Naturschutz
Invasive Arten bedrohen den Wald
Können Sie einen kurzen Überblick über die Situation der Wälder in Mauritius geben?
Natürlich. Bevor Mauritius vor rund 400 Jahren kolonisiert wurde, waren 90 Prozent seiner Landfläche von Wald bedeckt. Die Europäer, angefangen mit den Niederländern, haben den Wald abgeholzt, um das Holz zu nutzen und um Platz für Plantagen zu schaffen. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1968 wurden viele weitere Waldflächen gerodet, um den Anbau von Zuckerrohr auszudehnen, Mauritius’ wichtigstem landwirtschaftlichem Erzeugnis. Heute sind nur noch rund zwei Prozent des ursprünglichen Waldes erhalten. Insgesamt sind 17,2 Prozent der Landfläche bewaldet, aber hauptsächlich mit nichteinheimischen Arten. Leider nimmt der Waldanteil jedes Jahr um weitere 0,51 Prozent ab.
Was sind denn aktuell die größten Gefahren für Mauritius’ Wälder?
Die verbliebenen grünen Bereiche der Insel, vor allem entlang der Küste, sind von der Urbanisierung bedroht. Die Bevölkerung wächst, und die Menschen werden wohlhabender und wollen in ihren eigenen Häusern statt in Wohnungen wohnen. Daher werden viele neue Häuser gebaut. Aber die größte Bedrohung für den einheimischen Wald stellen invasive Arten dar.
Wie ist es mit dem Klimawandel? Wirkt er sich auch auf die Wälder aus?
Ja, die Niederschläge ändern sich und die Temperatur steigt. Wenn beispielsweise starker Regen zu früh im Jahr kommt, können die Blüten der Bäume abfallen, bevor sie bestäubt wurden. Dann können sie keine Samen produzieren und sich nicht verbreiten. Durch die gestiegenen Temperaturen ziehen sich Insekten in höher gelegene Gebiete zurück, was die Bestäubung negativ beeinflussen kann. Außerdem verlieren manche Pflanzen, die es gern etwas kühler mögen, Teile ihres Lebensraums. Die Trockenzeit ist zudem länger geworden: Wir haben jetzt große Trockenheit von August bis Dezember.
Stehen die verbliebenen Wälder in Mauritius unter Schutz?
Es gibt zwei Nationalparks und mehrere Naturschutzgebiete. Insgesamt sind 31 Prozent der bewaldeten Fläche geschützt. Andersherum bedeutet das, dass der Großteil der Wälder nicht geschützt ist – die Menschen können sie nach Belieben nutzen.
Was unternimmt die Regierung noch, um die Wälder zu schützen oder wieder aufzuforsten?
In den Nationalparks und Naturschutzgebieten findet eine gewisse Aufforstung statt, aber sie ist sehr begrenzt. Unsere Arbeit bei Ebony Forest ergänzt das, was der Staat tut. Er unterstützt uns zum Beispiel, indem er uns Setzlinge zur Verfügung stellt, die wir in unserem Aufforstungsprogramm nutzen können.
Ebony Forest wurde 2005 mit dem Ziel gegründet, „Mauritius’ Wälder zu retten“. Was machen Sie, um dieses Ziel zu erreichen?
Die Gründer, ein mauritisch-australisches Paar mit einer großen Liebe zur Natur, haben von ihrem privaten Geld 50 Hektar Land gekauft. Dieses Land verwandeln wir in einen Wald, der aus einheimischen Arten besteht. Bisher sind 17 Hektar wiederhergestellt. Unsere Hauptaktivität ist die Aufforstung. Dafür entfernen wir zuerst die invasiven Arten und pflanzen dann einheimische, zum Beispiel Ebenholzbäume, unsere Namensgeber. Es gibt elf endemische Ebenholzarten in Mauritius. Wir machen diese Arbeit seit mehr als zehn Jahren und haben seitdem 143 000 Pflanzen gepflanzt, hauptsächlich Bäume. 2018 war der Wald so weit, dass er einige Vögel aufnehmen konnte. Wir haben je 50 Exemplare von zwei endemischen Vogelarten ausgesetzt, dem Mauritiussittich und der Rosentaube. Die Tauben haben schon Nachwuchs bekommen. Die Vögel sind wichtig für den Wald, weil sie Samen verbreiten. Als nächstes wollen wir endemische Schnecken und weitere Vogelarten aussetzen.
