Kriminalität

Der Fluch der Karibik

Hohe Mordraten gehören zu den größten Entwicklungshindernissen in den Karibik-Ländern. Hauptursache ist der Drogenhandel. Maßnahmen zur Verbrechensprävention kommen bislang zu kurz.

Die Karibik ist die Region mit der höchsten Mordrate weltweit. Laut einem gemeinsamen Bericht der Weltbank und des UN-Büros zu Bekämpfung von Drogen und Verbrechen (UNODC) wurden 2002 in Ländern wie Jamaika, Haiti, Trinidad und Tobago, der Dominikanischen Republik und den Bahamas im Durchschnitt 30 Menschen pro 100 000 Einwohner ermordet – mit steigender Tendenz (siehe Grafik). Viele Ursachen für die hohe Zahl an Gewaltverbrechen gleichen denen in anderen Ländern: Armut, Perspektivlosigkeit, eine hohe Anzahl arbeitsloser junger Männer und leichter Zugang zu Schusswaffen. Dennoch ist laut dem Bericht in der Karibik die Rate für Mord um 34 Prozent und die für Raub um 26 Prozent höher als in Ländern mit vergleichbaren makroökonomischen Bedingungen.

Der Hauptgrund für diese fatale Spitzenposition ist der Drogenhandel. „Eingekeilt zwischen der wichtigsten Quelle für Kokain im Süden und den größten Konsumentenmärkten im Norden, ist die Karibik Durchgangsstation für einen reißenden Strom an Drogen, deren Verkaufswert den der gesamten legalen Ökonomie übertrifft“, heißt es in dem Bericht. Das Drogengeschäft durchdringt die karibischen Gesellschaften insgesamt: Es enthalte ein sehr hohes Gewaltpotenzial, fördere die Gewöhnung an illegale Handlungen, unterhöhle soziale Institutionen, binde die Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden und sorge für einen kontinuierlichen Zustrom an Waffen.

Die Kriminalität hat laut dem Bericht erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Im urbanen Jamaika beeinträchtigt sie das Geschäft, weil die Leute sich schlichtweg nicht auf die Straße trauen. Verbrechen behindert Investitionen und schreckt Touristen ab. Wenn Haiti und Jamaika ihre Kriminalitätsrate auf die von Costa Rica senken könnten, dann würde ihr jährliches Pro-Kopf-Einkommen um 5,4 Prozent steigen, stellen Weltbank und UNODC fest. In der Dominikanischen Republik und in Guyana betrüge der Zuwachs immerhin noch knapp zwei Prozent.

Für eine wirksame Verbrechensbekämpfung mangele es an verlässlichen Daten sowohl über das Ausmaß an Kriminalität als auch über Risikogruppen. Zudem hätten die betroffenen Länder sich bislang zu stark auf Strafverfolgung und Repression konzentriert. Nötig seien mehr Ansätze zur Vorbeugung, etwa durch die Arbeit mit (männlichen) Jugendlichen oder die Stärkung nachbarschaftlicher Initiativen zur Verbesserung der Sicherheitslage. Prävention müsse in Sozialprogramme beispielsweise zur Rehabilitierung von Slum-Gebieten integriert werden.

Zugleich empfiehlt der Bericht, die staatlichen Institutionen zur Verbrechensbekämpfung zu stärken und ihre Zusammenarbeit zu verbessern, um sie besser gegen jene Formen von Kriminalität zu wappnen, gegen die präventiv nichts auszurichten sei: organisiertes Verbrechen und Drogenhandel. Weltbank und UNODC stellen aber auch klar, dass die Karibik gerade hier auf die Unterstützung durch die reichen Länder angewiesen ist – zum Beispiel indem diese wirksamer gegen Drogenkonsum vorgehen. (ell)

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