Bürgerkriege

Kinder in Terrororganisationen

Immer mehr terroristische Organisationen rekrutieren Kinder. Warum das so ist, wie sie das tun und welche Aufgaben Kinder dort haben, erklärt das Buch „Small Arms“.
Kindersoldaten der Revolutionary United Front (RUF) in Sierra Leone. Sebastiaan Bolesch/Lineair Kindersoldaten der Revolutionary United Front (RUF) in Sierra Leone.

Kindern war es in der Vergangenheit weitestgehend verboten, aktiv an Kriegen teilzunehmen. Doch das änderte sich im 20. Jahrhundert, als Kinder bei nationalen und kolonialen Befreiungskämpfen eingesetzt wurden, schreiben Mia Bloom und John Horgan von der Georgia State University in ihrem Buch „Small Arms. Children and Terrorism“. In den vergangenen 20 Jahren habe die Zahl von Kindersoldaten und Kindern in bewaffneten Organisationen, Gangs und Guerillagruppen weltweit massiv zugenommen, und sie würden auch mehr und mehr direkt im bewaffneten Kampf eingesetzt.

Nach Angaben der Autoren hat der Einsatz von Kindern für terroristische Gruppen durchaus Vorteile: Kinder seien im Vergleich zu Erwachsenen wendiger und flexibler und könnten sich leichter zwischen den Fronten bewegen. Sie seien einfacher zu rekrutieren und zu manipulieren und gehorchten oft widerspruchslos. Außerdem würden sie in der Regel nicht bezahlt und seien somit günstiger als erwachsene Kämpfer.

Wie Bloom und Horgan ausführen, entführen Mitglieder von Terrorgruppen oftmals Kinder oder zwangsrekrutieren sie aus Flüchtlingslagern. Viele der Opfer hätten keine Verwandten mehr, die sich um sie kümmern, oder sie würden gezwungen, ihre eigenen Familienmitglieder zu töten, damit es für sie kein Zurück mehr gibt. Dafür nennen die Autoren das Beispiel der Revolutionary United Front (RUF) in Liberia.

Manche Organisationen füllen demnach ihre Reihen mit Kindern auf, weil ihnen schlichtweg die Kämpfer ausgehen, andere schicken Kinder aus taktischen Gründen in den Krieg. Im Iran-Irak-Krieg (1980–1988) setzte der Iran Kinder als Kanonenfutter und Minenräumer ein. Die irakischen Truppen schreckten davor zurück, auf sie zu schießen – was den iranischen Truppen einen Vorteil verschaffte.

Auch Terrorgruppen wie ISIS oder Boko Haram setzen Kinder den Recherchen der Autoren zufolge strategisch ein, da sie bei Sicherheitskräften weniger Misstrauen erwecken als Erwachsene. Die Organisationen schreckten nicht davor zurück, Kinder – aber auch Menschen im Rollstuhl oder alte Menschen – als Selbstmordattentäter auf einen belebten Markt zu schicken.

Vor allem in Gebieten ohne staatliche Versorgung kann es Familien auch sinnvoll erscheinen, ihre Kinder freiwillig zu einer bewaffneten Gruppe zu schicken, wenn diese etwa die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten kontrolliert. Und nicht immer werden Kinder direkt in den Kampf gezwungen. Gerade in Konflikten, die über Generationen andauern, ist es für Terrororganisationen sinnvoll, Jugendcamps oder -organisationen aufzubauen, wie Bloom und Horgan erläutern. Dort würden Kinder über einen längeren Zeitraum ausgebildet und auf ihre Aufgaben vorbereitet.

Als Beispiel nennen sie die „Cubs of the Caliphate“, die Kinder- und Jugendtruppe von ISIS, die im Juli 2015 traurige Bekanntheit erlangte, als ihre Mitglieder vor laufender Kamera gefangene syrische Soldaten mit einem Genickschuss hinrichteten. In Online-Kanälen, mit denen ISIS Kinderzimmer auf der ganzen Welt erreiche, würden die Cubs als Helden dargestellt, Märtyrer gefeiert wie Rockstars. So rekrutierten Terroristen im Internet weltweit Kinder für ihren grausamen Kampf.

Die Autoren weisen darauf hin, dass der Einsatz von Kindern in Terrororganisationen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und die Organisation von Machtstrukturen hat. Er stelle Hierarchien in Frage und zerrütte gesellschaftliche und familiäre Strukturen. Eine Reintegration dieser Kinder nach Beendigung des Konflikts stelle Gesellschaften vor große Probleme. Die Kinder seien einerseits Opfer ihrer traumatischen Erfahrungen, andererseits stellten sie als Täter ein großes Sicherheitsrisiko dar und würden oftmals stigmatisiert. Für eine adäquate Behandlung der Kindheitstraumata fehle es in den meisten Ländern an qualifiziertem Personal. Dementsprechend groß sei auch die Gefahr, dass diese Kinder wieder in kriminellen Organisationen landen.


Buch
Bloom, M., und Horgan, J., 2019: Smalls Arms. Children and Terrorism. Ithaca, Cornell University Press.