Mann-Frau-Beziehung
Sein Leben für die Ehe riskieren
Jada Tombe ist 27 Jahre alt und sagt, dass er Glück hat, noch am Leben zu sein, denn er nahm an Viehdiebstählen teil. „Wir riskieren bei diesen Raubzügen auf die Kühe anderer Gemeinschaften unser Leben, nur um den Brautpreis zu zahlen“, sagt der junge Mann.
Nicht alle Viehdiebe überleben. Drei seiner Cousins wurden in den vergangenen drei Jahren bei Überfallversuchen getötet, sagt Tombe. Es gibt auch oft Todesopfer, wenn andere angreifen, erzählt Tombe: „Selbst wenn man selber keine Raubzüge durchführt, kannst du dein Leben verlieren, weil du deine Herde verteidigst.”
Im Südsudan sind Kühe und Ziegen die traditionelle Währung für den Brautpreis. „Wenn du nicht viele Kühe zahlen kannst, dann verletzt das deine Ehre vor der ganzen Gemeinschaft“, so Tombe. Es sei peinlich, weniger als 20 Kühe anzubieten, erläutert er: „Wenn ich 70, 90 oder 100 Kühe für eine Frau bezahle, dann zeigt dies, dass ich reich bin und zur ersten Klasse gehöre.”
Diese Tradition ist vor allem bei Viehnomaden sehr ausgeprägt, so etwa bei den Mundari, Dinka, Nuer und Teposa. Junge Männer aus den Dörfern gehen auf Viehraubzüge, weil sie sonst nicht genug Kühe haben, um die Braut ihrer Wahl zu heiraten. In der Regel werden andere Volksgruppen beraubt, aber manchmal auch die eigenen Leute.
Die Behörden haben keine Kontrolle darüber. John Deng ist ein Polizist aus Bor, der Provinzhauptstadt des Staates Jonglei. „Viele junge Leute sterben bei diesen Überfällen,“ berichtet er. Allein in diesem Staat wurden von 2008 bis 2012 bei Viehdiebstählen 2000 Menschen getötet. Viele Zivilisten besitzen automatische Waffen, so dass es für die Behörden schwierig ist, die Täter zu fassen.
Laut Deng wäre es angebracht, per Gesetz eine Obergrenze des Brautpreises festzulegen. Darüber hinaus benötigen die jungen Leute in den Dörfern mehr Arbeitsmöglichkeiten.
Der Südsudan ist kein friedliches Land. Nach drei Jahrzehnten Bürgerkrieg wurde das Land 2011 vom Sudan unabhängig. Der Staat ist fragil, und die blutigen bewaffneten Auseinandersetzungen wurden erst kürzlich beigelegt. Gewalt ist noch allgegenwärtig. Dies sind keine guten Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung, die den Massen zugutekäme. Die Menschen klammern sich umso enger an ihre kulturellen Traditionen, die vor allem auf dem Lande von den Volksgruppen bestimmt sind. Der Rechtsstaat ist nur schwach. Sowohl auf nationaler wie auf lokaler Ebene würde es schwer, neue Gesetze bezüglich Brautpreise durchzusetzen.
Die Zahl der Kühe, die für eine Braut verlangt wird, hat sich über die Jahre hinweg verändert. Südsudan hat reiche Ölvorkommen, aber die meisten Menschen leben unter der Armutsgrenze. Heutzutage wird der Brautpreis auch mit Geld bezahlt, aber in ländlichen Gebieten bleiben Kühe weiterhin die Währung dafür. Nach der Unabhängigkeit ging es für einige Leute anfangs wirtschaftlich aufwärts und die Brautpreise stiegen entsprechend. Für junge Analphabeten vom Lande ohne gutbezahlte Arbeit ist das Leben noch schwieriger geworden; sie stellen jedoch die Mehrheit der Bevölkerung.
