Editorial
Gleiche Rechte für alle
Das sollte eigentlich selbstverständlich sein und ist in verschiedenen internationalen Verträgen und Erklärungen festgeschrieben. Die Realität sieht leider anders aus. Wer bestimmte Eigenschaften hat oder zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gehört, ist allzu oft Diskriminierung ausgesetzt. Betroffene werden vielfach vom politischen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Diskriminierung gibt es überall, auch im reichen Europa und den USA. An Europas Seegrenzen im Mittelmeer sterben Flüchtlinge aus Afrika bei illegalen Einreiseversuchen, weil sie legal nicht nach Europa kommen können. In Deutschland kommen Kinder aus Migrantenfamilien deutlich schlechter in der Schule zurecht. In Frankreichs Vorstädten gibt es marginalisierte Parallelgesellschaften von Migranten. In den USA werden schwarze Bürger häufig Opfer polizeilicher Willkür.
Es gibt allerdings graduelle Unterschiede. In funktionierenden Demokratien stehen die Chancen besser als in Ländern mit schwacher Amts- und Regierungsführung, Diskriminierung entgegenzuwirken und Rechte für Minderheiten durchzusetzen. In den USA wendet sich heute eine breite Protestbewegung gegen Polizeigewalt, während Bürgerrechtler in Russland tendenziell auf verlorenem Posten stehen. Ein schwarzer Präsident in den USA wäre heute immer noch undenkbar, wenn sich die schwarze Bevölkerung seit den 1960er Jahren nicht gegen die Diskriminierung aufgelehnt hätte.
Es stimmt, dass in den USA schwarze Menschen vielfach vor großen Hindernissen stehen – aber einige schaffen es mittlerweile bis ganz nach oben. Auch in Frankreich gibt es Politiker und Führungspersönlichkeiten, die Wurzeln in Nordafrika oder südlich der Sahara haben. In vielen Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas haben die Angehörigen benachteiligter Gruppen gar keine politische Lobby und keine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe.
Hinzu kommt, dass Diskriminierungen oft gehäuft vorkommen. So werden Frauen ethnischer Minderheiten nicht nur von der gesellschaftlichen Mehrheit ausgegrenzt, sondern als Frau auch noch von ihren Männern und Familien benachteiligt. Arme Kleinbauern sind tendenziell wehrlos, aber wenn sie auch noch zu einer indigenen Bevölkerungsgruppe oder einer religiösen Minderheit gehören, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie wegen neuer Großplantagen oder Infrastrukturprojekten von ihrem Land vertrieben werden.
Rechtssicherheit und Rechtsverständnis sind Punkte, an denen die Entwicklungspolitik ansetzen kann. Sie muss dazu beitragen, die Schwachen zu stärken und ihnen zu einer Stimme zu verhelfen. Benachteiligte Gruppen müssen ihre Rechte kennen und Möglichkeiten bekommen, sich mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln zu behaupten.
Das Bewusstsein für die Rechte der Menschen, die zu benachteiligten Gruppen gehören, muss in den Köpfen der Gesellschaften, Parteien und Politiker in jeweiligen Länder ankommen. Gleichberechtigung und politische Teilhabe kann international gefordert werden, muss aber auf nationalstaatlicher Ebene durchgesetzt werden.
Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z/D+C.
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