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Kommentar

Dringende Bedürfnisse

Nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs, Herzprobleme, Hirnschlag oder Diabetes sind keine Wohlstandskrankheiten mehr. Sie verbreiten sich schnell in Ländern mit niedrigem Einkommen und betreffen vor allem die Älteren. Im September war dies Thema eines UN-Gipfels. Schöne Worte reichen aber nicht.


Von Mark Gorman

Drei Viertel der 35 Millionen Menschen, die jährlich an nicht-übertragbaren Krankheiten (NCDs) sterben, sind 60 Jahre oder älter. Der WHO zu­folge leben die meisten von ihnen in Ländern mit niedrigem Einkommen. Die Zahl der Alten, die unter chronischen Krankheiten leiden, wächst. Die UN schätzen, dass sie von 2009 bis 2050 von 473 Millionen auf 1,6 Milliarden steigen wird. Es ist also wichtig, auf die Betroffenen einzugehen.

In vielen Entwicklungsländern ist das Gesundheitspersonal nicht auf die Sorgen älterer Menschen eingestellt. Es mangelt an Geld, Bewusstsein und nötiger Ausbildung. Besonders oft vernachlässigt werden ältere Frauen.

Der UN-Gipfel zu diesem Thema vom 19. bis zum 20. September in New York war ein wichtiger Termin für internationale Akteure. Viele gute Ideen zeigten, wie der Lebensstil von Millionen von Menschen sicherer gemacht und eine gute Gesundheitsversorgung aufgebaut werden könnte.

Die Teilnahme von 34 Staats- und Regierungschefs sowie vieler Interessengruppen – darunter 600 zivilgesellschaftliche Organisationen – zeugte von großem Interesse. Der Gipfel war erst das zweite Treffen dieser Größenordnung mit einem Gesundheitsthema. Die Sondersitzung der UN-Vollversammlung 2001 zu Aids rief den Globalen Fonds für den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria ins Leben.

NCDs töten leise. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon spricht von einer „öffentlichen Gesundheitskrise in Zeitlupe“. Zudem sind sie teuer: Dem Bericht über globale Risiken vom Weltwirtschaftsforum 2010 zufolge stellen NCDs ein ebenso kostspieliges Risiko dar wie die Finanzkrise.

Auf dem Gipfel wiesen Regierungen armer und reicher Länder darauf hin, dass NCDs ein Entwicklungsthema seien, da Gesundheit und Armut eng zusammenhängen. NCDs könnten zudem nicht länger als Wohlstandskrankheiten gelten, denn vielerorts sind die Armen besonders gefährdet, die häufig in einer schädlichen Umwelt leben, sich schlechter ernähren und stärker zu Risikoverhalten wie Rauchen neigen. Der Weltbankvertreter rief die Regierungen auf, in ihren Ländern auf die Herausforderungen zu reagieren, forderte zugleich aber auch internationale Unterstützung.

Einstimmig verabschiedeten die Mitgliedstaaten eine politische Erklärung. Dank der Lobbyarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen beinhaltet sie wichtige neue Aspekte: Vor allem erkennt sie Alter als eine Hauptursache von NCDs an und drängt darauf, für Menschen aller Altersgruppen Sorge zu tragen. Auch mentale und neurologische Krankheiten – etwa Alzheimer und andere Demenzerkrankungen – werden als wichtig erklärt. Die Mitgliedstaaten fordern fairen Zugang zu Vorsorgeprogrammen und Gesundheitspflege. Sie heben zudem die Notwendigkeit von besserer Palliativpflege sowie Prävention und Behandlung von NCDs hervor. Gesundheitspolitik solle sich darauf konzentrieren, Krankheiten und Tod zu verhindern, ohne fragwürdige Altersgrenzen für „vorzeitigen Tod“ zu setzen.

Doch es gibt auch Mängel:
– Der Gipfel erreichte keine Einigung über zusätzliches Geld oder andere Ressourcen zur Bekämpfung von NCDs – allerdings gaben Russland und Australien eigenständige Versprechen ab.
– Bisher gibt es keine bindenden Zielvorgaben für alle Altersgruppen, auch nicht für ältere Menschen. Immerhin aber wurde die WHO aufgefordert, Fortschrittsindikatoren aufzustellen.
– Die Debatte in New York konzentrierte sich auf die Vorsorge und schenkte ­Behandlung und Pflege von Menschen, die bereits chronisch erkrankt sind, viel weniger Aufmerksamkeit. Dies kann ernste Folgen für ältere Menschen haben, sowohl für Pflegeempfänger als auch für Pflegende.

Der offensichtliche Fortschritt in der politischen Erklärung ist zu begrüßen. Wenn aber auf Worte keine Taten folgen und nicht alle Altersgruppen einbezogen werden, wird es in den kommenden Jahren wenig Grund zu feiern geben.