Junge Bräute, ältere Bräutigame
Außer Viehdiebstahl bringt die Tradition des Brautpreises noch andere negative Konsequenzen mit sich, so etwa, dass Mädchen schon sehr jung verheiratet werden. Laut dem UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) heiraten über 60 Prozent der südsudanesischen Mädchen, bevor sie 18 Jahre alt sind. Im Südsudan ist es für Teenager dreimal wahrscheinlicher, bei der Geburt ihres Kindes zu sterben, als die Grundschule abzuschließen.
Die Armut ist dafür der Hauptgrund: Mittellose Eltern versuchen verzweifelt, einen Brautpreis zu ergattern und nicht mehr für die Ernährung ihrer Tochter verantwortlich zu sein.
Dieselbe Tradition treibt Männer wiederum dazu, eine Hochzeit zu verschieben, bis sie 40 Jahre oder älter sind, weil dies ihnen mehr Zeit gibt, Vieh oder Geld zu sparen. Manchmal werden Verlobungen nach Jahren aufgelöst, weil der Mann es nicht schafft, den vereinbarten Brautpreis aufzutreiben.
Dies geschah auch dem 40-jährigen Yanta Nickolas. Der Vater seiner Verlobten verlangte 285000 südsudanesische Pfund (rund 7000 Euro), aber er konnte nur 50000 Pfund bezahlen. Nickolas hat einen relativ gutbezahlten Job, aber er verdient dennoch nur 2000 Pfund im Monat. „Selbst wenn ich noch zehn Jahre länger gespart hätte, wäre ich nie auf diesen Betrag gekommen“, sagt er. Außerdem hätte man die Hochzeit um ein weiteres Jahrzehnt verschieben müssen. Seine Verlobung wurde deshalb nach fünf Jahren gelöst.
Im Südsudan und auch weltweit wehren sich Frauenrechtlerinnen gegen Brautpreise, weil Frauen wie Ware verkauft werden. Südsudanesische Bräute hingegen sehen dies anders. Die 26-jährige Alakiir Jauch heiratete vor zwei Jahren. Sie meint, sie fühle sich „wertvoller“, weil ihr Mann 520000 Pfund für sie gezahlt habe: Seine Anstrengung, die Summe zusammenzubekommen, zeige „dass er mich wirklich wollte“.
Damit habe sie recht, meint Lewis Anei Kuendit, ein Berater des Ministeriums für Jugend und Kultur und ehemaliger Gouverneur des Staates Warrap. Als Geschichtsexperte sieht er die Brautpreis-Tradition eher positiv. In seinen Augen ist sie ein Symbol von Bindung, da der Bräutigam so die Wertschätzung für seine zukünftige Frau ausdrückt und gleichzeitig ihre Eltern ehrt. Früher war die Zahlung des Brautpreises auch ein Zeichen von Reife und zeigte, dass der Mann in der Lage war, ordentlich zu wirtschaften – mit anderen Worten, dass er der Ernährer einer Familie sein konnte.
Anei findet jedoch, dass die Menschen sich auf „vernünftige Beträge“ einigen sollten und der Schwerpunkt auf „der zukünftigen Ehebeziehung“ liegen müsse. Seiner Meinung nach werde die Idee der Ehe von den derzeitigen exzessiven Brautpreisen verzerrt. Er warnt davor, dass viele Paare nicht mehr aus Liebe heiraten könnten, weil Hochzeiten nur noch eine geschäftliche Transaktion seien. Laut Anei sind zu viele Familien nur noch daran interessiert, Besitztümer anzuhäufen.
Ein exzessiver Brautpreis ist auch eine Last für junge Familien. Viele Männer, die sich verschuldet haben, um zu heiraten, müssen diese Schulden nun zurückzahlen. Dadurch fehlen ihnen die Mittel, um ihre Familie aufzubauen. Unterm Strich sei es am härtesten in den ländlichen Gebieten, meint Anei: „Die schlimmsten Auswüchse sind die Viehdiebstähle.“
Philip Thon Aleu ist ein südsudanesischer Journalist und lebt in Juba, Südsudan.
pthonaleu@gmail.com
Parach Mach ist ebenfalls ein südsudanesischer Journalist. Er lebt in Juba, Südsudan.
parachmach@gmail.com