Medien
Mutige Journalisten
Die Nachrichten-Website Rappler gehört laut dem International Press Institute (IPI) zu den „beliebtesten und effektivsten Medien für investigativen Journalismus“ in den Philippinen. Sie berichtet kritisch über die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte. Das IPI, ein Netzwerk aus Journalisten, die sich für unabhängigen Journalismus einsetzen, hat Rappler 2018 seinen Free-Media-Pioneer-Preis verliehen. In der Begründung lobte IPI den „innovativen journalistischen Ansatz“ der Website und die Entschlossenheit der Journalisten, Verantwortliche trotz „aggressiver Angriffe“ auf ihre Arbeit zur Rechenschaft zu ziehen.
Rappler steht aufgrund seiner Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen im Zuge von Dutertes Anti-Drogen-Krieg (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2018/12) unter Beschuss – und zwar nicht nur verbal. Anfang Dezember stellte Rappler-Chefin Maria Ressa sich freiwillig einem Gericht, das einen Haftbefehl gegen sie ausgestellt hatte. Sie kam gegen Kaution vorerst frei.
Zuvor hatte Duterte ihr und einer ihrer Reporterinnen verwehrt, von Veranstaltungen im Präsidentenpalast zu berichten. Rappler verbreite „Fake News“ und gehöre Amerikanern. Daraufhin entzog die Aufsichtsbehörde der Website die Zulassung, da sie gegen die Richtlinie verstoße, dass Medien zu 100 Prozent in philippinischem Besitz sein müssen. Außerdem wurde Rapplers Betreibergesellschaft Steuerhinterziehung vorgeworfen. Für die Ausgabe sogenannter Philippine Depositary Receipts (PDR), bondähnlicher Finanzinstrumente, im Jahr 2015 seien keine Steuern bezahlt worden. Rappler ist nicht das einzige Medienunternehmen, das PDRs an ausländische Investoren ausgegeben hat, aber das einzige, dem die Registrierung entzogen wurde. Eine gerichtliche Verfügung konnte eine Stilllegung der Website verhindern. Die Richter verlangen eine Neuuntersuchung des Falls.
Rappler-Anwalt Francis Lim betont, dass Rappler zu 100 Prozent in philippinischem Besitz sei. Auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung weist er zurück. Ressa ist sich ebenfalls keiner Schuld bewusst: „Nur weil ich Journalistin bin, werde ich als Kriminelle abgestempelt und kann jetzt zehn Jahre ins Gefängnis gehen.“
Viele werten den Lizenzentzug als Versuch der Regierung, eine viel beachtete Kritikerin mundtot zu machen. In anderen autoritär regierten Ländern wie der Türkei, Russland, Indien oder Ungarn ist ein ähnliches Vorgehen zu beobachten.
Internationale Appelle zur Beachtung der Pressefreiheit haben Dutertes Regierung bislang nicht beeindruckt. Die Journalistin Ma. Salvacion „Inday“ Espina-Varona berichtet von Morddrohungen und Verleumdungskampagnen gegen Journalisten sowie Arbeitsbehinderung. Alles für das, „was Journalisten tun sollen“, nämlich Verhalten und Aussagen von Regierungsmitarbeitern auf den Prüfstand zu stellen, „vor allem in Bezug auf Menschenrechte und Korruption“.
Als Reporter ohne Grenzen Varona im November als Journalistin des Jahres in der Kategorie Unabhängigkeit auszeichnete, sagte sie, in den Philippinen seien seit 1986 185 Journalisten umgebracht worden, zwölf davon allein in den ersten zwei Jahren von Dutertes Amtszeit. Die internationale Medien-NGO ehrte Varona für ihre langjährige Berichterstattung über „heikle Themen“ und für ihre leitende Rolle bei der philippinischen Entsprechung der #MeToo-Kampagne.
Ebenfalls im November erhielt Maria Ressa den Gwen-Ifill-Preis für Pressefreiheit des Committee to Protect Journalists. Bei der Preisverleihung in New York erinnerte die Journalismus-Dozentin Sheila Coronel daran, dass Journalisten in Dutertes Augen „Bullshit“, „Müll“ und „Hurensöhne“ seien. Der Präsident nutze das Internet als Waffe, indem er Fake News verbreite und Armeen von Trollen einsetze (siehe Alan C. Robles im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2018/05). Coronel lobte Rapplers Mut, derartiges Verhalten genauso aufzudecken wie Straflosigkeit im Anti-Drogen-Krieg: „Sie haben die Wahrheit gesagt – und sich dadurch Feinde gemacht.“
Emmalyn Liwag Kotte ist freie Journalistin und lebt in Deutschland.
emmalyn320@hotmail.com