Demographie

Familienplanung ist ein Frauenrecht

Mehr als 8 Milliarden Menschen leben mittlerweile auf der Erde. Und die Weltbevölkerung wächst weiter. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen bekommen Frauen viele Kinder. Abhilfe könnte eine nachhaltigere Familienplanung schaffen. Sie muss Frauenrechte einbeziehen und junge Menschen befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Verteilung von kostenlosen Kondomen in Südafrika. picture-alliance/WILDLIFE/M. Harvey Verteilung von kostenlosen Kondomen in Südafrika.

Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) leben seit Ende 2022 mehr als 8 Milliarden Menschen auf der Erde. 2010 waren es noch 7 Milliarden – in nur zwölf Jahren sind also 1 Milliarde Menschen hinzugekommen. Und in den vergangenen hundert Jahren ist die Weltbevölkerung um etwa 6 Milliarden Menschen gewachsen.

Die Gründe für das Bevölkerungswachstum sind vielfältig, lassen sich aber auf drei Hauptursachen zurückführen: bessere Gesundheitsversorgung, gesündere Ernährung und Fortschritte in der Medizin.

Gleichzeitig verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum. Berechnungen zufolge wird die nächste Milliarde nicht wieder in zwölf, sondern erst in 15 Jahren überschritten. Den Höchststand erwarten Experten Ende dieses Jahrhunderts. Etwa 10,4 Milliarden Menschen werden dann auf der Erde leben.

Neu ist die Verlangsamung des Bevölkerungswachstums nicht: Auch wenn noch immer mehr Menschen geboren werden als sterben, sinkt die Wachstumsrate bereits seit den 1960er Jahren. Damals wuchs die Weltbevölkerung jährlich um 2,1 Prozent – heute ist es weniger als ein Prozent. Auch die Geburtenrate ist dementsprechend weltweit um mehr als die Hälfte von 5,3 Geburten auf heute 2,3 Geburten gesunken.

Gesünderes und längeres Leben

Der Rückgang hängt unter anderem mit einem höheren Lebensstandard zusammen. Je gesünder und länger Menschen im Durchschnitt leben, desto geringer fällt auch die Geburtenrate aus. Tatsächlich werden die Menschen immer älter. Im Jahr 1950 waren etwa fünf Prozent der Menschen 65 Jahre alt oder älter. Im Jahr 1990 waren es bereits rund sechs Prozent. Im vergangenen Jahr wurde dann die Zehn-Prozent-Marke geknackt, und bis 2050 wird sie voraussichtlich auf 16 Prozent steigen. Das geht aus Daten des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) hervor. Aber die Betrachtung der Daten spiegelt nicht die ganze Komplexität der Geburtenraten wider; weltweit schwanken sie stark.

Deutlich wird das, wenn man Länder mit hohen und mittleren Einkommen mit Ländern mit niedrigen Einkommen vergleicht: Bei ersteren gehen die Geburtenraten stetig zurück, hier bekommen Frauen im Durchschnitt nur 1,5 bzw. 2,2 Kinder. Beide Geburtenraten sind stabil. Das zeigen Daten der Weltbank. Ganz anders sieht es in Ländern mit niedrigen Einkommen aus: Dort sind die Geburtenraten mit durchschnittlich 4,7 Geburten pro Frau deutlich höher. Je niedriger also das Pro-Kopf-Einkommen, desto höher ist tendenziell auch die Geburtenrate.

Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang, wenn man sich anschaut, in welchen Ländern Frauen besonders viele Kinder bekommen. 32 von 36 Ländern mit einer Geburtenrate von vier oder mehr Kindern liegen nach Angaben der Weltbank in Afrika. Die anderen vier Länder sind Afghanistan, Samoa sowie die Marshall- und Salomoneninseln.

Die nächste Generation als Absicherung

Ein entscheidender Punkt ist, dass Menschen in armen Ländern in der Regel nicht über ausreichende soziale Sicherungssysteme verfügen. Wenn sie im Alter versorgt sein wollen, brauchen sie Kinder. Die nächste Generation dient als soziale Sicherung. Gleichzeitig führt Armut dazu, dass nicht alle Kinder das Erwachsenenalter erreichen. Ein weiterer Grund für die hohen Geburtenraten liegt darin, dass Frauen noch immer oft im Teenageralter verheiratet werden. Zugang zu Arbeit und Bildung bleibt ihnen verwehrt – und damit auch die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Erst sind es die Familien, dann auch die Ehemänner, die das Leben der meisten Frauen dominieren.

Auch deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die Geburtenraten in Afrika langsam sinken. In weiten Teilen des Kontinents wächst die Bevölkerung mittlerweile langsamer als noch vor zehn Jahren. Dank höherer Bildung (wozu auch Sexualerziehung gehört) und gestiegenem Wohlstand können Frauen ein selbstbestimmteres Leben führen – und bekommen folglich weniger Kinder, wie weltweite Statistiken zeigen. Aber auch in säkularen, wohlhabenden Gesellschaften stagniert dieser Trend irgendwann. Keine Gesellschaft möchte ganz ohne Kinder leben.

Aus gutem Grund: Bereits jetzt sind die niedrigen Geburtenraten eine Herausforderung für die Sozialsysteme wohlhabender Länder. Während immer mehr Menschen Rente beziehen oder pflegebedürftig werden, rücken weniger junge Menschen im erwerbsfähigen Alter nach. Dabei sind sie es, die in die Sozialsysteme einzahlen und die steigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung tragen. Viele Länder reagierten darauf anfangs mit Maßnahmen, die Frauen motivieren sollten, mehr Kinder zu bekommen. Nennenswerten Erfolg hatten sie nicht – weshalb viele Länder dazu übergegangen sind, der wachsenden Kluft durch höhere Renteneintrittsalter und Migration zu begegnen.

Ein zweischneidiges Schwert

Aus globaler Perspektive ist das ein umstrittenes Vorgehen. In ihren Heimatländern werden die abgeworbenen Menschen auch gebraucht. Gleichzeitig verdienen sie im wohlhabenden Ausland besser und können das Geld an ihre Familien senden – was wiederum die Entwicklung ärmerer Länder vorantreibt. Hinzu kommt, dass ein Teil der Migrant*innen gut ausgebildet in ihre Heimat zurückkehrt.

Ein Deal auf Augenhöhe ist das trotzdem nicht. In der Eurozone verdienen Ausländer im Durchschnitt zwischen 25 und 30 Prozent weniger als Einheimische. 15 Prozent der Haushalte werden dabei nach Zahlen der Europäischen Zentralbank von Migrant*innen geführt. Zwei Drittel von ihnen kommen von außerhalb der EU. Gleichzeitig zahlen sie mehr Steuern und Sozialabgaben, als sie an staatlichen Leistungen erhalten – und widerlegen damit eine beliebte Behauptung populistischer Politiker*innen.

Mahwish Gul ist Beraterin und hat sich auf Entwicklungsmanagement spezialisiert. Sie lebt in Nairobi.
mahwish.gul@gmail.com