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Zivilgesellschaft

Ungleiche Staatsbürger

In den USA gewinnen philanthropische Einrichtungen an Bedeutung – mit internationalen Auswirkungen. James Callahan untersucht in einem neuen Buch die Großspender und ihre Motive.
Mark Zuckerberg und seine Frau versprechen, Ungleichheit zu bekämpfen. Ihr Vermögen ist größer als die gesamten Ersparnisse des untersten Fünftels der Haushalte in den USA. https://www.facebook.com/zuck Mark Zuckerberg und seine Frau versprechen, Ungleichheit zu bekämpfen. Ihr Vermögen ist größer als die gesamten Ersparnisse des untersten Fünftels der Haushalte in den USA.

2015 versprachen Mark Zuckerberg, der Facebook-Gründer, und seine Frau Priscilla Chan, 95 Prozent ihres Vermögens von seinerzeit rund 45 Milliarden Dollar im Laufe ihres Lebens wohltätig zu spenden. Ihr Vermögen war so viel Wert wie die gesamten Ersparnisse der unteren 20 Prozent der US-Haushalte. Zuckerberg und Chan kündigten an, sie wollten sich für „Chancengleichheit“ einsetzen, damit niemand wegen Nation, Familie oder anderer Geburtsumstände benachteiligt werde.

Ein weiterer prominenter amerikanischer Philanthrop ist Michael Bloomberg, der Gründer des gleichnamigen Finanzinformationsdienstes und ehemalige New Yorker Bürgermeister. Sein Vermögen wird auf etwa 40 Milliarden Dollar geschätzt. Er interessiert sich unter anderem für Klimaschutz und die Reduktion der Zahl von Verkehrstoten in Entwicklungsländern. 

Auch Bill Gates, Warren Buffett und George Soros sind spendenfreudige Milliardäre. Gates und Buffett finanzieren die Bill & Melinda Gates Foundation, während George Soros die Open Society Foundations am Laufen hält.

Alle genannten Personen beeinflussen internationales Geschehen. David Callahan beschäftigt sich mit ihnen in seinem Buch „The Givers“. Er hat umfangreiche Informationen über superreiche Amerikaner, die die Welt – oder zumindest ihre Heimatstadt – verändern wollen, zusammengetragen. Dass er letztlich nur mit Anekdoten argumentiert, ist ihm nicht vorzuwerfen. Über Arme gibt es umfangreiche Studien, aber die Superreichen dieser Welt schützen ihre Privatsphäre.

Callahans Buch bietet eine weitreichende Einschätzung der wachsenden Bedeutung philanthropischer Einrichtungen in den USA. Er lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Trend das Resultat wachsender Ungleichheit ist. Ein paar „Superbürger“, wie er sie nennt, hätten zunehmend die Finanzmittel, um in der Zivilgesellschaft den Ton anzugeben, während immer mehr gewöhnliche Staatsbürger sich ohnmächtig fühlten und aus dem öffentlichen Leben zurückzögen.

In vielen Ländern verlieren Organisationen, die sich auf viele Mitglieder stützten, an Einfluss, und die Wahlbeteiligung sinkt. Derweil wächst die Kluft zwischen Reich und Arm.

Extrem reiche Menschen, die Stiftungen gründen und ihnen ihr Vermögen spenden, nehmen politisch Einfluss, wie Callahan ausführt. Zum Beispiel böten sie an, Vorhaben mitzufinanzieren, wenn denn auch öffentliches Geld fließt. Aus Sicht des Autors sollten aber demokratisch gewählte Amtsträger über die Mittel verfügen, die nötig sind, um öffentliche Güter bereitzustellen. Tun sie das nicht, stelle sich die Frage, ob die Reichen ausreichend besteuert würden. Angesichts hoher öffentlicher Schulden und kommender Rentenlasten rechnet er aber mit weiter wachsendem Einfluss der Philanthropen.  

