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Tschadsee-Region

Fehlendes Vertrauen

Die Tschadsee-Region leidet seit Jahren unter der Gewalt von Rebellen. Weitreichende Ungleichheit und jahrzehntelange politische Marginalisierung haben bei vielen Menschen ein Gefühl von Exklusion erzeugt. Es gibt wenig Vertrauen in staatliche Institutionen und auch zwischen den verschiedenen Gemeinschaften. Der Klimawandel verstärkt diese politischen Probleme.
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Was sind die größten Gewaltrisiken in der Tschadsee-Region?
Ressourcenverknappung, unsichere Lebensgrundlagen und extreme Armut führten dazu, dass sich Spannungen zwischen und innerhalb der Gruppen von Viehhaltern, Landwirten und Fischern in der Region verstärkten – oft bis hin zu Gewalt. Innerhalb der Gesellschaft und auch in Familien beobachten wir zunehmend Spannungen. Auch Zwangsheiraten haben in der Region zugenommen. Fernerhin wird Gewalt zwischen den Generationen sichtbar: Wenn junge Männer kein Geld und keine Jobs haben, machen sie die ältere Generation für diese und andere Probleme verantwortlich – und umgekehrt. Auch ethnische Konflikte treten vermehrt auf, sowohl innerhalb als auch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Hinzu kommen Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und der Regierung: Die Bevölkerung erfährt, dass die Regierung sie nicht ausreichend vor bewaffneten Gruppen wie Boko Haram schützen kann.

Wie hängt der Klimawandel mit diesen Problemen zusammen?
Zunehmend unsichere Lebensgrundlagen und soziale Spannungen sind eng mit Konflikten und schwankendem Wetter verbunden. Bereits bevor Boko Haram in der Region stark wurde, nahmen Wetterschwankungen zu. Aber mit Ausnahme einzelner Gruppen – wie zum Beispiel Hirten – war die Bevölkerung zuvor besser in der Lage, sich anzupassen und mit Veränderungen umzugehen. Nichtsdestotrotz haben Wetterbedingungen – nämlich unkalkulierbare Regenfälle – dazu geführt, dass einige Methoden der Existenzsicherung unrentabel geworden sind und sich Möglichkeiten dadurch verringerten. Die Menschen in der Region haben schon immer versucht, sich mit unterschiedlichen Lösungen auf Umweltbedingungen einzustellen und ihre Lebensgrundlage weiterhin zu sichern. Aber durch den Konflikt und den Klimawandel sind sie dazu nicht länger in der Lage. Zum Beispiel gibt es Fischer, die gerne auf Landwirtschaft umsteigen würden. Aber das können sie nicht, wenn Boko Haram oder staatliche Sicherheitskräfte den Zugang zum Agrarland einschränken. Durch den Klimawandel und den Konflikt nimmt der Kampf um natürliche Ressourcen zu und Lebensgrundlagen werden unsicherer. Eine destruktive Bewältigungsstrategie ist die Abholzung zum Holzkohleverkauf. Dieser Aspekt wird oft übersehen, hängt mit dem Klimawandel jedoch eng zusammen. Interviews mit ehemaligen Boko-Haram-Kämpfern geben Hinweise darauf, dass die Gefährdung von Lebensgrundlagen letztlich dazu beiträgt, sich bewaffneten Gruppen wie Boko Haram anzuschließen.

Was kann getan werden, um diese Risiken zu reduzieren?
Um Lösungen zu finden, müssen wir nach den Ursachen suchen. Derzeit gibt es viel humanitäre Unterstützung. Natürlich brauchen die Menschen Nahrung und Unterbringung. Aber es genügt nicht, sich nur kurzfristig darauf zu konzentrieren, den Alltagsbedarf zu decken. Wenn der Klimawandel und die Unsicherheiten in der Region nicht angegangen werden, verschlimmern sich die Probleme weiter. Dabei ist es auch wichtig, die historische Marginalisierung in der Region nicht außer Acht zu lassen. Die Menschen dort werden politisch vernachlässigt, lokale Gemeinschaften werden seit langem ausgeschlossen. Die Grundversorgung der Menschen muss gewährleistet werden und sie brauchen einen klimagerechten Lebensraum. Gleichzeitig müssen die Menschen erfahren, dass sie ein Mitspracherecht haben und zur Gesellschaft dazugehören.

Was sind Aufgaben der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft?
Auf lokaler Ebene wird bereits viel gute Arbeit getan. Viele Gruppen machen sich für Menschenrechte stark und setzen sich für Agrarwirtschaft und Lebensmittelsicherheit ein. Die große Herausforderung ist der Mangel an Informationen darüber, wie verschiedene Risiken in der Region zusammenwirken. Lokale Gemeinschaften brauchen Möglichkeiten und verlässliche Beratung, um auf den Klimawandel adäquat zu reagieren. Es ist zu wiederholen, dass ihre Lebensgrundlagen klimasicher gemacht werden müssen. Aufgabe der internationalen Gemeinschaft ist es sicherzustellen, dass regelmäßige Klimarisikogutachten vorgenommen werden und dass darauf auch Aktionen folgen. Abgesehen von der adelphi-Studie sind die Klima- und Fragilitätsrisiken der Region nicht ausreichend erforscht. Geldgeber sollten sicherstellen, dass die Menschen sich den Herausforderungen stellen können. Hierzu werden auch institutionelle Kapazitäten und lokale Führungskräfte gebraucht.


Janani Vivekananda ist Senior Advisor bei adelphi, einem unabhängigen Thinktank aus Berlin.
vivekananda@adelphi.de

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