Treibhauseffekt
Landwirtschaft in Gefahr
[ Von Mir Salam Sirak ]
Als Mary Guzha noch jung war, gab es in ihrer Heimatgegend südlich von Harare viele Wildfrüchte wie das „African Chewing Gum“, eine siruphaltige Baumfrucht, oder die bitter-saure „Matamba“. „Diese konnten wir sammeln und verspeisen“, erzählt die 84-jährige Bäuerin aus Seke in Simbabwe. Heute sind diese Früchte kaum mehr auffindbar.
Noch mehr leidet die Landbevölkerung jedoch darunter, dass sich der Beginn der Regenzeiten verschoben hat. „Wir hatten den ‚madzura chando‘ (den Winterniederschlag im Juni), gefolgt vom ‚gukurahundi‘ (dem Regen im August) und vom ‚bumharutsva‘ (dem Regen im September)“, erläutert die alte Dame. „Der ‚kutemera gwati‘ im November signalisierte uns den Beginn der eigentlichen Regenzeit und die Bauern wussten genau, wann sie ihre Felder bestellen mussten. Aber jetzt sind wir völlig verunsichert.“
Dr. Priscah Mugabe, stellvertretende Leiterin am Institut für „Environmental Studies“ der Universität Simbabwe und nicht mit Präsident Mugabe verwandt, hat Klimadaten für ihr Land zwischen 1901 und 2005 ausgewertet. Demzufolge fängt die Regenzeit heute früher an, und zwar mit häufigen Sturzregen und tropischen Zyklonen. Die Trockenperioden kehren in kürzeren Zeitabständen und mit höherer Intensität als früher zurück. Auch Daten des simbabwischen Agrarministeriums zufolge setzte die Regenzeit 2009 bereits am 30. Oktober ein, wohingegen sie im historischen Durchschnitt erst am 13. November begann (siehe Grafik). Von Mitte Dezember bis Februar 2010 folgte eine landesweite Trockenperiode. Pflanzen reagieren besonders sensibel auf Trockenheit in der Kornfüllungsphase, und so lagen die Ertragseinbrüche in den am härtesten betroffenen Gegenden bei mehr als 60 Prozent. Laut meteorologischen Studien haben die Niederschläge in Simbabwe in den vergangenen Jahren um fünf Prozent abgenommen und die mittlere saisonale Trockenperiode hat sich verlängert.
Die Klimavorhersage geht von einem Temperaturanstieg von 0,15 bis 0,55 Grad Celsius alle zehn Jahre aus. Im globalen Vergleich hat die Temperatur in Simbabwe im vergangenen Jahrhundert mit 0,4°C zwar nur moderat zugenommen (weltweit 0,74°C). Dennoch hat dieser Anstieg in der Landwirtschaft verheerende Schäden angerichtet. Alle Kulturpflanzen weisen seit 1990 einen von Jahr zu Jahr anhaltenden Ertragsrückgang auf. Besonders stark betroffen ist der Mais, das Grundnahrungsmittel der Einheimischen. An Orten mit geringem Niederschlag hat die Ernte nach dem Jahreswechsel 2009/2010 nur etwa 40 Prozent der Vorjahresmenge erreicht. Auch die Erträge von so genannten Wirtschaftspflanzen (Tabak, Baumwolle, Zuckererbsen oder Erdnuss) und von Kleinsämereien (Sorghum und Hirsearten) sind stetig gesunken. Für die Bauern sind die Erträge pro Hektar Land dramatisch zurückgegangen, und ihre Böden sind ausgelaugt. Mehr Düngemittel können sie sich aber nicht leisten.
Mehr Land für Mais und Hirse
In ihrer Not nutzen die Bauern immer mehr Land für den Anbau von Mais und Kleinsämereien: insgesamt rund 400 000 Hektar. Dafür wurde radikal Wald gerodet, was wiederum die Bodenerosion verstärkt. Die Viehzucht ist zwar im Sommer 2009/2010 gegenüber dem vorherigen Jahresabschnitt gewachsen. Die Fleischqualität ist jedoch stark gesunken, denn die Futtermittel werden knapper. Und so ist auch dieser Sektor vom Klimawandel und der Beeinträchtigung der Agrarwirtschaft betroffen.
Fatal ist in diesem Zusammenhang ein Trend zu Monokulturen, der weit in die Geschichte Simbabwes zurückgeht. Anstatt nach Alternativen zu suchen, bauen die Landwirte zusätzliche Pflanzen der gängigen Sorten an, um so den Gesamtertrag und das Überleben ihrer Familien zu sichern. Dem simbabwischen Agrarministerium zufolge hat die Anbaufläche von Sorghum und Hirsearten von 2000 bis 2010 deutlich zugenommen.
Die zusätzlichen Flächen wurden den Bauern bei der umstrittenen „Landrefom“ zugeteilt. Zwecks Umverteilung wurden Großgrundbesitzer enteignet und die Flächen an Landlose vergeben. Die neuen Besitzer waren selten erfahrene Bauern. Sie wussten nichts von Rotation im Feldbau und haben stattdessen vorhandene Waldflächen massiv gerodet.
Ein Grund für die Wahl von Hirse und Sorghum könnte schlichtweg die Verfügbarkeit von Saatgut sein. In Simbabwe schaffen es weder die Regierung noch Privatunternehmen, Saatgut termingerecht in abgelegene Gebiete zu liefern, so dass die Bauern ihre Reserven für das kommende Jahr genutzt haben könnten. Sicher ist die Entscheidung für Hirse und Sorghum jedoch auch eine Reaktion auf den Klimawandel: Beide Sorten sind relativ trockenheitsresistent.
