Entwicklung und
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Doppelte Weltkrise

Covid-19 stellt die Politik vor eine doppelte Aufgabe: menschliche Gesundheit schützen und Märkte stabilisieren. Ohne internationale Zusammenarbeit geht das nicht, denn Einzelstaaten können weder das neue Coronavirus auf Dauer eindämmen, noch ihre Volkswirtschaft ausreichend stimulieren.
Stylisiertes Bild des neuartigen Corona-Virus. Schönherr / picture-alliance / dpa Stylisiertes Bild des neuartigen Corona-Virus.

Die Pandemie lehrt uns eine ungewohnte Lektion: Wir können uns nur selbst schützen, wenn wir gleichzeitig andere schützen. Wir halten Abstand, um uns nicht zu infizieren, und das schirmt andere ab, falls wir selbst unwissentlich schon angesteckt sind. Unser Gemeinwohl hängt davon ab, dass wir die Ausbreitung der Krankheit verlangsamen, die Überforderung des Gesundheitswesens auf ein Minimum reduzieren und das Virus irgendwann in den Griff  bekommen.

Das gilt weltweit. Erfolg in unserem eigenen Land allein reicht nicht. Wenn die Pandemie anderswo nämlich schnell weiter eskaliert, kommt sie früher oder später wieder zu uns zurück. Grenzen lassen sich weder permanent schließen noch völlig dicht machen. Illegale Übertritte wird es immer geben. Je schlimmer eine Krise sich zuspitzt, desto mehr Menschen verlassen ihr Land. Wie zuvor bei SARS und HIV/Aids stehen wir vor einem globalen Problem.

Also muss sich die internationale Staatengemeinschaft wichtige Ressourcen einigermaßen fair teilen. Jedes Land muss Patienten diagnostizieren und behandeln können. Versuche, medizinische Produkte für die eigene Heimat zu monopolisieren, verschlimmern Engpässe. Fast alle Länder müssen irgendwelche relevanten Güter importieren – und manche sogar alle.  

Italien ist in Europa bislang am stärksten betroffen. Gravierende Engpässe wurden dort offensichtlich, obwohl das italienische Gesundheitswesen im Weltmaßstab ausgesprochen gut ist. Gewisse Engpässe gibt es überall - es mangelt beispielsweise an Tests. Wenn die reiche Welt zulässt, dass die Pandemie in ärmeren Ländern verheerend eskaliert, wird sich das grausam rächen. Die Produktion von Pharmazeutika und medizinischem Gerät muss also so stark wie möglich ausgebaut werden, um überall zumindest die Mindestversorgung sicherzustellen. Krankenhäuser müssen vermutlich neu gebaut oder provisorisch eingerichtet werden. Die Forschung an Impf- und Heilpräparaten muss beschleunigt und international koordiniert werden.

Nicht nur wegen medizinisch relevanter Güter bleibt der Welthandel wichtig. Die Finanzmärkte sind im März abgestürzt. Investoren rechnen mit dem Schlimmsten, denn die Aussetzung des öffentlichen Lebens bremst die Wirtschaft ab. Darunter leiden die Umsätze fast aller Privatunternehmen. In den vergangenen Wochen haben sich in den USA 30 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet - sehr viel mehr als nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, mit der vor zwölf Jahren die Weltfinanzkrise losging. 

Auch die Finanzwirtschaft steckt bereits jetzt in einer schweren Krise, denn offensichtliche werden viele Firmen Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen können. Eine gefährliche Abwärtsspirale, in der Finanz- und Realwirtschaft sich gegenseitig immer weiter beeinträchtigen, wird schwer zu verhindern sein. Bekommen jedoch die Marktkräfte freien Lauf, ist eine schwere weltweite Wirtschaftsdepression programmiert.

Sich selbst regulierende Märkte können dramatisch versagen. Vor zwölf Jahren war unverantwortliche Kreditvergabe großer Banken der Grund. Diesmal ist es eine Pandemie. Die Finanz-, Geld-und Wirtschaftspolitik ist also auf vielfache Weise gefordert. Zentralbanken und Regierungen von Hocheinkommens-Ländern haben auch schnell reagiert – ihr Handeln aber noch kaum international abgestimmt. Heute hängen alle Nationen vom Weltmarkt ab. Länder mit niedrigen und niedrigen mittleren Einkommen sind bislang von Covid-19 relativ wenig betroffen, aber das kann sich noch ändern. Die präventive Lockdown-Politik lähmt aber auch ihre Volkswirtschaften. Sie brauchen ebenfalls Geld, um gegenzusteuern. Sie haben aber weniger Möglichkeiten, als reiche Länder, und das gilt besonders für die, die hoch verschuldet sind.

 

Dieser Kommentar wurde zuletzt am 1. Mai aktualisiert.

2008 wurden die G20 statt der G7 zum wichtigsten Forum für internationale Abstimmung. Heute ist derartige Koordination noch wichtiger, weil die Probleme größer und komplexer sind. Damit geringstentwickelte Länder nicht übersehen werden, gilt es, diesmal stärker auf UN-Organisationen zu hören.

Leider gestaltet sich die globale Koordination aber diesmal schwirgieger, denn Rechtspopulisten regieren inzwischen mehrere wichtige Länder. Ihre “mein Land zuerst“-Haltung ist in der aktuellen Krise besonders destruktiv, denn niemand kann nur sich selbst schützen. Rettung gibt es nur gemeinsam.