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Roman

Ein Mädchenschicksal aus Simbabwe

So wie die Heldin in ihrem Roman „Aufbrechen“ beschritt Tsitsi Dangarembga neue Wege in Simbabwe – als Schriftstellerin, Freiheitsaktivistin und Feministin. Von den Machthabern in ihrer Heimat verfolgt, wird die 64-Jährige in Deutschland geschätzt und geehrt. Dieser Beitrag ist der achte unseres diesjährigen Kultur-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Tsitsi Dangarembga im September 2022 vor Gericht in Harare. picture-alliance/REUTERS/Philimon Bulawayo Tsitsi Dangarembga im September 2022 vor Gericht in Harare.

Tsitsi Dangarembga ist eine mutige Frau. Sie lässt sich nicht vom immer repressiveren Auftreten des Regimes in Simbabwe einschüchtern. Für ihr Recht auf Meinungsfreiheit ging sie sogar ins Gefängnis – nach einer eigentlich harmlosen Aktion.

Sie hatte im Juli 2020 zusammen mit der Journalistin Julie Barnes in der Hauptstadt Harare ein Schild mit der Aufschrift „We want better. Reform our institutions“ hochgehalten. Daraufhin wurde sie verhaftet, wegen öffentlicher Anstiftung zu Gewalt angeklagt und Ende September 2022 mit Barnes zu einem halben Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Der internationale Aufschrei war groß. Das von zahlreichen Fehlern und Verzögerungen geprägte Verfahren wurde als „Schauprozess“ beschrieben. Immerhin konnten die beiden Frauen in zweiter Instanz Anfang Mai 2023 einen Freispruch vor dem Obersten Gerichtshof erwirken.

Dass die Autorin ihren eigenen Kopf hat und sich nicht mit der ihr zugewiesenen Rolle als untergeordnete Frau abfinden wollte, spiegelt sich auch in ihrem Werk. Sie ist die erste Schriftstellerin Simbabwes, die einen Roman geschrieben hat. Besonders beachtenswert ist die Trilogie um die heranwachsende Tambudzai, genannt Tambu, die autobiografische Züge hat. Dafür erhielt Dangarembga 2021 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Der 1988 unter dem Titel „Nervous Conditions“ („Aufbrechen“ in der deutschen Ausgabe) erschienene erste Band der Trilogie beschreibt das Schicksal der jungen Tambu im Simbabwe der späten 1960er-Jahre. Tambu lebt in ärmlichen Verhältnissen auf einer Farm im damaligen Rhodesien. Der Vater ist ein fauler Taugenichts, die Mutter eine ungebildete, hart arbeitende Frau. Wenigstens eines ihrer Kinder soll eine gute Ausbildung erhalten, um später die Familie finanziell unterstützen zu können. Vorbild und Gönner ist Tambus Onkel Babamukuru. Er konnte in England studierten und repräsentiert die erste Generation der christlich-afrikanischen Elite.

Zu ihm schaut die ganze Familie auf. Er nimmt Tambus verhassten älteren Bruder zu sich, der die Missionsschule besuchen darf, deren Direktor Babamukuru ist. Dass der Bruder einige Monate später unerwartet an einer Krankheit verstirbt, ist Tambus Chance. Babamukuru erkennt ihr Potenzial und will, dass sie die Rolle des Bruders einnimmt und eine gute Schulbildung erhält. Trotz vieler Hindernisse – Hautfarbe, Klasse, Geschlecht – hat Tambu große Ambitionen und nutzt ihre Möglichkeiten.

Dangarembga lässt ihre Leser*innen an Tambus Gedanken und Gefühlen teilhaben und stellt die afrikanische Lebenswirklichkeit anschaulich dar. Sie beschreibt zum Beispiel, wie Tambu bei einem großen Fest, das ihre Familie zu Ehren Babamukurus gibt, eine Wasserschüssel tragen musste. Das war eine wichtige Aufgabe, denn die Hände wurden nach einer bestimmten hierarchischen Abfolge gewaschen: Männer vor Frauen und Alte vor Jungen.

Die Hierarchien zwischen Männern und Frauen, Kindern und Erwachsenen werden hier ebenso deutlich wie Tambus Abneigung gegen Traditionen und die ihr zugedachte Rolle. Tambus Schicksal ist dabei durch doppelte Unterdrückung gekennzeichnet: durch die patriarchalen Strukturen ihrer Familie ebenso wie durch die koloniale Dominanz der Weißen.

Die Jury für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels begründet, warum das Buch auch für deutsche Leser Signalwirkung hat: „In ihrer Romantrilogie beschreibt Tsitsi Dangarembga am Beispiel einer heranwachsenden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung in Simbabwe. Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen.“

Bücher: Tambudzai-Trilogie
Band 1: Aufbrechen, Orlanda Verlag, Berlin 2019. (Nervous Conditions, Faber & Faber, London 2021)
Band 2: Verleugnen, Orlanda Verlag, Berlin 2022. (The Book of Not, Faber & Faber, London 2021)
Band 3: Überleben, Orlanda Verlag, Berlin 2021. (This Mournable Body, Faber & Faber, London 2020.)

Sabine Balk war mehrere Jahre Redakteurin bei E+Z/D+C und arbeitet derzeit freiberuflich für uns.
euz.editor@dandc.eu

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