Rechtsstaatlichkeit

Frauenmorde verschaffen Mexiko einen schlechten Ruf

Frauenmorde haben Mexiko traurige internationale Berühmtheit verschafft. Seit den 1990er Jahren wird über ihre Häufigkeit etwa in Ciudad Juárez, einer Stadt an der Grenze zu den USA, diskutiert. Staatliche Institutionen reagieren nur langsam auf das Phänomen.
Andenken an ein Femizid-Opfer. picture-alliance/NurPhoto/Gerardo Vieyra Andenken an ein Femizid-Opfer.

Im Jahr 2001 erregte ein Leichenfund internationales Aufsehen. Daraufhin verabschiedete die Regierung das Dekret zur Gründung von Inmujeres (Instituto Nacional de las Mujeres – Nationales Fraueninstitut). Es untersteht dem Präsidenten und hat die Aufgabe, Bedingungen zu fördern, „die Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und Gleichbehandlung zwischen den Geschlechtern ermöglichen“.

Die Todesfälle in Ciudad Juárez waren es auch, die den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte auf den Plan riefen. Dessen international beachtetes Urteil im Fall „Campo Algodonero“ aus dem Jahr 2009 legte die Ineffizienz des Justizsystems und das mangelnde Verantwortungsgefühl der Behörden bei geschlechtsspezifischen Straftaten offen. Auf das Urteil hin erstellte die Regierung Aktionspläne, zahlte Wiedergutmachungen, ließ öffentliche Entschuldigungen verlautbaren und trieb Gesetzesänderungen voran. Unter anderem schrieb das Urteil Schulungen für Staatsbedienstete vor, die mit Verbrechen gegen Frauen – wie häuslicher Gewalt, sexueller Gewalt oder Frauenmorden – zu tun haben.

Es gibt bisher keine Studien darüber, inwieweit diese Maßnahme die Denkweise der Beamten beeinflusst hat. Allerdings wurden in der Folge mehr Mittel für Schutzeinrichtungen für Frauen bereitgestellt. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der kommunalen Einrichtungen für Frauen und der staatlichen Frauensekretariate gestiegen. Die Zahl der Frauenrechtszentren wuchs auf 65. Zudem gibt es heute mehr auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisierte Staatsanwaltschaften.

Andere Länder sind auch betroffen

Einem besonders hohen Gewaltrisiko sind Migrantinnen ausgesetzt, die Mexiko auf dem Weg in die USA durchqueren. Andere Länder in Mittel- und Südamerika haben ebenfalls hohe Femizidraten. In Honduras, El Salvador und Bolivien ist sie sogar noch höher als in Mexiko. Armut, organisierte Kriminalität und Drogenhandel tragen zu den Problemen bei.

Unter Präsident Andrés Manuel López Obrador geht die Zahl der Morde in Mexiko insgesamt tendenziell, aber langsam zurück (der Weltbank zufolge von 29 pro 100 000 Einwohner*innen im Jahr 2019 auf zuletzt 28 pro 100 000). Die Zahl der Femizide hat sich aber im vergangenen Jahrzehnt laut amtlichen Zahlen verdoppelt. 2021 gab es 0,8 Fälle pro 100 000 Menschen. Das mag vergleichsweise gering erscheinen – aber es trifft die Opfer meist in ihrer Privatsphäre, in der sie sich eigentlich sicher fühlen sollten.

Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
virmercado@yahoo.com.mx