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Fossilwirtschaft

China finanziert weiter weltweit Kohlekraft

Chinesische Banken und Unternehmen investieren kräftig in den Bau neuer Kohlekraftwerke – vor allem im Ausland. Damit verhalten sie sich wider dem globalen Trend und der Politik der eigenen Regierung, die die Förderung erneuerbarer Energien zur Top-Priorität gemacht hat.
Protest gegen ein Kohlekraftwerk, das Kenia mit chinesischer Unterstützung in der Hafenstadt Lamu bauen will. Ben Curtis/picture-alliance/AP Photo Protest gegen ein Kohlekraftwerk, das Kenia mit chinesischer Unterstützung in der Hafenstadt Lamu bauen will.

China ist ein widersprüchliches Land. ­Einerseits liegt es an der Weltspitze im Bereich erneuerbare Energien, andererseits liegen chinesische Unternehmen weltweit beim Ausbau neuer Kohlekraftwerke vorne: 54 Gigawatt (GW) in 20 Ländern (s. Global Coal Exit List der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald). China ist allerdings kein Einzelfall: Die meisten Kredite für den Bau von Kohlekraftwerken weltweit stammen von japanischen und europäischen Banken.

Chinas Wirtschaftswunder basiert auf der Kohleförderung. Rund die Hälfte aller Kohle stammt aus dem bevölkerungsreichsten Land der Welt und wird auch dort verbrannt. Damit ist China der größte Kohleproduzent. Doch während China in der Steinkohleförderung Platz eins einnimmt, liegt Deutschland bei Braunkohleförderung und -verbrauch weltweit an der Spitze: 17 Prozent gegenüber 14 Prozent des Anteils am Weltverbrauch laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Auch ist Chinas Energiehunger nicht allein auf die chinesische Industrieproduktion zurückzuführen, denn Unternehmen aus aller Welt lassen in China produzieren und tragen so zum dortigen Rohstoffkonsum bei. Auch Deutschland führt natürlich mehr aus als es importiert.

2004 hat China begonnen, innen- und industriepolitisch umzusteuern. Mai Kai, damals Vorsitzender der obersten Planungsbehörde National Development and Reform Commission (NDRC), rief zu einer neuen Rohstoffpolitik auf, die das Land auf den Weg der Nachhaltigkeit führen sollte. Damit einher ging eine massive Förderung von Auslandsinvestitionen.

Begünstigt wurde diese Entwicklung durch nicht enden wollende Proteste gegen die enorme Luftverschmutzung und kritische Reportagen über das soziale Elend der Kohlebergarbeiter. Chinas Bergwerke werden seither modernisiert, 2014 erschienen Leitlinien für die soziale Verantwortung von Bergbauunternehmen, und die Braunkohleförderung ging erstmals seit 1970 zurück.

Nun soll Gas Kohle als Energieträger ersetzen – der entsprechende Transformationsprozess ist in vollem Gange. Die Regierung hat drastische Maßnahmen ergriffen, um den Kohleverbrauch zu senken: 2017 wurde das letzte Kohlekraftwerk in Peking vom Netz genommen, im September 2019 rief die Hauptregulierungsbehörde National Energy Administration (NEA) sogar alle Regionen und Provinzen auf, ihre Klein-Kohlekraftwerke (unter 50 000 Kilowatt) allesamt zu schließen. Außerdem sollen die Heizungen von mehr als 2 Millionen Haushalten in den Industriezentren mit starker Luftverschmutzung auf Flüssiggas (LNG) umgestellt werden. Dessen Import wird in den nächsten Jahren massiv ansteigen.

Doch in der Gesamtbetrachtung sind die Maßnahmen nur ein Tropfen im Ozean: Laut der Nachrichtenagentur Reuters machen die 8,7 GW vorgesehene Kohle-Einsparung nur etwas unter einem Prozent der Gesamtkapazität Chinas aus. Im Energiemix hat China zwar den Anteil der Kohle von 68 Prozent im Jahr 2012 auf 59 Prozent im Jahr 2019 abgesenkt, doch der absolute Verbrauch steigt weiter an. Zurzeit werden im Reich der Mitte Kohlekraftwerke mit einem Leistungsvolumen gebaut, das die gesamte Förderkapazität der Europäischen Union übersteigt. Übersehen wird bei der Kohle-zu-Gas-Strategie zudem, dass auch LNG zu den fossilen Energieträgern gehört.


Widersprüchliche Politik

China ist weltweit der größte Investor in erneuerbare Energien, 45 Prozent davon fließen ins eigene Land. Außerhalb der eigenen Grenzen investiert China aber kräftig in Kohle (siehe Beitrag von Katja Dombrowski in E+Z/D+C 2018/01, Monitor). Seit dem Eintritt des Landes in die Welthandelsorganisation und dem Start der sogenannten „Go Global“-Strategie im Jahr 2001 investieren chinesische Unternehmen – unterstützt durch die Außenhandelsförderung des Staates – massiv in ausländische Energie­infrastruktur. Der heimische Kohlemarkt war zu dieser Zeit gesättigt und Kohleunternehmen auf der Suche nach neuen Absatzmärkten, welche sie vor allem in Süd- und Südostasien fanden.

2010 erreichten die chinesischen Investitionen in Kohlekraftwerke ihren Höchststand. Allein in dem Jahr schlossen chinesische Unternehmen und Investoren Verträge über 50 GW an zusätzlicher Kohleverstromung mit anderen Ländern ab. Die Jahre 2010 bis 2013 waren dann von einer leichten Stagnation gekennzeichnet. Niedrige Wachstumsraten in Asien und Richtlinienänderungen in Indien – damals wie heute der größte Empfänger chinesischer Kohleinvestitionen – führten dazu, dass ­einige Projekte storniert wurden und Investoren zurückhaltender agierten.

