Kommentar

Die neue Seidenstraße

Chinas spektakuläres Wachstum neigt sich dem Ende zu. Das Platzen der Börsenblase, das die Weltfinanzmärkte erschüttert hat, ist dafür nur ein Anzeichen. Während das chinesische Regime versucht, den Abschwung zu bremsen, wird es seine internationalen Infrastrukturambitionen wohl kaum reduzieren.
Chinesische Baufirmen sind auf fernen Kontinenten aktiv: Straßenvorhaben in Äthiopien. Ton Koene/picture-alliance Chinesische Baufirmen sind auf fernen Kontinenten aktiv: Straßenvorhaben in Äthiopien.

Es gibt weitere Anzeichen ökonomischer Probleme. Chinas Ein- und Ausfuhren gehen zurück. Die chinesische Zentralbank hat den Yuan abgewertet. Zudem haben die bevölkerungsreichen Gegenden der Volksrepublik jetzt so viele Straßen, Bahnlinien, Häfen und Flughäfen, dass es nicht mehr sinnvoll ist, die Verkehrsinfrastruktur dort weiter auszubauen. Folglich fehlen Baufirmen Aufträge.

Innere Probleme nähren typischerweise den außenpolitischen Ehrgeiz aufstrebender Supermächte. Für China gilt das auf doppelte Weise. Das kommunistische Regime rüstet massiv auf, und es will in großem Stil internationale Infrastruktur ausbauen. Die internationale Staatengemeinschaft sollte sich Erstem entgegenstellen, Letztes aber begrüßen.

Sicherlich dient es Pekings Außenhandelsinteressen, neue Straßen, Bahnlinien, Containerhäfen und Flughäfen im Ausland zu bauen. Aber die jeweiligen Länder profitieren auch. Chinas Machthaber erwarten mit gewisser Berechtigung, dass ihre Rhetorik von einer „neuen Seidenstraße“ und einer „maritimen Seidenstraße“ Anerkennung findet.

Sie weckt jedoch auch Sorgen. Der indischen Regierung behagen beispielsweise die Pläne nicht, Verkehrswege in Pakistan so auszubauen, dass Chinas Westen Anschluss an das Arabische Meer bekommt. Ihr missfallen auch Chinas Pläne, in Südasien Häfen auszubauen. Aus Delhis Sicht ist das indisches Einflussgebiet. Zudem gibt es Sicherheitsbedenken, weil Transportinfrastruktur auch militärisch relevant ist und China eng mit dem Erzfeind Pakistan verbündet ist.

Ähnlich beobachtet auch die russische Regierung mit Argwohn, wie China seine Verbindungen nach Zentralasien ausbaut. Moskau findet, dass frühere Sowjetrepubliken zur russischen Einflusssphäre gehören. Auch der US-Regierung macht der wachsende Einfluss Chinas Sorgen, weshalb sie sich dagegen aussprach, dass ihre Verbündeten sich der Asian Infrastructure Investment Bank anschließen.  

Dennoch sind Deutschland, Britannien, Frankreich und andere der neuen internationalen Finanzinstitution mit Sitz in Peking beigetreten. Entwicklungspolitisch war das richtig. Infrastruktur wird dringend gebraucht, und es lohnt sich, bei ihrem Ausbau zu kooperieren. Zusammenarbeit wird zudem dazu beitragen, Pekings autoritäres Regime in die multilaterale Ordnung einzubinden. 

Chinas Partner müssen aber wachsam bleiben. Sie sollten sich Säbelrasseln – etwa im Südchinesischen Meer – entgegenstellen und den Zugang der chinesischen Streitkräfte zu den neugeschaffenen Einrichtungen beschränken. Obendrein müssen sie auf Qualität achten. Chinesische Firmen bauen seit Jahren Verkehrsinfrastruktur in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten. Manchmal sind die Ergebnisse großartig, aber manchmal verfallen sie auch arg schnell. Wer Verträge mit chinesischen Firmen abschließt, sollte die bisherige Erfahrung genau analysieren und dafür sorgen, dass künftig dauerhafte Infrastruktur entsteht. Das Leitprinzip könnte sein, darauf zu bestehen, dass Wort gehalten wird.

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.