Armutsbekämpfung

Damit alle Kinder lesen und schreiben lernen

Mehr Gebermittel allein können nicht dafür sorgen, dass Grundschulen in Entwicklungsländern besser werden. Capacity Building ist unerlässlich, wenn das UN-Millenniumsziel universeller Grundbildung erreicht werden soll.

Der Lehrer der Dorfschule kommt oft gar nicht zum Unterricht. Und wenn er es doch tut, steht er vorn an der Tafel und redet auf ein halbes Hundert Fünf- bis Zehnjährige ein. Oft schreit er die Bauernkinder auch an, weil sie sich mit der Geschichte über die U-Bahn in London oder Paris schwertun, die er als Lehrstoff gewählt hat. Der genervte Pädagoge arbeitet nun mal mit einer Fibel der ehemaligen Kolonialmacht. Viele Schüler haben aus Erfahrung Angst, dass er sie schlägt. Andere folgen längst seinem schlechten Vorbild und schwänzen selbst die Schule.

Das ist eine Karikatur des Grundschul­alltags in Entwicklungsländern – aber völlig unrealistisch ist sie nicht. „Unpassende Lehrinhalte und -methoden“ prägten vielfach das Bildungswesen, sagt Carola Donner-Reichle, die InWEnt-Beauftragte für die UN-Millenniumsentwicklungsziele (MDGs). Aus ihrer Sicht liegt es zum großen Teil daran, dass viele Heranwachsende vor allem in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika nicht lesen und schreiben lernen. „Es bringt nichts, nur auf die Einschulungsquoten zu schauen“, warnt sie.

Nötig wären Lehrpläne, die sich auf den Lebensalltag der Schüler beziehen. Nötig wären Lehrmethoden, die ihre Neugier stimulieren und dazu ermutigen, selbst etwas auszuprobieren und zu entdecken. Nötig wären Pädagogen, die individuell auf Kinder eingehen, auf ihre Vorkenntnisse aufbauen, sie in Gruppen zusammenbringen und handlungsfähig machen. All das ist in westeuropäischen Grundschulen längst selbstverständlich. In armen Ländern bleibt es dagegen oft unbekannt.
Um die Defizite zu beheben, müssen die Lehrer besser qualifiziert und motiviert werden. InWent setzt deshalb auf deren Fort- und Weiterbildung. „Wir organisieren zum Beispiel mehrwöchige Fortbildungs­seminare für die Dozenten von Teacher Training Colleges in Malawi“, berichtet die InWEnt-Expertin. Das trage dazu bei, die Grundschulqualität allmählich zu steigern. Weil die Regierung von Malawi darauf Wert legt, stehen auf der Kursagenda Inhalte und Methoden des Sprach-, Mathematik- und Sachkundeunterrichts sowie pädagogische Grundlagen.

Antriebskräfte vor Ort

InWEnt orientiert sich systematisch an der Politik der Zielländer. „Versuche, ihnen etwas aufzupropfen, bringen nichts“, sagt Donner-Reichle. Nachhaltiger Fortschritt sei „eine systemische Angelegenheit“, die nur gelinge, wenn „Antriebskräfte vor Ort“ mitwirkten und Reformen „auf mehreren Ebenen“ ansetzten. Deshalb betont auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der wichtigste Geld- und Auftraggeber von InWEnt, „die Ownership“ der Zielländer.

Die Forderung nach mehr Gebermitteln, wie sie zivilgesellschaftliche Organisationen immer wieder erheben, greift in den Augen der Frau, die bei InWEnt den Bereich Soziale Entwicklung leitet, zu kurz. Sie räumt ein, dass höhere Gehälter den bislang oft unterbezahlten Lehrern Anreize bieten würden, sich stärker zu engagieren. Doch sie betont auch, dass solche Mittel in nationalen Haushalten entsprechend vorgemerkt und später von den Regierungen auch ausgezahlt werden müssten. Ohne Mitwirkung der jeweiligen Ministerialbürokratie werde sich also nur wenig bewegen.

Damit auch dort das nötige Bewusstsein wächst, veranstaltet InWEnt für Mosambik, Malawi und andere Staaten im südlichen Afrika gemeinsame Fortbildungen zum Thema Management von Bildungsbudgets. „Früher haben Beamte aus den Bildungsministerien oft gar nicht mit ihren Kollegen aus den eigenen Finanzressorts gesprochen“, berichtet Donner-Reichle. Interministerieller Austausch sogar auf internationaler Ebene sei deshalb ein großer Schritt nach vorn.

Für dauerhaften Erfolg sei es aber nötig, Zuständigkeiten, die bisher in den Hauptstädten gebündelt seien, zu dezentralisieren. „Finanz- und Personalentscheidungen müssen auf der Provinz- und Distriktebene möglich sein“, sagt Donner-Reichle, sonst kämen lokale Bedürfnisse und Gegebenheiten nicht ausreichend zur Geltung. Zur Modernisierung des Bildungswesens gehört darüber hinaus auch, Lehrer für ethnische und religiöse Spannungen sowie für Genderthemen zu sensibilisieren. „Es reicht nicht, wenn sie solche Konflikte nur mit autoritärem Auftreten in den Griff bekommen“, sagt Donner-Reichle.

Auch auf diesen Feldern unterstützt InWEnt mit einschlägigen Konferenzen, Kursen und sonstigen Angeboten Reformprozesse auf anderen Kontinenten. Donner-Reichle betont die Bedeutung des grenzüberschreitenden Austauschs, gerade auch unter Entwicklungsländern selbst. InWEnt vermittelt bewusst Multiplikatoren nicht nur moderne Konzepte, sondern auch wertvolle internationale Kontakte. Auch das wird dazu beitragen, dass afrikanische Dorfkinder künftig etwas über Ziegen, Schafe und andere Tiere lernen, die in ihrem Alltag vorkommen, sich aber keine Gedanken über U-Bahnen in europäischen Metropolen machen müssen. (dem)