soziale Spannungen reduzieren.

In Bangladesch gehören unausgewogene wirtschaftliche Entwicklung und soziale Ungleichheit zu den strukturellen Konfliktursachen, die zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Bekleidungsindustrie beeinträchtigen. Werden hier Sozialstandards eingeführt und Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, wirtschaftliche Teilhabe und faire Arbeitsbedingungen durchgesetzt, können diese Konflikte gemindert werden.

Spannungen durch Ungerechtigkeit

Eine starke Wirtschaft mit diversifizierten und effizienten Märkten, die alle Bevölkerungsteile einschließt, verringert – wie auch fairer Wettbewerb und bessere Arbeitsbedingungen – langfristig die wirtschaftliche Kluft in einer Gesellschaft. Auch können in einem Land so die Unabhängigkeit von Rohstoffen gestärkt und Konfliktursachen reduziert werden („Ressource Curse“).

Eine gesunde Wirtschaft bringt Einkommen und Beschäftigung und ebnet so den Weg in ein ziviles Leben. Gerade in Ländern wie Sierra Leone oder Angola brauchen junge Männer und Exkombattanten berufliche Perspektiven, damit es langfristig Frieden geben kann. Berufliche Weiterbildung und Trainings helfen dabei.

Konflikte zerstören nicht nur die Infrastruktur eines Landes, sondern auch soziale Beziehungen, Zusammenhalt und Vertrauen – und damit den Boden für unternehmerisches Handeln. Der Wiederaufbau wirtschaftlicher Beziehungen stärkt auch diese soziale Basis.

Wirtschaftsverbände und Unternehmen setzen sich oft selbst für Wiederaufbau ein – auch aus Geschäftsinteresse, weil unternehmerisches Handeln durch Konflikte teurer wird. Oft engagieren sie sich aber auch aus moralischer Überzeugung. Kolumbianische Unternehmer haben ihre Rolle im Friedensprozess erkannt: Sie beschäftigen ehemalige Guerillakämpfer und helfen so, Vertrauen wieder herzustellen. Beispiele sind auch die in Nepal von Unternehmensverbänden gegründete „National Business Initiative for Peace“ (NBI) und „Business Talks for Change“.

Mancherorts fördert auch der Handel über Grenzen hinweg Frieden. Afghanistan etwa könnte gut von engeren Wirtschaftsbeziehungen mit seinen Nachbarn profitieren. In den Grenzmärkten zu Usbekistan wird die Bevölkerung bereits in den Stabilisierungsprozess einbezogen, etwa durch Reduzierung der Zölle.

Für Wiederaufbau und langfristigen Frieden bedarf es funktionierender Institutionen. In Konflikten können Banken oder Dienstleistungsanbieter jedoch meist nur eingeschränkt agieren. Unternehmer sind aber auch auf diese angewiesen. Der Konflikt in Nepal etwa hatte massive Auswirkungen auf die staatlichen Regionalbanken. Auf Druck der Maoisten zogen sie sich in die Hauptstädte zurück. Die Landbevölkerung hatte kaum noch Zugang zu Fi­nanzdienstleistungen. Mikrofinanzinstitutionen, Kreditkooperativen und informelle Spargruppen wurden daher wichtiger und öffneten sich auch für untere Kasten oder landlose Arme.

Gerechtigkeit und Versöhnung

Damit Frieden einkehren kann, müssen Gerechtigkeit und Vertrauen in die Gesellschaft wiederhergestellt werden („Transitional Justice“). Neben Wahrheitskommissionen, Strafgerichten und Wiedergutmachungszahlungen müssen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Grundrechte gesichert werden. Der Ausschluss ganzer Bevölkerungsteile aus wirtschaftlicher Aktivität kann eine der Ungerechtigkeiten sein, die zu Konflikten geführt haben. In der Privatwirtschaft Nepals etwa besteht der Unternehmenssektor aus einer kleinen Elite, die weiter von der Konfliktlogik profitiert, und sämtliche Grundrechte verletzt. Die Mehrheit hingegen wird in ihrem unternehmerischen Handeln gehindert. Manche Unternehmen wollen Rechtssicherheit und bringen sich in Versöhnungsprozesse ein, andere blockieren den Prozess. Zur Wiederherstellung von Wirtschaftstrukturen müssen alle Konfliktparteien in die Versöhnungsprozesse einbezogen werden – auch die zu Zeiten des Konfliktregimes marginalisierten Bevölkerungsteile. In Sri Lanka versuchen Unternehmen durch die Einrichtung eines multiethnischen Versöhnungskomitees in­ne­rhalb der Handelskammer, den Dialog zwischen den Parteien zu stärken und so auch auf das Geschäfts- und Investitionsklima einzuwirken. Über Dialogforen, Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen wird in Nepal der Privatsektor eingebunden.

„Do no harm“

Wirtschaft kann Friedens- und Versöhnungsprozesse stärken, aber auch Konflikte schüren. Wirtschaftsförderung muss daher in den betroffenen Regionen aufpassen, dass sie nicht unbeabsichtigt eine Konfliktpartei fördert oder gar finanziert oder für neue Spannungen sorgt. Institutionen der Wirtschaftsförderung oder der Wirtschaft – wie etwa Verbände oder Kammern – könnten durch Kämpfe um Ressourcen, Macht oder Status geschwächt werden. Marktstrukturen schaffen Wettbewerbssituationen, die gerade auf lokaler Ebene explosiv sein können.

„Do no harm“-Ansätze gehen davon aus, dass Entwicklungshilfe Konflikte
beeinflusst. Wenn Geber vermeiden, durch Wirtschaftsentwicklung Spannungen neu aufflammen zu lassen, kann Wirtschaftsförderung entscheidend zum Frieden beitragen. Wirtschaftliche Entwicklung
– wirkt konfliktmindernd; selbst eine geringe Verbesserung der Lebensverhältnisse kann Gewaltbereitschaft in konstruktive Energie umwandeln,
– beseitigt Konfliktursachen, indem sie ungleiche Ressourcen-Verteilung mindert und Grundrechte sichert,
– reduziert soziale Spannungen,
– stellt verlorenes Vertrauen wieder her,
– erleichtert der Bevölkerung die Rückkehr ins zivile Leben, indem sie ihr Arbeit gibt,
fördert pluralistische Strukturen und Versöhnung, indem sie Menschen in Entscheidungsprozesse einbindet,
– kann zwischenstaatliche Beziehungen durch internationalen Handel stabi­li­sieren.

Die Entwick­lungszusam­men­arbeit kann dies durch integrierte Ansätze aus Friedenssicherung, Wirtschaftsförderung und Transitional Justice unterstützen.