2013 stellte die Regierung die Auslandsinvestitionen unter das Dach der One Belt One Road Initiative (siehe Beitrag von Katja Dombrowski in E+Z/D+C e-Paper 2017/10, Monitor). Im Rahmen einer neu formulierten Entwicklungsstrategie wurde die Förderung regenerativer Energien zur „Top-Priorität“ – und trotzdem landen drei Viertel der chinesischen Außenhandelsförderung im Energiebereich in fossilen Projekten. 221 GW Kohleverstromung sind geplant, fast das Doppelte der Vorhaben Indiens und mehr als die derzeitige Kapazität Deutschlands von 200 GW. Laut der Datenbank Global Coal Exist List 2019 sind 744 Kohlekraftwerke und -minen für 89 Prozent der weltweiten thermischen Kohleproduktion verantwortlich (die restlichen 11 Prozent erfasst die Liste nicht, weil es sich um Kleinkraftwerke handelt oder sie aus anderen Gründen nicht die Kriterien erfüllen). 400 dieser Unternehmen wollen expandieren, ein Viertel davon sind chinesisch.

Viele Zielländer chinesischer Investitionen stehen vor der Herausforderung einer rasant wachsenden Bevölkerung und eines steigenden Energiebedarfs, hervorgerufen vor allem durch voranschreitende Industrialisierung. Groß angelegte Investitionen in Kohle behindert diese Länder langfristig in ihrer Entwicklung. Die Kraftwerke haben eine durchschnittliche Lebensdauer von über 40 Jahren, viele werden aber früher außer Dienst gestellt werden müssen. Kohle ist die schmutzigste Art der Energiegewinnung überhaupt.

Laut einem Bericht des IEEFA (Institute for Energy Economics and Financial Analysis, 2019) mit Sitz in Ohio steigen chinesische Kreditgeber dort ein, wo andere Banken sich aus der Kohlefinanzierung zurückziehen. Der Bericht, der auf Daten des Global Coal Plant Trackers basiert, fand heraus, dass Entwicklungs- und Staatsbanken sowie Firmen aus China mehr als ein Viertel aller außerhalb von China geplanten Kohlekapazitäten (102 von 399 GW) finanzieren. Dazu gehören auch Investitionen in Kohleexport, Kohlekraftwerke sowie die dazugehörige Infrastruktur.

Die Daten der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald ergaben darüber hinaus, dass chinesische Banken weltweit die dominierende Rolle bei der Förderung von Kohlekraftwerken einnehmen, da sie 69 Prozent der weltweiten Underwritings, also Investment-Dienstleistungen für die Kohleinvestitionen, übernehmen. Kurz gesagt: Sie sorgen dafür, dass sich die Kohleinvestitionen auch lohnen. Die Bevölkerung der Zielländer profitiert hingegen weniger – im Gegenteil: Vielerorts fehlen dringend nötige Umweltschutzauflagen oder diese werden vor dem Hintergrund der chinesischen Investitionen aufgeweicht (siehe Kasten).

Auch wenn Chinas gegenwärtige Energie- und Industriepolitik nicht unerheblich zum Klimaschutz beiträgt, sind chinesische Banken und Unternehmen zugleich führend in der Ausweitung der Kohleinvestitionen. Weltweit ziehen sich Kapitalgeber zunehmend aus dem Kohlegeschäft zurück und UN-Generalsekretär António Guterres hat dazu aufgerufen, ab diesem Jahr keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. Doch das ist nur zu schaffen, wenn China als einer der führenden Finanzierer von Kohlekraft aussteigt. Die chinesische Firma Ping An, eine der größten Kohleversicherungen der Welt, hat nun den ersten Schritt gewagt und eine Kohleausstiegsstrategie vorgelegt. Das ist ein Hoffnungsschimmer – denn Kohle darf sich nicht mehr lohnen.

Es kann jedoch auch ganz anders kommen: Wie ein neuer Report von Carbon Tracker zeigt, will China nach der Corona-krise die Wirtschaft mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke ankurbeln. Allein zwischen dem 1. und 18. März wurden acht GW neue Kohlekapazität genehmigt, Lockerung der Kohleregulierung wird in Aussicht gestellt und es gibt Pläne, zusätzliche 158 Milliarden Euro in neue Kohlekapazität zu investieren.


Quellen

Global Coal Exit List von urgewald:
https://coalexit.org

IEEFA, 2019: China at a Crossroads. Continued Support for Coal Power Erodes Country’s Clean Energy Leadership.
https://ieefa.org/wp-content/uploads/2019/01/China-at-a-Crossroads_January-2019.pdf

Gobal Coal Plant Tracker:
https://endcoal.org/global-coal-plant-tracker/

Carbon Tracker, 2020: Political decisions, economic realities: The underlying operating cashflows of coal power during COVID-19.
https://carbontracker.org/reports/political-decisions-economic-realities/


Nora Sausmikat arbeitet seit 2019 bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald mit dem Fokus auf China. Vorher leitete sie viele Jahre das China-Programm der Stiftung Asienhaus.
nora.sausmikat@urgewald.org

Quirin Jetschke studiert internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik an der Universität Duisburg-Essen und ist Werkstudent bei urgewald.
quirin.jetschke@stud.uni-due.de