Wieso legen Sie so viel Wert auf endemische Arten?
Das Ökosystem in Mauritius ist extrem empfindlich. Da die Insel so eine isolierte Lage hat, sind die endemischen Arten es nicht gewohnt, mit invasiven Arten klarzukommen. Manche der Pflanzen, die die Europäer nach Mauritius gebracht haben, wachsen sehr schnell und breiten sich in einem Maße aus, dass sie die einheimischen Arten komplett verdrängen. Heute sind 89 Prozent der endemischen Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Zwei invasive Arten bereiten uns im Ebony Forest besonders große Probleme: die Chinesische Guave und Tecoma-Bäume. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kolonisten auch Vögel aus Asien hergebracht haben. Darunter ist zum Beispiel der Rotohrbülbül, der die Guaven frisst und deren Samen verbreitet.
Ein anderer Teil der Arbeit von Ebony Forest widmet sich der Bildung und Aufklärung. Worum geht es da im Einzelnen?
Wir arbeiten mit Schülerinnen und Schülern, um ihnen den Wert der Wälder zu vermitteln. Sie besuchen mit ihren Lehrern zusammen Ebony Forest und nehmen hier an verschiedenen Aktivitäten teil. Zum Beispiel pflanzen sie Bäume, machen eine Schatzsuche oder lösen ein Rätsel in unserem Naturkundemuseum. Die Kinder sind unsere Zukunft – es ist sehr wichtig ihnen klarzumachen, wie bedeutsam der Wald ist. Die Menschen in Mauritius haben traditionell Angst vor dem Wald; sie fürchten sich vor bösen Geistern, die angeblich dort ihr Unwesen treiben. Aber in der jungen Generation ändert sich das. Wir nehmen ein wachsendes Interesse an Umwelt und Natur wahr. Wenn wir erreichen wollen, dass die künftigen Generationen dafür kämpfen, das Naturerbe des Landes zu beschützen, müssen sie es in einer Weise erfahren, die sie beeindruckt und die sich ins Gedächtnis einprägt. Kinder, aber auch Erwachsene, so wieder mit der Natur zu verbinden, ist unsere größte Herausforderung.
Auch Touristen können Ebony Forest besuchen und sogar selbst Bäume pflanzen. Dienen die touristischen Aktivitäten dazu, Geld für das Projekt einzunehmen?
Mit unserer Ökotourismus-Komponente wollen wir zeigen, dass Mauritius mehr zu bieten hat als schöne Landschaften und traumhafte Strände. Manche Touristen, die hierher kommen, haben überhaupt keine Ahnung von endemischen Arten. Ein Teil davon ist also Bildung. Aber das Hauptziel ist tatsächlich, mit dem Tourismus die Naturschutzarbeit zu finanzieren. Viele der Besucher sind so beeindruckt von unserer Arbeit, dass sie sie – zusätzlich zu dem, was sie für Touren und andere Aktivitäten bezahlen – mit Spenden unterstützen. Dieses Geld ist für unsere Naturschutzarbeit unverzichtbar.
Was ist das langfristige Ziel von Ebony Forest?
Wir wollen, dass der Wald ein Ökosystem wird, das sich selbst erhält, ohne dass der Mensch eingreift. Deshalb setzen wir Tiere aus, die Samen verbreiten und als Bestäuber wirken. Die neu aufgeforsteten Gebiete müssen drei bis vier Mal im Jahr von Unkraut befreit werden – das ist eine Menge Arbeit. Sobald ein geschlossenes Laubdach entstanden ist, wird das deutlich weniger, aber das dauert mehr als zehn Jahre. Wenn der Wald diesen Stand erreicht hat, wachsen nur noch einheimische Arten nach. Da wollen wir hinkommen.
Link
Ebony Forest:
www.ebonyforest.com
Nicolas Zuël ist Naturschutzmanager bei Ebony Forest.
nzuel@ebonyforest.com