Illegale Waldrodungen
Pflanzen entziehen der Erdatmosphäre jährlich etwa zwei Milliarden Tonnen CO2. Dadurch wird die Geschwindigkeit des Klimawandels gebremst. Lang anhaltende Hitzeperioden schaden diesem Prozess. Einige Gruppen in Simbabwe begründen den Klimawandel allerdings nicht mit der höheren CO2-Konzentration, sondern mit kulturellen Veränderungen: „Früher hatten wir alljährlich im September unsere spirituellen Regenzeremonien“, erinnern sich Anhänger der VaPostori-Sekte. „Dann regnete es, und wir hatten Bombenerträge. Doch heute ist selbst der heilige Platz erodiert. Die alten Leute mit zeremoniellem Wissen sind verstorben und mit ihnen hat sich auch ihr Geist von uns abgewandt. Darum haben wir den Klimawandel.“
Andere führen den Klimawandel auf gesellschaftlichen Werteverfall und unkontrollierten Baumabschlag zurück. Früher haben die Menschen ihre einheimischen Obstbäume geschätzt, betonen alte Bauern: „Heute sind die jungen Leute geldgierig und zerstören die Natur für Dollars. Sie schlagen alle Arten von Bäumen ab und verkaufen das Holz. Sie wissen nicht, dass sie damit die Erde töten.“ Dorf-Chefs beklagen, dass die Strafen zu gering seien, um von illegalen Rodungen abzuschrecken.
1990 waren noch 57,5 Prozent der Fläche Simbabwes bewaldet, 2001 waren es nur noch 49,2 Prozent. Wie die Umweltstiftung „Zimbabwe Conservation and Development Foundation“ 2005 feststellte, sind selbst die Nationalparks von der Zerstörung bedroht. Auch Subsistenzlandwirte in den „Communal Lands“, den wenig ertragreichen Agrargebieten in Gemeindebesitz, schlagen den Busch ab, um mehr Mais anzubauen.
Dramatische Verschiebung
Simbabwe ist hinsichtlich seiner Niederschlagsmengen in fünf natürliche Klimazonen (I–V) eingeteilt. In der natürlichen Zone I regnet es am meisten, in Zone V am wenigsten. Die Zonen IV und V sind überwiegend abgeschiedene Orte, die nur für extensive Viehhaltung geeignet sind – also für die Haltung von wenigen Tieren auf einer großen Fläche. In den Niederungen kann man darüber hinaus intensive Landwirtschaft betreiben. In der südöstlichen Provinz Masvingo beispielsweise prägen Grasland und Buschsavanne die Landschaft. In den Niederungen werden Zuckerrohr, Tabak und Baumwolle kultiviert, der große Rest der Provinz eignet sich nur für Viehhaltung.
Die Landschaft in diesen Zonen reagiert besonders sensibel auf den Klimawandel (hohe Temperaturen, geringer Niederschlag, Überschwemmungen bei plötzlichem Sturzregen). Die dünne Erdkrume ist nur wenige Zentimeter stark. Gras und Buschbäume beschatten den Boden und schützen ihn vor Wind- und Wassererosionen sowie vor Austrocknung und zu starker Erwärmung bei Sonneneinstrahlung. Sie schützen auch die Mikrofauna und -flora in dieser eigenartig schönen und aufregenden Landschaft.
In jüngster Zeit hat eine Verschiebung der Klimazonen nach Osten stattgefunden. Die Gebiete Chinhoyi, Chibero und Umgebung, die früher der natürlichen Zone II angehörten, zählen heute zur Zone III. Und die natürliche Zone III bei Kwekwe in den Midlands hat sich zur Zone IV verwandelt.
Die Veränderungen sind besonders für das Grasland dramatisch, da es dadurch zu Buschsavanne wird. In der Landwirtschaft sinken die Pflanzenerträge an allen marginalen Standorten mit Regenfeldbau. Die Umweltexpertin Priscah Mugabe nimmt an, dass sämtliche Erträge bis 2020 auf die Hälfte der heutigen Mengen sinken werden. Statistiken über die Maisernte 2009/2010 bestätigen diesen Trend schon heute. Drastische Ertragseinbrüche gab es überall dort, wo sich marginale Landflächen befinden. Masvingo war mit 60 Prozent Rückgang besonders stark betroffen.
Unterstützung für Bauern dringend notwendig
Angesichts dieser Entwicklungen sollte die agrarwirtschaftliche Beratungsbehörde Simbabwes – die einst die beste in Afrika war – personell, monetär und durch Vermittlung von Know-how unterstützt werden, damit sie den Bauern besser dienen kann. Es gibt für Simbabwe bereits nachhaltige Landbewirtschaftungsmodule wie „Conservation Agriculture“, die das Internationale Forschungsinstitut für Pflanzenanbau in den semi-ariden Tropen (ICRISAT) Ende 2008 vorgelegt hat. Die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO hat das Modul gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in zahlreichen Dörfern ausprobiert. Persönlich habe ich erlebt, dass in Dorfversammlungen sehr viel von „Conservation Agriculture“ die Rede ist. In der Praxis habe ich jedoch festgestellt, dass die Bauern die Anwendung entweder falsch verstanden haben oder es kein „follow-up“ gegeben hat.
Angesichts der zurückgehenden Niederschläge wäre eine Agrarförderung nötig, die die Bewässerungslandwirtschaft mit Wasser sparenden Methoden vorantreibt und den Regenfeldbau dabei unterstützt, mit Dürreperioden besser zurechtzukommen. Auch sollten den Bauern alternative Sorten mit kürzeren Vegetationsperioden sowie Düngemittel angeboten werden. Nur so können die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft Simbabwes eingedämmt werden.