Megaspender prägen die Politik von der Stadtplanung bis hin zu auswärtigen Angelegenheiten, wie Callahan ausführt. Kommunalen Verantwortungsträgern sind Spenden willkommen, und im Gegenzug lassen sie die Wohltäter entscheiden, wo ein neuer Park entsteht oder welcher erneuert wird. Thinktanks, die von privaten Geldgebern leben, mischen derweil in der Diskussion darüber mit, wie Washington mit globalen Umweltproblemen, Handelsverträgen oder auch dem Atomprogramm des Iran umgehen soll. 


Rechte Denkfabriken

Ob diese Institutionen wirklich immer dem Gemeinwohl dienen, steht dahin. Wie Callahan berichtet, finanzieren Milliardäre wie Robert Mercer oder die Brüder Charles und Robert Koch konservative Denkfabriken, die für Leugnung des Klimawandels und aggressive Kampagnen für Steuersenkungen bekannt sind. Laut Callahan betrug 2015 der Haushalt des einflussreichen American Enterprise Institutes 55 Millionen Dollar. Dieses Geld hätten nur rund 1 500 Spender zur Verfügung gestellt, die ihre Zahlungen von der Steuer absetzen konnten.

Callahan sorgt sich mehr um die Ungleichheit im öffentlichen Leben als darüber, dass philanthropische Übermacht an einem Strang ziehen könnte. Es gebe sehr viele Großspender mit vielen verschiedenen Anliegen. Er betont aber, dass sie wirtschaftspolitisch alle konservativ denken, denn ihrer persönlichen Erfahrung nach funktioniert das System ja gut.

Der Autor räumt ein, Amerikas Superreiche hätten auch früher schon großzügig gespendet, erkennt heute aber eine mächtigere Dynamik. Institutionen wie die Ford Foundation, die Rockefeller Foundation oder die Carnegie Corporation unterstützten mit großem bürokratischen Aufwand viele unterschiedliche Anliegen und pflegten ihr Vermögen achtsam, weil sie auf Ewigkeit angelegt seien. Die heutige Generation der Spender wolle dagegen noch im Laufe ihres Lebens ihre riesigen Vermögen loswerden.

Callahan geht nur nebenbei auf die Frage ein, wie die Philanthropen zu ihrem Reichtum gekommen sind. Manche haben geerbt. In vielen Fällen waren auch die Geschäftsmodelle, die zum Erfolg führten, umstritten. Facebook ist beispielsweise dafür bekannt, mit raffinierten Strategien Steuern zu vermeiden und wenig gegen die Verbreitung von Fake News zu tun. Microsoft, der Konzern von Bill Gates, hatte in den 1990er Jahren eine monopolähnliche Stellung, die nur durch aufwendige Kartellverfahren in den USA und der EU gebrochen wurde. Die Titanen des Finanzsektors mussten nicht für die globale Finanzkrise zahlen, deren Epizentrum 2008 die Wall Street war. Der Reichtum der Koch-Brüder beruht auf fossiler Energie.

Philanthropische Stiftungen schulden nur sich selbst Rechenschaft, wie Callahan betont. Sie hätten viel Geld, um Vorhaben zu verwirklichen. Sie könnten Risiken eingehen, neue Ansätze testen und schnell ausweiten, was funktioniere. Callahan urteilt, sie seien so etwas wie die Risikofinanzierer für gesellschaftliche Herausforderungen.

In seinem Fazit fordert Callahan strengere Regeln für philanthropische Akteure. Sie sollten beispielsweise alle ihre Ausgaben bekannt machen, damit die Öffentlichkeit ein klares Bild davon bekomme, welchen Einfluss sie nehmen. Zudem müsse der Gesetzgeber prüfen, ob wirklich alle Aufwendungen von der Steuer befreit werden sollen. Seiner Meinung nach täten Philanthropen selbst gut daran, mehr Transparenz zu schaffen und so ihre Glaubwürdigkeit zu stärken.  


Quelle

Callahan, D., 2017: The givers. Wealth, power and philanthropy in a new gilded age. New York: Knopf.