Internationales Strafrecht
Dass die Mongolei Putin nicht verhaftet hat, wird keine großen Auswirkungen haben
Das Versäumnis der Mongolei ist enttäuschend. Es bestätigt den Präzedenzfall, dass ein Land seinen IStGH-Verpflichtungen nicht gerecht wird. Aus verschiedenen Gründen ist das aktuelle Geschehen aber weniger gravierend als das Fehlverhalten Südafrikas 2015, das damals den ebenfalls per Haftbefehl gesuchten Präsidenten Sudans, Omar al-Bashir, entkommen ließ (siehe Tom Dannenbaum).
Der wichtigste Grund ist, dass die Mongolei ein Land mit winziger Bevölkerung (rund 3 Millionen) ist, dessen riesige Fläche zwischen den geopolitischen Riesen Russland und China liegt. Südafrika ist dagegen ein, wenn nicht sogar das Schwergewicht auf seinem Kontinent. Die Mongolei hat keine Nachbarländer, die von ihrer Haltung beeinflusst würden, und sie gehört auch keiner wichtigen Regionalorganisation an, von der eine eigenständige Position gegenüber Moskau oder Peking erwartet werden muss.
Als Südafrika al-Bashir entkommen ließ, verstärkte es damit die in Afrika verbreitete IStGH-Skepsis, und zwar auch unter Mitgliedern der Afrikanischen Union, die dem internationalen Gericht beigetreten waren. Dessen Glaubwürdigkeit litt also sehr viel stärker, als dies nun der Fall sein wird. Der südafrikanische Supreme Court of Appeal nannte übrigens das Regierungshandeln später „schändlich“.
Die Mongolei hat gegenüber ihren beiden, miteinander verbündeten großen Nachbarn keinen ernst zu nehmenden politischen Spielraum. Wenn sie einen provoziert, verärgert sie den anderen ebenfalls. Die Verhaftung Putins hätte also heftigen diplomatischen Druck ausgelöst, ihn sofort wieder freizulassen. Die Regierung der Mongolei hätte ihn auch kaum an den IStGH in Den Haag überstellen können, denn das Flugzeug mit ihm an Bord hätte weite Landstriche Russlands oder Chinas überqueren müssen. Beide Nachbarstaaten hätten sicherlich verhindert, dass es ihn nach Europa bringt.
Bedauerlicherweise hat diese Episode es Putin ermöglicht, seine Machtansprüche international zu zelebrieren. Die Mongolei ließ ihn seine Missachtung des IStGH öffentlich inszenieren. Aus Angst vor möglicher Verhaftung war Putin vorigen Sommer nicht zum BRICS-Gipfel nach Südafrika gereist. Die bloße Tatsache aber, dass die Mongolei ein sehr kleiner weltpolitischer Spieler mit zwei sehr einflussreichen Nachbarn ist, bedeutet, dass es in der Praxis anderen Ländern nicht als Vorbild dient. Die politische Bedeutung dieses juristischen Versäumnisses bleibt also gering.
Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
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